BUCHCOVERREZENSION
Borrmannm Grenzgaenger

MECHTHILD BORRMANN –

Grenzgänger

Henni verkörpert eine tragische Figur. Mechthild Borrmann ist eine Schriftstellerin, die dieses dem Leser auch vor Augen führen wird. Mit der hassenswerten Feststellung, dass Recht nicht auch Gerechtigkeit sein wird, obwohl dieser Staat, seit seiner Gründung und unter Ablehnung seines kleineren östlichen Nachbarn, der hinterm „Eisernen Vorhang“ genauso deutsche Mitbürger beherbergt, sich damit brüsten will, das Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte, hier und heute, ganz neu entwickelt zu haben. Pustekuchen. Im Recht zu sein und Recht bekommen sind auch im „demokratischen“ Teil Deutschlands zweierlei Dinge, je nachdem aus welcher Gesellschaftsschicht man kommt. Je weiter unten, desto ungerechter gegen die eigene Person. Je weiter oben man ist, da sieht das zwar ähnlich aus, nur mit einem Umkehrschluss. Paolo Pinkels dürfen hier weitermachen. Politiker? Prominente Persönlichkeiten? Na aber … selbstverständlich. Frau Borrmann hat das so messerscharf erkannt, dass man sich an ihren Seiten auch schneiden wird, wenn man nicht aufpasst. Wie war das bei „Star Treck“? Wir schreiben das Jahr… 1945, Henriette ist zwölf Jahre alt. Ein Nachkriegskind, wie es im Buche steht. Man versucht zu überleben. Eine Zeit, die auch heute noch, nur unzureichend wirklich beleuchtet wird. Sicher, die Alliierten haben Deutschland aufgeteilt und jeder versucht sich ein Stück Kuchen zu sichern, wobei, die Russen haben den Westmächten mal ein bisschen das Wasser abgegraben im Osten, umgekehrt haben diese es genauso gemacht, im Westen. Die Sieger bestimmen die Geschichte. Nur, wie ging es den Menschen, die hier leben mussten? Die Spaltung Deutschlands war ein Höhepunkt eines politisch-kolonialen Denkens, bei dem sich vier Mächte einen Scheiß darum gekehrt haben, wie es mit den Menschen weitergehen soll, die eigentlich hier zu Hause sind. Drei waren auf der einen Seite und die Russen, auf der anderen. Einschließlich vieler Antifa-Aktivisten, die zwischen den Grenzen an Neuanfänge glaubten, mit vielen neuen politischen Ideen, die Deutschland ein neues Gesicht geben sollten, aber spektakulär ignoriert wurden. Hier gab es Unstimmigkeiten ohne Ende, auf allen Seiten. Was sich, in einem Punkt daraus hinausgipfelt, das wir heute immer noch einen sogenannten Staatsvertrag haben, der die GEZ darin bestärken wird, ohne darin eindeutig vorgegebenen Dienstleistungen zu erbringen, ihre Frondienste einfordern zu dürfen. Nach einer wirklichen „Wiedervereinigung“ beider deutscher Staaten wäre das hinfällig geworden. So hatten wir nur den Beitritt der „Neuen“ Bundesländer zu den „Alten“. Ein Friedensvertrag mit Europa, und der Welt, würde Deutschland viel kosten, und die, davon profitieren, dass es nicht dazu kommt, sind wohl gerade wieder in der Mehrzahl, zumindest in den politischen Gremien, die immer über unseren Kopf hinaus entscheiden und uns, als „Wahlvolk“ ignorieren wollen. Vor allem, weil sich jetzt West und Ost genauso feindlich gegenüber stehen, wie vor und während der Zeit von Ulbrichts Mauer. Der Fall selbiger ist ja schon länger her, als sie stand. Warum? Mechthild Borrmann gräbt hier nach. Sucht in der Zeit davor. „Grenzgänger“ dürfte wohl vielen „West-Ost-Experten“, die nach ganz gewöhnlichen und einfachen Wegen suchen wollen, sich selbst zu profilieren und zu bereichern, indem sie uns Honig ums Maul schmieren und unsere Augen verkleistern, ein Stachel im Fleisch sein, weil sie nur sich selbst sehen wollen und nicht die Menschen, wie Henriette Schöning, deren Lebenslauf Frau Borrmann gerade in der Lauflinie hat. Die Frau Schriftstellerin hat richtig