BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

PETRA RESKI –

Als ich einmal in den Canal Grande fiel

Neben einer geballten Ladung Venedig bekommt noch eine gehörige Portion Humor mit auf den Weg, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Petra Reski ist Wahlvenezianerin und plaudert aus ihrer heutigen Heimat, vor und nach dem Lockdown. Man muss es sich mal auf der Zunge zergehen lassen, wie sich der Tourismus vor Corona in Venedig breitgemacht hat. Millionen von Touris trampelten jährlich durch die Stadt, womit so einige Bewohner nicht wirklich klarkommen wollen, aber sie haben ja nichts zu sagen. Petra Reski klärt den Nichtvenezianer mal darüber auf, das vor dem Virus eine Situation herrschte, in der täglich mehr Touristen durch die Stadt liefen, als diese überhaupt Einwohner hat. Sie schreibt über das pralle Leben, Probleme und Katastrophen, ihr persönliches Leben an der Seite ihres Venezianers und ihrer kleinen Venezianer, über ihre Eingliederung in das Umfeld der alterwürdigen Dogen-Stadt und immer wieder die Touristen, die sich in langen Schlangen und riesigen Gruppen durch die Stadt wälzen. Aber auch die Politik kommt nicht zu kurz, wie kurz Venedig an sich gehalten wird und sich Leute am Massentourismus bereichern, in einer Stadt, in der es mittlerweile mehr Airbnbs gibt als Wohnungen für Einheimische und Kreuzfahrtschiffe immer häufiger werden. Die einzigen Einheimischen die wirklich vom Massentourismus begeistert sind sind die Möwen, die sich ihr Futter zusammen klauen oder erbetteln können. Und wie der Titel schon aussagt, ist sie auch schon mal in den Kanal gefallen. Aber das lest mal lieber selbst. Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Lagunenstadt und ihre Venezianer, an ihr Leben, ihre Nachbarn und eine Aufklärung, was in Venedig so alles schief läuft und die Liste ist ziemlich lang. Bei uns gibt es den Bund der Steuerzahler, der in seinem jährlichen Schwarzbuch die Verschwendungen der Regierung und ihrer Legislativen und Exekutiven anprangert, im übrigen sich aber wohl keiner weiter schert. Petra Reski übernimmt diesen Part für Venedig und da hat sie viel zu berichten. Glaubt es, auch in Venedig wird Geld verbrannt ohne Ende, der Steuerzahler wird schon dafür aufkommen müssen. Und immer wieder der Massentourismus, der sich Hydra mäßig durch die Stadt trampelt, so das er den Einheimischen völlig auf den Keks gehen wird. Dazu kommt eine harsche Kritik an einem Romanautor, der in seinem Venedig-Krimi das Leben etwas anders darstellt, als es sich aus der Sicht von Petra Reski sich bietet. Wie Massentourismus sich darstellt, kann man auch bei Diana Wynne Jones nachlesen, die ein solches Schicksal ihrer Welt Derkholm beschert hat. Und auch hier haben sich die Bewohner gewehrt. Was sich in Venedig dann nach dem Lockdown abspielt, dürfte manchen Einheimischen aufatmen lassen, da endlich mal etwas Ruhe herrscht. Nur den Möwen passt das nicht so wirklich, weil sie jetzt für ihr Futter wirklich arbeiten müssen.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-27846-8 267 Seiten (+ Mitfang) 18,00€ (D) 18,50€ (A)

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