BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

CHRISTIAN KRAUS –

Der Seele dunkle Seite

Das nennt man wohl auch eine gelungene Verbindung. Nach den Romanen zwei (Aug.) und drei (Okt.) des, oben genannten, Autors, war es einfach dringend nötig, mal so einigen Dingen auf den Grund zu gehen. Das Erst-Werk von Christian Kraus auf Augenhöhe zu nehmen, hat sich gerade dazu angeboten. Und hier kam es zu dem Zufall, der Leser will das mal beäugen und der Schriftsteller wollte das auch, dass der Leser das bekommt. Was dann einen Schluss nahelegt, man muss sich nicht in irgendwelchen Netzwerken herumtreiben, wo Emjois die Nachrichten beherrschen. Oder, wie Klaus-Peter Wolfs Hauptkommissar Rupert feststellt, mit diesen Murmelgesichtern können auch Analphabeten endlich Nachrichten verschicken, die zwar nicht wirklich sinnreich sind, aber ein gewisses Maß an Emotionen vermitteln könnten. Nein, man kann sich auch, ganz normal, mit in Buchstaben gefassten Worten verständigen. Kleiner Wahnsinn. Herr Kraus ist, eigentlich, Psychiater und Psychotherapeut, promovierter Arzt und, man glaubt es kaum, in diesem Beruf gibt es mehr Unterscheidungen in Fachbereichen, als, international gesehen, man das stinknormale Wort Nudel in eine Vokabel umwandeln könnte. Schön ist, er braucht keine Ems für Kommunikationen. Er kann lesen, und schreiben aber auch. „Der Seele dunkle Seite“ beweist das sogar in mehrerer Hinsicht. Dieses Buch ist eine emotionale Achterbahnfahrt, ohne gleichen. Okay, wenn Psychospezialisten, egal welcher Kennung, dann auftafeln wollen, dann dürfte sich das Menü doch in einem Bereich sehr hoher Inhalationsbereitschaft des Lesers bewegen. Herr Kraus macht hier keine Ausnahme. Im Gegenteil. Sein Vorteil ist ja, viele Dinge zu kennen und, sollte man auch erwähnen, er hat in viele Abgründe geschaut. Nur will er nicht ein, oder der, neue Nietzsche werden, sondern der Christian bleiben. Hamburger und Berliner haben doch mehr gemeinsam, als nur als eine Art Nahrung definiert zu werden. Mensch bleiben, ist doch schön. Nur gibt es manchmal andere Individuen, die das anders sehen wollen. Und das Problem ist, das sie Verbrecher, schuldig im Sinne der Anklage, produzieren werden. Wer als Kind Gewalt erlebt hat, kann ganz schnell auch auf diese Schiene kommen. Nur stellt sich jetzt die Frage, wer hat hier die Schuld? Gut ist, nicht jeder wird diesen Weg gehen. Schön ist, dass Christian Kraus ein solches Schicksal mal von allen Seiten beleuchtet. Noch schöner ist, er macht das nicht auf eine politische Art, wo jeder Vollpfosten aus unserem Sammelsurium von Krokodils tränenden Volksvertretern sich gerne mal eine neue Komme-aus-dem-Gefängnis-Frei-Karte aus Monopoly ergattern will. Der Mann, mit der Couch im Büro, und vielen Akten, die er studiert hat, will Gerechtigkeit. Wird, pardon von unserer Seite aus, in diesem „demokratischen“ Staat nicht wirklich passieren. Opfer haben weniger Rechte, als die Täter. Aber er versucht es zumindest. Gibt seinen Büchern doch einen ganz anderen Anstrich und deswegen ist der Konsum seiner Publikationen auch so interessant. Und schon stiefelt ein Serienmörder durch größte Hansestadt Deutschlands. Seine gezielten Opfer werden Leute, die man irgendwie damit verbinden kann, nicht wirklich einen normalen Lebenslauf zu haben. „Wagner“ sucht nach Dingen aus der Vergangenheit. Nach Menschen, die sich schuldig gemacht haben, als er noch klein und hilflos war und, mit seiner kleinen Schwester als Baby im Arm, den Selbstmord seiner Mutter hautnah miterleben musste. „Wagner“ wird nicht nur zu einer tragischen Figur, sondern auch zu einer Bedrohung. Für Politiker, Verbrecher, Klüngel, die, bis heute, überlebt haben, trotz der, ach so, gerechten Justitia in Deutschland. Der blinden trifft es wohl besser. Christian Kraus zeichnet einen neuen Robin Hood aus Hamburg, auch wenn der bessere Möglichkeiten hat, als mit Pfeil und Bogen auf die Jagd zu gehen. Ja, auch das Wort Selbstjustiz kann man durchaus treffend hier einwerfen. Nur, wer würde ihm denn Gerechtigkeit geben wollen. Im Gegenteil. Als man das erste Mal vermutet, dass „Wagner“ auf dem Trail ist, fährt man richtig große Geschütze auf. Der Mann, der in seiner Vergangenheit so viel Scheiße erlebt hat und nun eine Rechnung stellen will, soll zum Schweigen gebracht werden, schon aus dem Grunde, dass ihm keiner mehr zuhören kann, von Wollen kann ja schon gar keine Rede sein. Das Konglomerat aus Politik und Verbrechen will den unliebsamen Mitwisser eliminiert sehen und das zieht sich bis in die hohen Kreise der Volksvertreter, die auf unsere Kosten leben wollen und denen wir auch noch unsere Stimme geben sollen. Manchmal ist Demokratie einfach nur scheiße, zumindest so, wie man uns das heute aufdrängeln will. Der wahre Gedanke daran ist doch schon lange vergessen. Christian Kraus will den wieder aufleben lassen. Er will Gerechtigkeit. Die These, der Sieger schreibt die Geschichte, einfach mal umdrehen. Weil es keinen Sieger geben wird, ob kurz oder langfristig gesehen. Warum begreift das keiner? Wenn Psychiater Bücher schreiben, sollte man auch die Nase reinstecken und eine Art „verstehen“ lernen. „Der Seele dunkle Seite“ bricht doch viel auf. Das ist Wahnsinn. Ohne ein Ende zu finden? Herrn Kraus, … Leute, den behalten wir doch im Blickwinkel. Versprochen.
(Ellert&Richter)

ISBN 978-3-8319 – 0387 - 0 190 Seiten

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