Mumm. „Grenzgänger“ ist eine aktive Abrechnung mit den Leuten, die ihre Macht missbrauchten und auch weiter missbrauchen werden. So klein sie auch sein möge, diese Macht. Es gibt immer jemanden, denn man noch kleiner machen kann, um sich größer zu fühlen. Kinder aus kriegsgeschädigten Familien, teilweise plötzlich elternlos, stehen da und müssen zusehen, wie man über die Runden kommt. Den Alliierten, gerade in den „demokratischen“ Besatzungszonen Deutschlands, geht das am Arsch vorbei. Während die Russen, vor dem Einzug der Westmächte in Berlin, doch versuchten eine Art Volksversorgung zu organisieren und das, dank dem damaligen Stadtkommandanten von Berlin, Nikolai Bersarin, auch ganz gut hinbekamen, waren unsere „heutigen“ Freunde doch anderweitig beschäftigt. Frau Borrmann ist immer jeden Pfennig wert, pardon Cent, den man in ihr Buch investiert. Die Blicke, die sie freigibt, geben einem viel Nahrung zu Nachdenken. Mechthild entpuppt sich als eine Revolutionärin, was das Thema Nachkriegszeit angeht und öffnet Augen. Das unsere Demokröten die ihrigen lieber verschließen, ist politischer Wille. Das Menschen leiden mussten, ist dieser Riege scheißegal. In den jeweiligen Nachkriegswintern von 1946 und 47 starben mehr Menschen, durch Ignoranz, als durch Ulbrichts Mauer in fast dreißig Jahren. Nur wird das heute geflissentlich übergangen. Die heute propagierten „Opfer“ am „antifaschistischen Schutzwall“ sind, waren, erwachsene Menschen, die, mehr oder weniger, bewusst das Risiko eingegangen sind, oder es hätten einkalkulieren sollen, weil es dafür eine klare gesetzliche Grundlage und auch eine völkerrechtliche Richtlinie gab. Nicht vergessen sollte man auch den kommerziellen Schleuser. Der noch richtig Geld verdienen wollte. Der erste „Mauertote“ war jedoch ein Grenzsoldat. Aus Provokation im „Kalten Krieg“ getötet. Vergessen? Die meisten Toten, in diesen Nachkriegswintern, waren aber kleine Kinder und alte Menschen, die nicht reagieren konnten. Und die waren richtig zahlreich. Pro Winter weit mehr, als in Ulbrichts „Dreißigjährigen Krieg“, am Betonwall, der Berlin einst teilte. Meist aus dem Grund einer Ignoranz heraus, die man auch heute noch nicht mehr nachvollziehen kann. Der Sieger eines Krieges bestimmt, immer, nach der Niederlage seines Konkurrenten, die Grundlagen, wie wir damit umzugehen haben sollen. Schriftsteller schreiben die wahre Geschichte, wie wir sie leben mussten. Und Mechthild Borrmann macht hier auch keinen Halt. „Grenzgänger“ ist nicht nur ein gut provokatives Buch, das Politik anprangern will und wird, sondern geht sehr viel weiter. Die Frau zeigt eine ultimative Anklageschrift, gegen das, was sich auch heute noch „Demokratie“ nennen will. Ob es hier nach eine Aufklärung geben wird? Leute, Wunschdenken war gestern. Unsere Landesväter und –Mütter werden sich einen kalten Wintertag darum scheren, dass Hennis Bruder damals ermordet und die Täter geschützt wurden. Ihre kleine Schwester beim Schmuggeln erschossen, wird bei unseren, ach so hochgelobten, Demokröten heute nur noch ein schwaches Lächeln hervorrufen. Unsere derzeitige Bundeskanzlerin, die in der Geschichte der DDR durch fast alles auffiel, nur eben nicht! durch Widerstand gegen das bestehende System, wird auch heute noch leugnen wollen. Kann ja in den demokratischen Besatzungszonen gar nicht passiert sein. So was ging doch nur bei den sibirischen Barbaren. Mechthild Borrmann ist eine Macht der schreibenden Zunft und eine brillante Federfrau. Für sie heißt es Recht zu haben, auch Gerechtigkeit zu bekommen.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-28179-6 Seiten 20,00€ (D) 20,60€ (A)

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