BUCHCOVERREZENSION
Krausc ToeteWasDuLiebst

CHRISTIAN KRAUS –

Töte, was Du liebst

Manchmal ist es von Vorteil, erst das Nachwort zu lesen. Bei Christian Kraus sollte man das in jedem Fall machen, damit man weiß, worum es ihm geht. Eigentlich ist er ein Psychoanalytiker und Therapeut, auf Neudeutsch auch Seelen-Klempner genannt, die eigentlichen Berufsbezeichnungen und Unterscheidungen dieser Branche sind doch recht mysteriös, und jetzt auch ein Autor eines ausgewachsenen Psychothrillers, der so manchen anderen Namen in die Schatten stellen wird. Lest nicht nur die Werbung für Bücher. Lest die Bücher, wie sie kommen. Da sind schon Überraschungen bei, mit Herzflattern und einem Bedürfnis nach einem erhöhtem Gerstensaftkonsum gepaart. Was wirtschaftlich nur gut sein kann. Weil, wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft, die dann auch biologisch und ökologisch, nachvollziehbar ist. Eine einzige Scheibe Brot deckt Euren Salzhaushalt, für den Tag, zu zwölf Prozent. Ein Bier deckt Euren Bedarf, entsprechend einer Scheibe Brot, an Nahrung, aber ohne Salz. Da ist dann zwar etwas Alkohol drin, aber auch viel Wasser. Wenn man davon ausgehen möchte, was für mehr Herzinfarkte verantwortlich ist, sollte man auch redlichen wissenschaftlichen Studien folgen. Da ist dann nicht nur mehr wirklich die Rede von Nikotin und Alkohol. Und deren Missbrauch. Eher auch von Zucker und Salz. Wie Paracelsus schon wusste, die Dosis macht das Gift. Ob Herr Kraus das beabsichtigte, das müsste Ihr ihn schon selbst fragen. Rafael geht gerne auf die Jagd. Noch sind Katzen seine Opfer, die erst er- und danach zerlegt werden, bis ihn ein unglücklicher Jogger in flagranti erwischt. Der Herr Jogger ist nicht darauf vorbreitet, was Rafael darstellt und der gerät, zwischenzeitlich auch in Panik, aber plötzlich auf die Schiene, dass Katzentöten ihm nicht mehr reichen kann und wird. Da war der laufende Mann zur falschen Zeit, am falschen Ort und hatte obendrein den „Fehler“ am Start, sich auch noch bemerkbar zu machen. Zivilcourage! Mit tödlichem Ausgang. Dass Christian Kraus, eigentlich, kein Schriftsteller ist, bemerkt man als Leser erst mal nicht. Sein Spannungsgefühl in der Situation ist gut ausgewachsen und er mischt viele Karten in sein Buch hinein. Dabei wechselt er die Stimmungsbilder in breiter Front. Man kann auch sagen, dass er alle Nuancen des Schreibens beherrscht. Manchmal brachial, wie eine Panzerfaust. Was den Tipp ergibt, sich die „Legacy“-04/19-Ausgabe zu entern, wo gleichnamige Band, auf der beiliegenden CD, dem Hörer auch gleich die Tür eintreten wird, ohne zu klingeln, bis hin zu sanfteren Tönen und Szenen eines normalen Alltags, den man eigentlich von daheim gewohnt und man jetzt auch froh ist, dass die Katze, die sich auf dem Balkon in der Sonne räkelt, nicht das Opfer eines Rafael wurde. Auch wenn Herr Kraus hier das Versprechen gibt, dass seine Figuren und Situationen frei erfunden sind, so kann man doch davon ausgehen, dass es immer Menschen gibt, die nicht ganz so richtig ticken, wie wir uns das vorstellen wollen. Er hat ein Krankheitsbild auf dem Schirm, das es auch wirklich gibt. Nur ist hier die Frage, was nutzt es den Opfern solcher Gestalten? Sicher sollte man auch Verständnis haben, wenn manche Zeitgenossen nicht ganz so auf der Höhe des Zeitgeschehens sind. Nur, mit der Katze fing das doch an. Der Jogger, der Zivilcourage hatte sehen lassen wollen, kann sich jetzt das Fundament seines eigenen Grabsteins, einschließlich der Wurzeln sämtlicher Gewächse, die auf seiner letzten Behausung sich häuslich niederlassen werden, ausgiebig, von unten inspizieren und den harzigen Duft des Holzes seines Sarges einatmen. Wobei er auch noch die Auswahl hat, wie das Wetter wohl wird. Auch wenn das Opfer, laut Herrn Kraus nur erfunden, wahrscheinlich gerade seine Tantiemen in den Geldspielautomaten steckt, stricken sich doch Parallelen zur Zeitgeschichte einen roten Faden durch die grauen Zellen des Lesers, der seine schlummernde Katze betrachtet. Adolf Hitler? Und, vermutlich, auch auf dumme Ideen kommen wird. WARNUNG! WARNING! UWAGA! Rafael! Klau mein Geld, sauf mein Bier aus, plündere meinen Kühlschrank und meine Wohnung. Hast Du eine dissoziative Identitätsstörung, sei Dir verziehen. Gehst Du an mein Katzentier, dann bist Du TOT. Egal, welches Krankheitsbild man Dir diagnostizieren wird. Da Herr Kraus gerade entdeckt hat, welche Folgen sein Buch haben könnte, schickt er Alexander Pustin ins Rennen. Sein Neuzugang, zur Mordkommission Hamburg, soll mal, und zwar ganz schnell, ausbügeln, was er gerade durchgefaltet hat. Auch wenn sein Frischling kein Superheld ist, so hat Alex doch schon ein, zwei Taten vorzuweisen, die zwar demokratisch nicht wirklich konform sind, aber deren Folgen uns doch wie Honig auf der Zunge zergehen werden. Davon brauchen wir mehr. Der Herr Psychotherapeut hat auch richtig helle Momente. Wo er versucht, die Wogen zu glätten, die er erst mal aufgeworfen hat, schiebt er seine Protagonisten hinein und lässt ihnen freien Lauf, was dann den finalen Zeitlauf angehen sollte. Damit der Leser ihm nicht den Hals umdreht. Wer Katzen töten lässt, geht eine extreme Gratwanderung ein. Und das hat er gerade noch, messerscharf, erkannt. Jetzt versucht er sich, dahin, das Ganze noch erklären zu können. In einer fast genickbrechenden Kurve doch noch einzulenken. Alex wird das schon richten. Schön ist doch, wenn man die Feder anspitzt, dass man sich auf seine Personen verlassen kann. Alex Pustin ist zwar kein Schriftsteller, dafür aber ein Ordnungshüter mit Empathie. Sein geistiger Vater versucht es so darzustellen. Aber der will ja auch die Drecksarbeit nicht machen. Dafür ist Alex da. Auch wenn sein Buch ihn als solchen ausweisen will, sich zu kümmern, wird sich Herr Kraus einen Kehricht darum scheren, was Alex für Probleme bekommen wird. Nur mal nachschauen, wie er sich schlägt. Und ob dann noch etwas nachkommen wird, da zitieren wir mal. „Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann.“ Leo N. Tolstoi.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-30607-9 373 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)