BUCHCOVERREZENSION
Fenneka SchwarzWeiss

ANTONIA FENNEK –

Schwarzweiss

Bei mehreren Büchern haben wir das schon mal angeregt, das Nachwort doch zuerst zu lesen, oder auch, stattdessen das vielleicht mal als ein Vorwort zu installieren. Bei Frau Fennek ist das auch empfehlenswert (das Nachwort zu lesen.)Damit man einen besseren Blick auf die Seiten bekommt, durch die man gerade schmökern möchte. Gerade wenn es um psychische Erkrankungen geht, gibt es, in unserer, heutigen, Gesellschaft einen großen Mangel an Aufklärung. Nicht jeder „Irre“ ist auch ein Mörder und nicht jeder Normalo ist harmlos. Antonia Fennek will hier nicht nur aufklären, ihre eigenen Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit als Ärztin für Psychiatrie im Maßregelvollzug nachvollziehen, verarbeiten, sondern auch dem Leser mal ein Buch unter die Nase klemmen, mit Themen, die sich dem Seitentouristen eher weniger von selbst offenbaren werden, es sei denn, er ist oder war schon mal, irgendwie, involviert worden. Aber keine Angst, das eigentliche Buch hat es auch in sich. Wo sind Grenzen? Für Menschen. Im Sudan haben sich kriminelle Elemente dazu aufgemacht, Freier von käuflichem Sex in Fallen laufen zu lassen, auszurauben und zu töten. Schnelles Geld, ohne Investitionen, makaber, aber wahr. Das Land versinkt im Bürgerkrieg, die Lage ist prekär (tolle Untertreibung) und auch weit, weit weg von Deutschland. Regina Bogner hat mal hier gearbeitet, mit ihrem Mann, im Rahmen von „Ärzte ohne Grenzen“. Und selbigen verloren. Hier muss auch der kleine Junge Akin mit ansehen, wie man gesetzlos lebt. Leben ist nicht mehr wert, als Dreck. Frau Bogner kehrt dem Sudan den Rücken, mit ihrer Tochter, die, zur Zeit der Tragödie, noch sehr jung war, wie auch Akin. Zurück in deutschen Landen sollte sich eine Art „Normalzustand“ wieder herstellen lassen. Tote Männer, und schon gar nicht der eigene, stehen nicht mehr, wirklich, im Vordergrund, Mehrkornbrötchen und Kaffee zum Frühstück, plus einem geregelten Arbeitstag und einer rundum versorgten Tochter, sollten einer Mutter doch das Gefühl geben, wieder auf einem Pfad zu sein, der zwar nicht die völlige Erleuchtung verspricht, aber doch suggeriert, wieder in ein Alltagsleben zu passen. Der tote Mann, und Vater ihrer gemeinsamen Tochter, ist zwar nicht vergessen, aber, etwas verdrängt. Kann ja manchmal klappen. Oder auch nicht. Wenn man im Maßregelvollzug arbeiten möchte und auch wird, kann es schon zu einigen Überraschungen kommen. Frau Bogner bekommt einen neuen Patienten. Neudeutsch, der Typ ist nicht haftfähig. Er hat zwar gerade einen Mord begangen, auf bestialische Art, aber er darf dafür nicht wirklich belangt werden. Nach dem deutschen Gesetz ist er krank. Das Opfer wird auch auch keinen Widerspruch mehr einlegen. Es kann sich jetzt selbst davon überzeugen, wie seine selbst gesäten Radieschen und Tomaten wachsen, von der Wurzel heraus. Und es wird nicht lange allein bleiben. Antonia Fennek geht ganz hart an die Gesetzeslage. In anderen Ländern sieht man das etwas anders. Akin, mittlerweile erwachsen, sucht. Den Mörder seines Bruders. Der war zwar auch nicht gerade gesetzestreu mit diesem Mann umgegangen, im Gegenteil. Nur, was aus dem ehemaligen Opfer wurde, treibt dem Sudanesen eine Gänsehaut auf den Rücken. Als einzige Genugtuung bleibt, das sein krimineller Bruder seinem Mörder bis in den Tod getrotzt hatte. Jetzt, als eine Art Geheimagent, folgt er einer Spur des Blutes. Und die führt nach Deutschland, wo er auf Regina Bogner trifft. Und die hat jetzt mehrere Probleme. Ihr Neuzugang auf ihrer Arbeitsstelle ist nicht wirklich das, für was ihn der Gutachter hält. Sie spricht das an, wird aber nicht gehört. Fast gemaßregelt, weil sie das offizielle Gutachten anzweifelt, mehr oder weniger, sogar widerlegt. Sie behält Recht. Der Knabe geht stiften. Und er kennt große Teile von Reginas Vergangenheit und Gegenwart. Wie sein weiterer Werdegang sich auf den deutschen Straßen jetzt weiterentwickelt wird, kann man sich auch ohne Hilfsmittel ausrechnen. Die jetzige Begegnung Regina Bogners mit Akin, dem geheimen Dienstleister aus dem Sudan, gestaltet sich dann auch etwas seltsam, heute haben wir ja doch andere Kommunikationsmittel, als plötzlich und unvermutet, mitten in eine Panikattacke hinein zu fallen. Man hätte auch anrufen können. Obwohl? Wie man das gestaltet hätte, von seiner Seite aus, es wäre wohl immer verkehrt gewesen. Antonia Fennek hat ihre Seiten gut ausgefeilt, die Spannung extrem auf die Saiten gespannt. Ergibt ein Buch, das man als eine Reise in eine andere Welt ansehen kann, nur gibt es diesmal einem kleinen Reiseführer mit dazu, der noch nicht ganz alltäglich ist. Und nur, weil beispielsweise, Christian Kraus einen mit eingepackt hat, heißt das ja noch lange nicht Alltag.
(Editionnova)

356 Seiten (mit +)

CHRISTIAN KRAUS – Töte was Du liebst- Archiv Oktober 2019