BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

URSULA POZNANSKI –

Schatten

Was macht man nicht alles möglich, nur für den Leser natürlich. Man serviert seiner Figur erst mal ein paar Mordfälle, die, augenscheinlich, doch gut aussehen könnten. Die Opfer sind Menschen, die keiner leiden konnte. Diesen Toten weint keiner eine Träne nach. Und als Beamte des Schutzes der Zivilbevölkerung könnte man ganz schnell zu der Bemerkung kommen, jetzt ist die Welt doch besser dran und man kann, wie Albert Einstein ganz optimistisch feststellen wollte, jetzt doch besser in die Zukunft blicken, weil dort will man ja leben. Ein fatalistisches Gedankenexperiment, wie Ursula Poznanski das dann auch vehement unterstreichen wird. Nur, weil ein Mensch unbeliebt ist, ist das noch lange kein Grund ihm das Leben zu nehmen, dass ja eh schon kurz genug ist. Beatrice Kaspary wird damit konfrontiert. Zwei Morde landen auf ihrem Schreibtisch und beide Opfer kannte sie, mit recht negativen Erfahrungen. Was viel schlimmer ist, sie muss Parallelen zu dem gewaltsamen Tod einer ihrer Freundinnen ziehen, der in grauer Vorzeit schon passierte. Eine der Folgen dessen war, dass sie sich für den Polizeidienst entschieden hatte und damit zu anderen Erkenntnishorizonten aufbrechen wollte, als mal ganz schnell zu sagen, okay, erledigt, die Opfer waren ja nur eine Belastung für die Gesellschaft. Es mag ja gewesen sein, das diese Menschen mit ihrer Umwelt kollidierten, aber da gibt es doch ganz andere Gestalten, die uns unser Gemeinschaftswesen vermiesen wollen, mit extrem anderen Ergebnissen. Ursula Poznanski ist wieder unterwegs, dem Leser Leidenswege zu bieten, die wohl eher einmalig sind. Für Nebenfiguren, die weichen müssen, weil in der Handlung das Engagement jetzt beendet ist, gibt es einen Becher Kaffee und ein bisschen Spielgeld. Vielleicht hätte man seine Verträge vorher abchecken sollen. Und die haben es ja noch gut, die brauchen nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Wird die Hauptfigur erst mal aus dem Rennen genommen, müssen die anderen Knechte doppelt so viel schuften. Hier spielen Arbeitsverträge keine Rolle mehr. Ursula Poznanski war noch nie eine Schriftstellerin, die Grenzen akzeptieren wollte, die andere Leute ihr setzen möchten. Sie steht mehr auf dem Punkt, ihre Grenzen selbst zu definieren und dann den Tross so einzuarbeiten, dass man auch Polizeiarbeit dazu sagen kann, gerade wenn der sagen wollte, wir haben Wochenende und wohlverdiente Freizeit. Wenn Frau Poznanski auftreten möchte, werden diese Gedanken in eine ferne Vergangenheit katapultiert, wo man Gesetzesbrüchen noch gelangweilt entgegengesehen hat, wie einige Dänen, die Hans Christian Andersen, den Märchengott aus Jütland auf eine ganz andere Spur geschickt, das gut dokumentiert hatten und die Todesstrafe, als eine Art Hartz-IV-TV-Show von 1834 inszenierten. Solchen Justizirrtümern will Ursula entgegen treten. Das ihre Hauptfigur trotzdem in die Fänge eines Mörders gerät und der lange, zumindest für Außenwelt, unerkannt bleibt, nun ja... Der Spannungsbogen. Und den hat sie wieder ordentlich gespannt.
(Rowohlt)

ISBN 978-3-499-26744-4 414 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

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