BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

THØMAS ENGSTRÖM –

North of Paradise

Nach seiner letzten Aktion ist Ludwig Licht gleich in Amerika geblieben. In Deutschland hält ihn nichts mehr. Seine Enttäuschung über die Wende von 1989, die alles mögliche für sein Vaterland brachte, nur keine Freiheit und Gerechtigkeit, steckt ihm tief in den Knochen. Er ist zwar nicht der Strahletyp, sondern ein ehemaliger Mitarbeiter der Staatsicherheits der dahingeschiedenen DDR und, im Zweitjob, zwangläufig antagonistisch gelandet, auch noch CIA-Agent und das schon vor dem „demokratischen“ Umbruch im Osten Deutschlands. Momentan macht er wieder das, was er am zweitbesten kann, sich zudröhnen und seine innere Leere vergessen. Thomas hat sich seiner Figur mit Leib und Seele verschrieben und so weckt er den Mann, der seinem natürlichen Herbst gerade ins Auge sehen muss, mit einem Paukenschlag wieder auf. Joseph Haydn war nicht dabei, keine Angst, aber dafür jemand mit einem Faible für Sprengstoff. Und der hatte zwei von den Exilkubanern im Visier, die sich im Süden von Florida versammelt, dem Traum hingeben wollen, Fidel Castro aus der Geschichte der malerischen Karibikinsel pusten zu können. Ist zwar seit dem Debakel in der Schweinebucht nur Wunschdenken, aber Träume haben ja bekanntlich ein Eigenleben. Gerade in US-Amerika. Die zwei hochrangigen Vertreter des exilkubanischen Widerstandes werden, per Nobelvermächtnis sozusagen, in den Äther gepustet und Lugwig Licht soll hier wieder aktiv werden. Sprichwörtlich Licht ins Dunkle bringen. Sein Anwerber für den amerikanischen Geheimdienst aus vergangenen DDR-Zeiten ist ja Feuer und Flamme für sein bestes Pferd im Stall, auch wenn der irgendwie anders drauf ist, was Cliff Berner, genannt GT, jedoch nicht im geringsten interessiert. Er hat gute Hoffnungen, das Licht sich hier gut reinhängen wird. Thomas Engström zeigt aber alle Seiten der Medaille. Herr Licht ist durchaus ein Sympathisant für den kubanischen Diktator, der aller Welt versprach, hier und jetzt nehmen wir das Problem in Angriff, den Analphabetismus zu bekämpfen. Worüber die halbe Welt lachte, die sogenannte „freie“ Welt. Ein Jahr und die castrosche Reform des Schulsystems später, ist den sogenannten „Demokraten“ das Lachen im Hals stecken geblieben. In ganz Kuba konnten plötzlich alle Menschen lesen und schreiben und das war 1964. Was man von vielen „Demokratien“ auch heute noch nicht wirklich behaupten kann. Wie man den Äußerungen eines Personalchefs eines traditionellen Berliner Unternehmens entnehmen kann, entwickelt sich die Intelligenz unseres Nachwuchses eher zurück. Und das ist heute. Ja, Thomas kann auch sarkastisch. Obwohl er den Personalchef aus Berlin, garantiert, nicht persönlich kennt. Dafür marodiert er wieder durch seine Seiten, wie wir ihn, als Leser kennen und lieben.
Teil Drei für Ludwig Licht und einen Antihelden, der uns doch genauso in der Seele steckt.
Thomas Engström muss den Film „Heavy Trip“ gesehen haben, wo ein Patient in einem Pflegeheim sagt „ … es ist besser sich in die Hosen zu scheissen, als an Verstopfung zu leiden“. Welch wahre Weisheit. Und Thomas gibt das begeistert weiter. Sein Buch kann man aber auch als aktive Lebenshilfe für Survivoraktivisten nehmen. Er schreibt sehr vielseitig und stellt auch so manche Fragen in den Raum, beispielsweise, was unterscheidet einen Verkehrsrowdy und einen überlegenen Autofahrer. Wobei der fahrbare Untersatz eher zweitrangig wird. Man lernt Charaktere kennen, die man so nicht wirklich im Alltag sieht, weil sie sich vor uns gerne verbergen wollen. Klar, wenn man im zarten Alter von elf Jahren seinen ersten Taxifahrer überfallen hat, dann wird man das nicht an die große Glocke hängen wollen. Heute, im bargeldlosen Zeitalter, macht das auch wenig Sinn, weil der Vorbildcharakter wohl eher im Sande verläuft. Humor hat der Schwede, ohne Ende. Und schreiben kann er auch. Ohne Fragen, er ist ein Meister seines Fachs. Leute, da geht einem das Herz auf. Ludwig Licht kann wieder auftrumpfen. Er ist zwar kein 007-Bond, dafür aber besser. Er steht näher zum Leser. Seine Probleme kann man nachvollziehen und auch nachleben. Herr Engström ist ganz nah am Leser dran, ist schon knorke.
(C.Bertelsmann)

ISBN 978-3-570-10303-6 299 Seiten 15,00€ (D) 15,50€ (A)

THØMAS ENGSTRÖM – West of Liberty – Archiv Okt. 2019
THØMAS ENGSTRÖM – South of Hell – Archiv April 2020