BUCHCOVERREZENSION
Dierksenb SchwarzeFoerde

BEEKE DIERKSEN –

Schwarze Förde

Was macht man als Schriftsteller, wenn einem die Komparsen und auch alle anderen Darsteller davonlaufen wollen? Vorzugsweise zu den Erben Friedrich Nietzsches und Siegmund Freuds, die ja vielleicht auch noch eine, mehr oder weniger, bequeme Couch und diverse entspannende Medikamenten-Cocktails anzubieten hätten. Man legt sich ein Pseudonym zu und wartet das nächste Casting ab. Wer sich dann in den Netzen, die den Leser weiterhin unterhalten sollen, verfängt oder wer, vorausschauend auf die eigene Gesundheit achtend, doch lieber freiwillig Flaschen sammeln, betteln oder, weiterhin sozialpflichtig arbeiten geht, auch wenn man dabei „gesellschaftlichen“ Reichtum konsequent aus dem Wege gehen wird, sollte sich dann zeigen. Nachdem Angelika Svensson schon einige Glanzpunkte setzen konnte, ist sie jetzt der Meinung, mal ein paar andere Leute beuteln zu müssen und ihren letzten, natürlich derzeit freigestellten und beurlaubten, Darstellern, zumindest denen, die ihre Infernos aus den vorangegangenen Romanen überleben durften, mal eine Atempause zu gönnen. Vielleicht machen die ja dann auch wieder Werbung, beim nächsten Buch. Jetzt dürften sie etwas überfordert sein und deswegen hat Frau Svensson erst mal die Betriebsferien eingeläutet. Im neuen Casting muss ein anderer, weit weniger furchterregender Name fallen, damit weitere, zweidimensionale, Mitarbeiter, eigens nur dafür erdacht, ihr in die Falle zu gehen und damit, nur zum Wohle des Lesers natürlich, wieder ins Gras beißen können, dürfen oder müssen. Oder mit Parkplätzen neben Mülltonnen vorlieb nehmen müssen. Obwohl, dieses Thema ist wahrscheinlich abgehakt. Zumindest für Lisa Sanders. Das Casting mit Beeke Dierksen wurde für sechs junge Frauen, unter jung ist selbiges auch zu verstehen, zu einem bitteren Verhängnis. Einen Auftritt gibt es nur als Leiche. Eingebuddelt auf einem Acker, von dem keiner weiß, wem der gehört. Der deutsche Amtsschimmel versteckt sich erst mal in seinem Stall, putzt sich die Hufe, die er dann, auf Hochglanz poliert, wieder einem kleinen Gewerbetreibenden, der sich nicht wirklich wehren kann, in den Nacken treten wird. Vermutlich um zu zeigen, dass man ganz wichtige Aufgaben hat, beispielsweise das Rauchverbot in Gaststätten auch auf Bürgersteige und die Bundesstraßen auszuweiten. Der, die Eigentümer des Massengrabes bleiben, trotz tagelanger Anfragen der ermittelnden Behörden in den sechs Mordfällen, erst mal unbekannt. Wie geht das denn? Für die Polizei beginnt der Alptraum. Von Cold Case bis kürzlich passiert reihen sich sechs Mordopfer auf, wie Perlen auf einem Rosenkranz. Über eine längere Zeit muss hier jemand sein Unwesen getrieben haben und niemand hat das mitbekommen? Wir reden hier von Jahren. Erst ein anonymer Anruf löst eine Aktion aus. Das Prügelkind der deutschen Nation soll jetzt, ganz schnell und effektiv natürlich, Ergebnisse liefern, wo man, vorher, in der Arbeitsvorbereitung noch der Meinung war, „iss doch ejal!“. Vermisste Personen, im Alter um die Volljährigkeit, verschwinden jeden Tag, wozu sich Gedanken machen. Kleine Rebellen gegen die Bürgerlichkeit sind an der Tagesordnung. Die kommen schon wieder, wenn ihnen das Taschengeld ausgegangen ist. Nur, wenn aus Tagen, dann Wochen, Monate oder Jahre werden und die Familien der Vermissten schon den Krieg erklären wollen und werden, wird sich dort auch nicht wirklich etwas ändern. In diesem Staat wird, in manchen Kreisen, Gleichgültigkeit so groß geschrieben, dass es einen ankotzt. Wenn sich dann Ansetzmöglichkeiten ergeben, denen man nachgehen könnte, werden diese ignoriert. Lieber verschwendet man Geld anderswo, nach Möglichkeit für sich selbst, sollen doch Steuerzahler und Polizei, in den unteren Rängen, zusehen, wo sie bleiben. Ja, auch als Beeke Dierksen verkleidet, macht Frau Svensson hier vehement darauf aufmerksam. Warum, leider sehr spät, ist ein Zusammenhang sofort erkannt worden, von Ermittlern, die ihren Job auch ernst nehmen? Während, vorher Leute am Werke waren, bei denen man den Dornröschenschlaf als eine Dauerdiagnose stellen muss. Spätestens, im Nachhinein, nach dem zweiten Vermisstenfall war doch schon eine Spur deutlich sichtbar, das hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Hat keinen interessiert. Da fühlt man sich, als Steuerzahler, doch voll verarscht. Als kleiner Polizist, der dann die Todesnachricht überbringen muss, sowieso. Frau Dierksens Team für Verbrechensbekämpfung, oder besser für Schadensbegrenzung, weil die Ursachen doch ganz wo anders liegen, kommt vor kalten Grausen kaum noch in den Schlaf. Und diese Leute haben auch noch andere, eigene Probleme. Denkt man in den oberen Chargen darüber nach? Garantiert nicht, noch geht ja noch alles seinen Gang. Obwohl man jetzt alle sechs Mordfälle eindeutig zuordnen kann… von oben kommt nichts! Als Schriftsteller kann man sich so manche Freiheit erlauben und seiner Einheit auch einen Wink geben, Gefahr im Verzug. Die Wirklichkeit sieht doch oft anders aus. Leider haben diesen Blickwinkel nur Menschen, die Opfer von Gewalt oder davon berührt wurden, und auch Schriftstellern, denen das aufstößt, und, doch von diesem Staat im Stich gelassen werden. „Is doch egal!“. Dank Frau Dierksen-Svensson haben wir wieder ein neues Team, auch wenn sich das erst mal neu einnorden muss, wo es stehen wird. Die Feuertaufe haben sie hinter sich. Ihre Probleme stehen aber trotzdem noch am Horizont, und die sind sehr vielfältig, aber keineswegs gelöst. Da hatte es Johannes Holopainen mit seinem Casting doch besser getroffen. Als Turo Moilanen, Leadsänger der Scandic-Metal-Band „Impaled Rectum“, im Film „Heavy Trip“, wollte er, bei Schulauftritten, in der Aula, immer nur Steine spielen, weil er so schüchtern ist. Aber auch er muss sich seinen Löwen stellen. Hundertprozentig! ist ihm seine Begegnung mit einem Vielfraß lieber, als mit Beeke Dierksen.
(emons:)

ISBN 978-3-7408-0619- 4 255 Seiten 10,90€ (D) 11,30€ (A)

ANGELIKA SVENSSON – Küstenzorn – Archiv April 2019
ANGELIKA SVENSSON – Küstentod – Archiv April 2018 TIPP