BUCHCOVERREZENSION
Berdugo.l LiedDerKraehen

LEIGH BARDUGO –

Das Lied der Krähen

Das man ein Buch schreibt, in dem man die Symptome einer Krankheit, an der man selbst leidet, an den Protagonisten weitergibt, hat bestimmt Seltenheitswert und ist mutig bis unters Dach. Dieser Welt, die Krankheiten, Armut, Nichterfolg, jegliche menschliche Reaktion auf fremdes Leid als ein Versagen auslegt und nur eine Massenpsychose, in Form von finanziellem Erfolg und Markenwahn, als die einzige zulässige Doktrin zulässt, ein solches Manuskript zu präsentieren, das ist schon Wahnsinn. Leigh Bardugo hat diesen Mut bewiesen und auch ein Fantasy-Epos vorgelegt, das zu den ganz großen zählen wird. Hier stimmt alles, bis hin zum kleinsten I-Tüpfel. Als Leser muss man nur seine eigenen Vorrausetzungen schaffen. Sprich, den Lese-Lümmel-Platz optimal zur Beleuchtung ausrichten, wenn das nicht schon geschehen ist, den Naschservice in eine handliche Reichweite bringen, (wenn Julia Durant, Daniel Holbe und Andreas Franz mitlesen wollen, heißt das Dosenbier kalt- und Salamistulle, plus Gurke und Tomate, bereitstellen, guckt nach im Archiv) und die Katze strategisch gut zu platzieren. Wenn sie das nicht schon selbst macht. Hier sollte man der Katze ruhig vertrauen, sie ist ja nicht bescheuert. Vor allem, wenn der Protagonist Kaz heißt. Kaz Brekker ist ein kleines Multitalent, auch wenn er mehr im Schattenbereich der örtlichen Ökonomie von Ketterdam unterwegs ist. Er träumt zwar davon, legal tätig zu werden, aber will dann trotzdem, wie viele weltgewandte Geschäftemacher, weiterhin im Untergrund tätig zu bleiben. Man könnte ja Steuern und anderen Abgaben aus dem Wege gehen. Leigh Bardugos Mister Brekker steht einem Liothan des Markus Heitz in keiner Weise nach. Auch wenn der erstgenannte noch, relativ, am Anfang seiner Karriere steht. Wie auch Joost, der davon träumt, von einem einfachen Wachmann, mit einem simplen Knüppel als Standartausrüstung, zu einen der führenden Hauptleute einer Exekutivgruppe zum Schutz der Bürger zu werden, aufsteigen will, mit einem hochpoliertem Harnisch, der den Blick der Verbrecher blenden, und einem gut ausbalanciertem Schwert, das der vorgenannten Gruppe das Fürchten lehren soll, und sich immer freut, Anya zu sehen. Ein kleiner Tagträumer, dem Hohn und Spott genauso sicher sind, wie das Salz im Meerwasser. Vor allem, weil Leigh dessen Kollegen immer im richtigen Moment auftreten lässt und der Möchtegernoffizier kein Fettnäpfchen seiner Welt auslässt, um in selbige hineinzutreten. Anya ist jedoch eine Grischa. Ein Mensch, je nach Veranlagung, mit Fähigkeiten, die ein normales Verständnis weit überschreiten. Und so einige umtriebige Leute haben herausgefunden, dass gewisse Substanzen, diese Fertigkeiten noch vervielfachen könnten und wenn man diese Substanzen dann noch, chemisch oder magisch, zweites wäre in einem Fantasy-Spektakel dieser Größenordnung eher denkbar, obwohl erstes auch nicht wirklich abwegig ist, anreichert. Man könnte man die ultimative Waffe erschaffen. Dass solche Pläne auch nach hinten losgehen können, oder/und auch werden, daran denkt keiner. Die Droge ist erschaffen und so manche der Grischa, die Couleur spielt hier keine Rolle, wenn sie denn unter „Kontrolle“ stehen, entwickeln mörderische Kräfte, die sich durchaus gegen ihre Herren richten können, bis hin zur ultimativen Selbstaufgabe. Hier hilft nur die angewandte Sicht eines Kaz Brekker. Wenn man einen Mitbürger seine Brieftasche klauen will, dann muss man denjenigen davon überzeugen, das man seine Uhr haben will, sprich die Aufmerksamkeit darauf lenken, was man selbst nicht wirklich will und/oder nur als Draufgabe nehmen würde, wenn überhaupt. Bei einer echten Rolex würden, wahrscheinlich, auch Kaz und Leigh nicht NEE, will ich nicht, sagen. Wäre aber nicht das vordringliche Ziel. Mister Brekker, mit Frau Bardugo im Bunde, ist ein Schlitzohr, wie er im Buche steht. Welche Ironie. Es steht ja in einem Buch. Leigh Bardurgo brilliert mit einem, über vielen stehenden, Schreibstil, der vieleicht so manchen Vergleich zulässt, jedoch irgendwie einzigartig wirkt. Die Krähen stimmen ihr Lied an. Sie können zwar nicht wirklich singen, und auch wahrscheinlich, auch keinen Ton halten. Aber sie können so manchen Weg dieser Welt verändern. Aus einem Schlitzohr kann ein Revolutionär werden, aus einem Assassinen ein Visionär, aus einem Grischa-Jäger ein verliebter Mann, Frau Bardugo hat viele Facetten zu bieten. Aus einem Verlierer wird ein Gewinner, auch wenn unsere heutige Welt das so nie akzeptieren würde. In ihrer Welt ist alles möglich. Aber dafür sind ja Schriftsteller da, unsere Träume am Leben zu erhalten. Wenn diese Welt Dir sagt, Du hast verloren, dann kannst Du nur gewonnen haben. Dann hat man schon die Lügen erkannt, die man Dir einimpfen will. Frau „Doktor“ Bardugo hat schon mal die Infusion vorbereitet, die Dir sagt, auch wenn Du nur ein kleines Licht im Kronleuchter der Schöpfung bist, wertlos, wie es Dir manche gern unterbuttern wollen, bist Du nicht. Auch Du kannst Großes leisten.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-65443-9 581 Seiten 16,99€ (D) 17,50€(A)

MARKUS HEITZ – Wedora II – Archiv Oktober 2017
MARKUS HEITZ – Wedora I - Archiv Oktober 2016 TIPP

Bei Frau Durant, Herr Holbe und Herr Franz
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