BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

ELLEN SANDERG –

Das Erbe

Redet ihr noch, oder habt ihr schon geerbt. Ein Spruch, dem zwar alle Weisheit abgeht, der aber doch so wahr ist, dass man lieber auf alle Erbschaften verzichten möchte und auch wird. Auf „Das Erbe“ in jedem Fall. Mona Lang bekommt, genauso plötzlich, wie auch wirklich unerwartet, ein Münchner Haus mit Vorgeschichte. Sie wird jetzt eine Millionenerbin. Fast, wie ein Traum aus „Tausend und einer Nacht“. Scheherazade, der kleine Muck, Ali Baba und seine vierzig Räuber? Plötzlich Nachbarn? Eher nicht*. Großtante Klara hatte da mal einen Einfall. Zu Vaters Langs siebzigsten Geburtstag bekommt sie mit, das Mona ein Gutmensch ist, auch wenn alle anderen in der Familie das anders sehen wollen. Kommt ein Bettler auf sie zu, sie gibt ihm einen Euro, klar, der Kollege kann damit sich ein paar Schrippen kaufen oder auch ein Bier, sie kann es verschmerzen. Selbst ihr Berliner Freund Bernd mokiert sich darüber, dass sie zu freundlich ist. Genau der Punkt zu sagen, Mona bekommt das uneingeschränkte Erbe. Sie wird schon das richtige damit machen! Auf den ersten Blick heißt das, ein gutbürgerliches Haus mit mehreren Mietparteien, was gut und gerne zwölf Millionen Euronen auf die Tabletts-Computer aller Immobilienmakler als Verkaufssumme aufrufen würde. Dazu, ein Rücklagenkonto mit einer utopischen Summe. Tante Klara war sparsam, nicht geizig. Als Schmackes gibt es noch ein Gemälde, wofür so mancher Sammler eine sechsstellige Summe hinblättern würde. Wenn das kein Traum ist. Komisch ist nur, dass sich jetzt viele Blicke auf diese Welt trüben werden, und die Geier kreisen schon mal im Anflug. Ellen Sandberg bringt das ganz schnell auf den Punkt. Wobei alles noch relativ harmlos beginnt. Erst macht Bernd in Berlin alles klar, in dem er mit Mona Schluss und ihr damit, den Schritt nach München, mehr als leicht macht. Frohlockenden Herzens übersiedelt sie wieder in die Bayern-Metropole, noch mit einer rosaroten Brille vor Augen und Steffi, ihre Freundin aus Jugendtagen, ist ja auch vor Ort. Pläne werden geschmiedet und man kann jetzt Geld ausgeben, wo man vorher doch lieber dreimal nachgedacht hätte. Aber, klar. Jetzt will jeder ein Stück vom großen Kuchen. Familie Lang erinnert sich daran, das Mona ein Teil des Clans ist und somit zu teilen hat, auch wenn sie selbst nichts bekommen hätte, wäre es anders herum gewesen. Und auch Bernd meldet sich nochmal, versucht etwas abzusahnen. Eigentlich ist die gesamte Situation nur abartig. Ellen Sandberg, alias Inge Löhnig, holt zu einem richtigem Rundumschlag aus. Ohne jegliche Recherchen, ohne jede Nachfrage will jetzt jeder hier irgendein Stückchen für sich einverleiben. Das hatte der Ahne der Familie, Ernst-Friedrich Hacker, aber anders angedacht. Der Mann war 1938 Staatsanwalt im NS-Regime und kaufte dem ehemaligen jüdischen Eigentümer das Haus ab, bevor die Kristallnacht Deutschland erschütterte. Hier hatte er eine Chance gesehen, etwas Gutes zu tun. Das nicht jeder seiner Meinung war, und ist, lässt Ellen ganz gut durchblitzen und das konnte und kann nicht gut gehen. Wenn ein Staat Denunziantentum fördert, kann das nicht gut sein. Vor allem dann, wenn es gegen die Nachbarn geht, die jahrelang nebeneinander wohnten. Im Anhang wird Ellen noch so einige Punkte erwähnen, wie man in Nazideutschland mit Leuten umging, die zwar Teil unserer Gesellschaft waren, aber plötzlich, aus Neid und Unverstand geborenen Wünschen, unerwünscht sind, was wohl an Untertreibung den Deckel aus jedem Fass heraushebeln würde. Und eins macht Ellen auch gleich klar. Diejenigen, die hier hilfreich hätten eingreifen können, haben genau das sein gelassen. Sie sind genauso schuldig, wie das Regime der Braunen Hemden. Visa für Juden, Fehlanzeige. Warum? Die Amis wollten das nicht und die königlichen aus dem Inselimperium müssten Palästina wahr werden lassen. Was sie, jetzt noch nicht zulassen werden. Politik von ihrer verachtenswertesten Seite. Solange Deutschland militärisch nicht zu bremsen war, hat man das hingenommen. Frankreich, die bis dato stärkste Landstreitmacht der Welt, hatte ja nach sechs Wochen schon aufgeben müssen, weil hier sämtliche politische Unterstützung fehlte. Statt Nazideutschland zu bekämpfen, fuhr ein Verband britischer Kriegsschiffe nach Bordeaux, um die französische Atlantikflotte zu versenken. Statt diese Ressourcen zu sichern und zu evakuieren, wo die Deutschen noch nicht mal in einer Nähe waren, sich das einzuverleiben, hatte man sie lieber vernichtet und tausende Todesopfer in Kauf genommen. Kollateralschaden? Deutschlands militärischer Expansionskurs sollte, eindeutig, auf Russland eingestellt werden. Veit Etzold hat das auch mehrfach schon auf den Punkt gebracht. Die Sowjetunion, als erster Staat anderer Bauart, und Nichtdemokratie, muss eliminiert werden. Erst als der Russe, vor Moskau, in Lenin- und Stalingrad und am Kursker Bogen das Blatt wenden konnte, ist man den sogenannten Demokratien aufgewacht. Wer hätte, um diese Zeit auch gedacht, das ein Land, das fast sechzig Prozent seiner Ressourcen eingebüßt hatte, eigentlich militärisch hätte kapitulieren müssen, dem sämtliche Unterstützung von den „Guten“ dieser Welt fehlte, obwohl das nicht ganz richtig ist, sich plötzlich so aufbäumen würde. Ellen Sandberg geht noch weiter. „Das Erbe“ wird jetzt lebendig. Was aber fast allen Leuten scheißegal ist und das, was Klara und ihre Mutter jahrzehntelang als Geheimnis mit sich herumtrugen, wird die Geldgeier auch nicht wirklich interessieren. Nur Mona Lang wird jetzt auf „Das Erbe“ verzichten wollen. Und da ist sie auch gut beraten worden, von Ellen. Das kann man hier schon verraten. Was immer auch irgendwelche Verschwörungstheorien einem weißmachen wollen, das ist doch nur für Leute, die ihre Nachbarn und ihren eigenen moralischen Kompass ignorieren werden. Liebe Frau Sandberg, auf dieser Seite ist eines wichtig, Ihr Buch. Und das ist doch hammerhart. Für keine Million Euro würde wir Freunde eintauschen wollen, die hier hinter uns stehen.
(Penguin)

