BUCHCOVER | REZENSION |
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LEIGH BARDUGO –King of scarsFrau Bardugo lässt sich auch gerne mal beeinflussen und inspirieren. Hier eine Legende, dort eine Fabel oder ein Märchen. Die Geschichten, die Albert Lortzing dazu brachten, seine Oper „Zar und Zimmermann“ zu kreieren, dürften wohl auch dazu gehören. Laut mehreren Quellen war Zar Peter I. in holländischen Werften unterwegs, um ein Handwerk zu erlernen, das es ermöglicht, Grenzen, die weite Gewässer einem setzen wollen, zu überwinden. Leigh arbeitet das mal mit ein. Sie ist ja öfter unterwegs, wo man sagt, geht nicht. Aber geht nicht, ist nicht. Peter I. hatte zu seiner Zeit doch einige Tatsachen vorangetrieben, die Leigh Bardugo jetzt dafür ausnutzen will, eine Geschichte, etwas anders, aber trotzdem genauso ausdrucksvoll, in Szene zu setzen. Der Zar Peter I. oder auch der Große, hatte seine Flotte vergrößern wollen und auch, im politischen Weitblick, seinen Einfluss, auf die Geschicke der Welt, zu verändern versucht. Es ist ihm auch fast gelungen. Er hat Russland zu einer politischen Großmacht gemacht. Gescheitert ist er, an seinen eigenen Zielen gemessen, daran, dass er die Grenzen menschlicher Dummheit nicht ermessen konnte. In einem Gedenken an einen weiterdenkenden Menschen hat Leigh Bardugo die Figur Nikolai entwickelt. Freibeuter, Abenteurer, schon als königliches Kind neugierig auf das Leben außerhalb seiner Klasse. Ähnlich Peter dem Großen, sucht er den Kontakt nach draußen, unterhalb der Grenzen, die ihm die bestehende Hierarchie setzen will. Er prügelt sich mit den Bauernjungen, versöhnt sich wieder und teilt seinen Apfel mit seinem letzten Opfer, dem jetzt noch die Nase blutet. Jetzt ist er der Zar, der für sein Land und die Menschen da ist. Ravka. Die Heimat der Grisha. Ein zerrissenes Land, von seinen Nachbarn militärisch bedroht wird, wie eine Schafherde von Wölfen. Und so hat Nikolai Lantsov alle Hände voll zu tun, sowohl innen-, als auch außenpolitisch. Obendrein muss er mit einem Dämonen leben, der ihn nachts gerne irgendwie überrascht und irgendwo jagen gehen will. Ein gefährliches Spiel für ein Staatsoberhaupt, das auch noch auf einem Thron sitzt, der alles andere als sicher ist. Leigh Bardugo beweist wieder, dass sie zu den kreativsten Schriftsteller-Innen gehört, die unser Literaturuniversum mit Licht und Buchstaben erfüllen. Die Frau hat es richtig drauf. Wer das verpassen will, ist selbst schuld. Wenn sie ihren Live-Shop eröffnet, ist für jeden etwas dabei. Nikolai Lantsov und seine Oberste Befehlshaberin und Vertraute Zoya Nazyalensky haben jetzt viel an der Backe. Der Dämon muss in seine Schranken gewiesen werden. Es macht sich ganz schlecht, wenn man den Zaren verheiraten will und der im gemeinsamen Schlafzimmer plötzlich zur Bestie mutiert. Das könnte das zarte Gemüt der Braut doch gewissermaßen überstrapazieren. Gerade bei politischen Hochzeiten dürfte dieser Schuss nach hinten losgehen. Und Ravka braucht jetzt dringend Frieden und Verbündete. Ein politisches Ränkespiel beginnt. Gut aufgelockert wird das Ganze, weil Nikolai und Zoya so extrem verschiedene Charaktere sind und die Dialoge etwas an Sam Sykes erinnern. Da spielen doch alle anderen Figuren auch gerne mit. Einschließlich dem Leser, der mit der Nase im Buch jeden Buchstaben aufsaugen wird, um nur gar nichts zu verpassen. Außer Nina, die nach dem Tod von Michael, den sie liebte, sich jetzt ihren eigenen Löwen stellen muss. Diese Metapher, aus dem Film „Heavy Trip“ übernommen, kann man doch vielfältig einsetzen und die trifft immer ins Schwarze. Leigh Bardugo hat das etwas anders formuliert, als Kaz Brekker sinngemäß sagte, willst Du die Brieftasche klauen, lenk die Aufmerksamkeit auf die Uhr. ISBN 978-3-426-22700-8 505 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A) LEIGH BARDUGO – Das Lied der Krähen – Archiv Dez. 2017 |