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PIERRE MARTIN –
Madame le Commissaire und die Frau ohne Gedächtnis
Isabelle Bonnet feiert ihren siebten Teil. Ehemalig Madame le Commandante, jetzt Madame le Commisaire hatte Isabelle Paris den Rücken gekehrt und lebt, seitdem, im heimischen Fragolin, im Rücken der Cote d´Azur in der südfranzösischen Provence und ihr Leben ist nicht mehr ganz so aufregend, wie vorher, wo man sie fast in die Luft gesprengt hat. Jetzt sitzt sie in ihrem eigenen Büro, ganz unauffällig. Nur ist das Leben doch vielfältiger, tiefer geschichtet und die letzten sechs Fälle sind nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Man hat ihr das Menue eines einfachen Daseins doch schon ein ums andere Mal gehörig versalzen. Sie trägt es mit Fassung. Wenn man durch seinen Schriftsteller und dessen Handlanger schon mal fast in die Luft gejagt wurde, hat man doch einen etwas anderen, philosophisch abweichenden, Blickwinkel auf das humanoide, wenn auch häufig nicht wirklich humanistische Treiben, inner – und außerhalb, seiner Dunstkreisgrenzen. Ein Lichtblick dabei ist ihr Assisistent Appolinaire, der alles ist, nur kein Spezialist für Verbrechensbekämpfung. Er ist ein Organisationsgenie, nebenbei ist er aber alles, was man sich nicht vorstellen möchte. Klar, er liebt den büroeigenen Kaktus, den er liebevoll pflegt. Isabelle ist schon froh, dass er dabei nicht noch einen coronafreundlichen Mundschutz trägt. Und seine tunesische Freundin, die leider kein Kamelfleisch für ein originales Kuskus zu kaufen bekommt, was die Höckerträger ganz bestimmt erfreut. Gerd Scherm hat ja schon mal einige Sachen dargestellt, warum man Kamele, und übrigens Katzen auch, nicht verzehren sollte. Und wenn man in der Wüste keine Knochen von diesen intelligenten Tieren findet, warum sollte das dann beim Fleischer der Fall sein. Und Appolinaire ist ein Glücksgriff für Madame le Commisaire. Dieser linkische Mensch ist doch recht vielseitig, und das nicht nur bei der Wahl seiner Socken. Pierre Martin treibt es wieder in die Provence und weckt das kleine Kommissariat für ganz bestimmte Fälle wieder auf. Appolinaire ist mit seinem 2CV unterwegs, irgendwo in der Nähe von Fragolin. Hier läuft ihm eine Frau über den Weg, die völlig desorientiert ist. Überfahren kann er sie nicht, sie ist schneller als sein Fahrstil und sein Auto, aber einsammeln kann er sie dann doch. Und bei Isabelle abgeliefert stellt sich ein Fakt da. Diese Frau ist offensichtlich am Kopf verletzt und leidet unter retrograder Amnesie. Sie kennt nicht mal ihren eigenen Namen. Die Erinnerungen an ihre Gegenwart und Vergangenheit sind, vorübergehend, gelöscht. Isabelle nimmt sich dieser hilflosen Person an. Nichtahnend, was auf sie zukommt. Noch gestaltet sich das alles harmlos. Man kümmert sich. Nur, irgendwoher muss diese Frau ja gekommen sein. Irgendetwas muss passiert sein, dass „Monique“ sich in das schauliche Fragolin verirrt hat. Diesen Weg zu eruiren gestaltet sich als recht schwierig. Aus der näheren Umgebung ist nichts gemeldet. Also. Alles noch auf Normallevel, kleine Polizeiarbeit. Erst als Appolinaire einen Internetaufruf startet, wer diese Person vermissen könnte, kommt richtig Bewegung in diesen Fall. Appolinaire, der für jeden Verbrecher oder auch andere missgelaunte Mitbürger immer der Honigtopf für einen