BUCHCOVER | REZENSION |
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KAREN ROSE –TodesfalleWenn denn jemand Leute um sich herum versammelt, deren eine Gemeinsamkeit darin besteht, maximal unter PTBS zu leiden, dann hat Karen Rose wieder zugeschlagen. Sie ist so etwas wie eine Verwalterin für Romanfiguren mit Posttraumatischen Belastungsstörungen mit deren Existenzen sie mittlerweile eine Kleinstadt bevölkern könnte und es kommen immer mehr dazu. Das Böse stirbt nicht aus und diejenigen, die darunter zu leiden haben werden dann nicht weniger und das schließt auch keine Altersgruppe, Ethnie, Gesellschaftsstände oder Hierarchiestufen aus. Frau Rose praktiziert jedoch ein bisschen anders, ihre Figuren haben sich zusammen geschlossen und wollen gemeinsam agieren, wobei Vorsicht ein zwingendes Gebot sein sollte, da viele Wölfe die Angewohnheit haben, ihre Garderobe denen der Schafe anzupassen, um sich unerkannt bewegen und zuschlagen zu können. Bei Karen Roses Protagonisten könnte dieses Mimikri jedoch sehr erschwert werden, da sie bereits vielfältigen Erfahrungen und Begebenheiten ausgesetzt waren, die es ihnen erleichtern werden, den Wolfsschwanz unter dem aufgesetzten Schaffell zu erkennen. Und über ein gesundes Misstrauen verfügen sie sowieso, zumindest die alten Hasen in der Mannschaft. Neulinge jedoch werden ins kalte Wasser geworfen und so mancher könnte dabei auch unter den Bus geraten. So ist das Leben, sagt Frau Rose und sie will auch nicht wirklich daran etwas beschönigen. Schlimm ist, auch im wahren Leben und nicht nur in Romanen, das in erster Linie die Kinder leiden müssen. Karen Rose hat da mehr als nur ein Schicksal in Petto, dieses Mal auch wieder. Die elfjährige Jazzie Jarvis wartet auf ihre Mutter. Im Sommercamp ist der Kunstbasar und Jazzie hat ein paar Ausstellungsstücke vorbereitet. Aber Muttern kommt nicht. Von ihren Mitschülern belächelt und deren Eltern bemitleidet, macht sie sich dann allein auf den Heimweg. Wo, zuhause, die böse Überraschung lauert. Ihre Mutter liegt tot am Boden und ihr Mörder filzt gerade die Wohnung. Ein Gedanke von Jazzie ist, das ihre Mutter ja doch zum Sommercamp kommen wollte, ein weiterer gilt ihrem „Schutzsessel“, der ihr schon öfter als Versteck gedient hatte, hinter den sie sich augenblicklich verkriecht, nur um aus dessen Deckung zu erkennen, wer der Mörder ihrer Mutter ist. Wenn das nicht schon für eine lebenslange posttraumatische Belastungsstörung reichen sollte, na herzlichen Dank. Aber Frau Rose kann auch anders. Jazzie und ihre kleine Schwester Janie kommen in die behütete Umgebung von „Healing Hearts With Horses“, wo Taylor Dawson ein Praktikum machen möchte, aber auch noch andere Pläne hat. Die können wir jetzt erst mal beiseite schieben, ist noch nicht ganz so wichtig. Wichtig ist, das Taylor einen losen, latenten Draht zu Jazzie bekommt, die seit dem Auffinden ihrer toten Mutter kein einziges Wort gesprochen, aber wie eine Glucke, ihre kleine Schwester nicht einen Augenblick aus den Augen gelassen hatte. In einigen der furchtlosen Anführer von Karen Roses PTBS-Bande keimt jetzt auf die glorreiche Idee auf, Taylor und Jazzie an einen Tisch zu bekommen, um sie, ungestört, mal ein Eis verspeisen zu lassen und, vielleicht könnte Taylor dem völlig verängstigtem Mädchen dabei Informationen aus der Nase ziehen. Sie hat den Mörder ihrer Mutter erkannt, oder würde ihn wiedererkennen, keine Frage. Das zieht weitreichende Folgen hinter sich her. Streit ist vorprogrammiert in der kleinen Gemeinde, immerhin will man ein elfjähriges Mädchen und einen, wenn auch fast erwachsenen, Teen mehr oder weniger zu Lockvögeln machen, was den Mörder selbstverständlich auf den Plan rufen wird und dessen Indoktrination deckt so ziemlich alles ab, was man sich selbst nicht vorstellen möchte, immerhin hat er ja schon so einigen Leuten den Kerzendocht des Lebens rigoros abgeschnitten und die hatten mit dem Mord an Valerie Jarvis noch nicht mal ansatzweise etwas zu tun gehabt. Wie wird er also reagieren, wenn er mitbekommt, das jemand seine Identität kennt oder kennen könnte und es dazu noch Mitwisser gibt. Schon Benjamin Franklin wusste um die Fragilität von Geheimnissen und er war bestimmt nicht der erste, nur einer, der es mal knallhart ausgesprochen hatte. Für den Mörder von Valerie Jarvis hat das Bewahren seiner Identität jetzt Priorität und das er dafür über Leichen gehen wird, hat er schon mehrfach bewiesen. Frau Rose stellt schon mal (Fürsorglich?) eine Intensivstation bereit, für die Opfer, die dieser Krieg fordern wird und an dementsprechenden Wunden wird es nicht mangeln. Und für so manche Romangestalt kommt dann wohl auch das Krankenhaus nicht mehr in Frage. Der Vorteil für die Schriftstellerin liegt klar auf der Hand. Tote Figuren muss sie nicht mehr weiterbeschäftigen, sondern kann sie nach Hause schicken, wo dann hoffentlich keine Leiche wartet. ISBN 978-3-426-52426-8 601 Seiten (+Anhang) 10,99€ (D) 11,30€ (A) |