BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

ALEX POHL –

Heisses Pflaster

Leipzig ist ein kriminelles Pflaster, das wußte auch schon Markus Heitz, auch wenn er mehr Gestalten einarbeitet, die eher einen nichthumanoiden Level zuzuschreiben sind. Alex Pohl bleibt lieber auf dem Boden der Tatsachen. Seine Gestalten sind menschlicher Natur, auch wenn er sich so einige Freiheiten nehmen möchte, wie er auch im Vorwort schon erwähnt. Dort niedergeschrieben ist auch der Fakt, das es seines Wissen nach, noch keine Leiche im Zwenkauer See gefunden wurde. Was ihn nicht davon abhält, genau damit zu beginnen. Den Anfang macht ein Leipziger Regionalpolitiker, der Leiter des Liegenschaftsamtes, Guido Ehrlich, dessen Leiche jetzt am Ufer gefunden wird. Herr Ehrlich war ein Mann der Tat, dem es wichtig war, um einen gewissen Ausgleich zu kämpfen. Immobilien davor bewahrte, zu Spekulationsobjekten zu werden. Alex Pohl wirft einen Blick auf soziale Problemzonen in seiner Stadt. Der Tod des alten Mannes würde so einigen Herrschaften zupasse kommen, die jetzt begehrlich die Hände ausstrecken wollen, nach den Schutzzonen, die Ehrlich bisher gut abgrenzen konnte. Noch bevor man jetzt die näheren Umstände in den Augenschein nehmen kann, wird Milo Novic schon Bedenken anmelden wollen. Der Partner von Hanna Seiler ist zwar etwas unangepasst und dazu auch noch serbischer Herkunft, was im Laufe des Buches zu einigen Konfrontationen führen wird. So dämlich das anmutet, alltaglicher Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind auch heute noch an der Tagesordnung, genau wie der Konflikt Ost gegen West, obwohl der Ulbrichtwall schon länger weg ist, als er stand. Und unsere ehemalige „Lieblings“FDJ-Sekretärin, weil erste Gratulantin zur Hochzeit von Margot und Erich Honecker, jetzt die Bundeskanzlerin markiert. Alex Pohl gibt denkbar schlechte Startpositionen für sein Team. Der Tatort wird gesichert, der Tod des Politikers als natürlich klassifiziert, Herzinfarkt. Die Bedenken von Milo und Hanna werden beiseite geschoben, die im Vorfeld schon Unregelmäßigkeiten zu Protokoll brachten. Der deutsche Amtsschimmel poliert wieder seine Hufe und will nichts anderes hören, als sein eigenes Wiehern. Während dessen sind ganz finstere Gestalten unterwegs und den Spekulationen wird Tür und Tor geöffnet. Die Leidtragenden sind, natürlich, diejenigen, die es immer trifft. Dabei sind die Bedenken der Ermittler doch offensichtlich es wert, diesen Spuren nachzugehen, natürlicher Todesfall hin oder her. Wenn ein Mensch auf Medikamente angewiesen ist und man sie ihm entzieht, dann ist das Mord, oder wie seht ihr das? Angelika Svensson hätte an diesen Szenario ihre wahre Freude und auch Inge Löhnig ist begeistert. Milo Novic hat das Problem, dass, wenn er mit seinen Vorgesetzten sprechen soll, der ihn ständig ignorieren will. Der nur über Hanna kommuniziert. Oder Wege der verbalen Verständigung über weite Schleifen, sozusagen über den Nachtzug Paris-Rom-Erkner praktizieren möchte. Haben wir Frau Svensson erwähnt, solche Wege hat sie auch drauf und bis zur Perfektion ausgefeilt. Bevor dann Ergebnisse antanzen wollen, ist das Kind ja schon meistens in den Brunnen gefallen. Alex Pohl hat zwei neue Charaktere geschaffen, den man auch folgen will, ist schon ein kleiner Wahnsinn. Und jetzt läßt er das Universum in und um Leipzig explodieren, das ist schon ein größerer Wahnsinn. Hammerknalliges Buch, ohne Frage.
(Penguin)

ISBN 978-3-328-10324-0 459 Seit. (+Lesep. 'Eisige') 13,00€ (D) 13,40€ (A)

ELLEN SANDBERG – Das Erbe – Archiv April 2020 TIPP (Inge Löhnig)
ANGELIKA SVENSSON – Küstenzorn – Archiv April 2019
ANGELIKA SVENSSON – Küstentod – Archiv April 2018 TIPP
BEEKE DIERKSEN – Schwarze Förde – Archiv Dez. 2019