ISBN 978-3-328 –10402 –5 493 Seiten (+ Anhang) 15,00€ (D) 15,50€ (A)

VEIT ETZOLD – Der Staatsfeind – Archiv April 2019

*München steht ja immer noch in Bayern und ist keine Fata Morgana in Wüsten. Wo sich alle Dromedare ganz geschickt daran vorbei oder auch hindurch bewegen werden, bevor sie sich, zum Auftanken an den Zapfsäulen der, dann doch, vorhandenen Oasen treffen werden und über ihr Schicksal diskutieren wollen. Sie sind ja nicht dumm, sondern die einzigen Wissenden, was Gottes Namen angeht. Er hat ja viele, neunundneunzig wurden bisher gezählt. Nur, da muss man staunen und das wissen die wenigsten, alle Kamele dieser Welt kennen auch seinen hundertsten, nur der Mensch nicht. Da hätte Gerd Scherm doch so manchen Tipp. Wenn Ihr ein Wüstentaxi braucht, ruft diesen Mann an. Wir sind die Unwissenden. Archäologen finden ja vieles in den Wüsten, nur Kamelknochen gehören nicht wirklich dazu. Ist doch auffällig. Glatt geschliffene Skelette von Pferden, Elefanten, Dinosauriern und Menschen gibt es da zu Hauf und auch das, was wir Menschen, als ein technologisches Erbe hinterlassen wollen, findet sich dort immer wieder an. Reste von Hauskatzen und Kamelen werden sich in diesem Sand jedoch nicht finden lassen. Klar. Wir reden hier von Intelligenz. Gerd hatte das schon vor Jahren erkannt, und sein Buch war einfach nur spitze. Ist Euch schon mal der stechende Blick von Kamelen aufgefallen, wenn sie Euch mustern. Die wissen mehr.

GERD SCHERM - Der Nomadengott - Archiv ältere Rezensionen