Bären sein wird, sprichwörtlich, sich nicht wehren kann, selbst wenn er eine Knarre in den Händen hätte, die ihn noch lächerlicher aussehen läßt, als er eh schon rüberkommt, bekommt eine über den Schädel gezogen und „Monique“ ist dann mal stiften gegangen. In Begleitung eines Mannes, dessen Identität jetzt noch ungeklärt ist. Der Suchradius muss erweitert werden. Ein Krankenhaus muss diese Frau ja mal in Behandlung gehabt haben. Der Kopfverband sah doch eher professionell aus. Pierre Martin lässt Isabelle Bonnet wieder auf die Welt los. Fakten sammeln. Das Isabelle ein neues Leben hat, wird der Schriftsteller respektvoll aktzeptieren. Als ihr Dienstwagen, unheilverkündend, sein Leben ausröchelt, steht sie plötzlich in einer Werkstatt, wo sich ein ihr nur zu bekannter Ford Mustang, Baujahr 1965, breitgemacht hat und nur darauf wartet, von ihr in Besitz genommen zu werden. Manche Schriftsteller meinen es, zumindest teilweise, auch gut mit ihren Figuren. Pierre Martin kann mittlerweile man dazu zählen. Jetzt kommt die Kommandanterie halt mit einem verhaltenen brummelnden oder aber auch richtig röhrenden V8 Motor vorbei, Cabrio, und, garantiert ist dieser fahrbare Untersatz nicht als ein Polizeifahrzeug zu identifizieren. Das er eine eigene Tankstelle braucht, ist nicht wirklich Teil einer Überlegung. Das Teil ist ein Klassiker. Und er ist inkognito. Was braucht man mehr, um Verbrecher zu jagen. Isabelle macht sich auf die Jagd. Komisch nur, das Aktion auch immer Reaktion heißt. Die französischen Luftstreitkräfte, in Zusammenarbeit mit der EU und der NATO, haben sich Verbrechen schuldig gemacht, die nicht verzeih- oder auch nur erklärbar sind. Sie haben Ziele in Nordafrika angegriffen, ohne eine effektive Aufklärung. Wo man Terroristen vermuten wollte. Aber man hat nur wehrlose Zivilisten getötet. Die gesamte Familie von „Monique“ wurde ausgelöscht. Darüber möchte man heute natürlich nicht mehr sprechen. Die Demokratie schweigt mal wieder, wie so oft. Seit dem Terrorismuswahn eines, oder zweier, George Bushs, die noch weltfremder waren, als die Teletubbies in einem Eisladen, nur eben skrupeloser und von Doktrinen geprägt, die selbst das Prädikat „Inhuman“ als eine gute Zensur aussehen lassen würden, ist doch nichts mehr, so wie es war. Das man Ziele angreift, nur aufgrund einer offensichtlichen militärischen Überlegenheit, ist doch mehr eine Schwachstelle, die dieser Demokratie nicht zum Glückspokal verhelfen wird, gerade wenn nur Unschuldige zu Opfern werden. Pierre Martin wehrt sich doch ganz vehement, hier den Beitäter zu machen. Isabelle wird aufklären. Die Herren Bush haben sich versteckt, hinter ihrer Politik, die seit Jahrenzehnten einfach nur noch eine Farce ist, und die europäischen Verbündeten dazu zwingt, hier Tatsachen zu schaffen, die es nicht geben kann. Was Isabelle Bonnet und Pierre Martin dann ausgraben, dürfte wohl jeden „politisch-demokratisch“ angehauchten Erklärbären in arge Erklärungsnöte bringen. (Knaur)
ISBN 978-3-426-52199-1 362 Seiten 10,99€ (D) 11,30€ (A)
P. MARTIN – Madame le Commissaire – Archiv August 2015 (Teil II) P. MARTIN – Madame le Commissaire – Archiv Juni 2016 (Teil III) P. MARTIN – Madame le Commissaire – Archiv August 2017 (Teil IV) GERD SCHERM - Der Nomadengott - Archiv ältere Rezensionen
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