BUCHCOVER | REZENSION |
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GRIT LANDAU –Die sardische HochzeitIn der letzten Ausgabe haben wir öfter auf Korsika und auch einmal auf Zypern Station gemacht, da kommt doch Sardinien, als ein neues Ziel gerade recht. Dann bleiben wir doch mal im Mittelmeer. Was Korsika für Frankreich ist, oder auch umgekehrt, ist Sardinien für Italien, oder eben auch andersherum. Allerdings zu einer anderen Zeit. Frau Landau begibt sich knapp einhundert Jahre zurück. Ein historischer Roman, der im Herbst 1922 seinen Anfang nimmt. Der I. Weltkrieg ist seit vier Jahren vorbei, doch seine Schatten werden noch immer länger. Die Auswirkungen bleiben katastrophal und die nachfolgende „spanische Dame“ hatte Dimensionen angenommen, da sieht das heutige Corona aus, wie eine jungfräuliche Braut. Als die Deutschen noch richtig dämlich, die Italiener aber schon mal, in Sachen Dummheit, schon um Längen weiter voraus waren. Der Faschismus, von von Benito Mussollini und seinen Konsorten inszeniert ist aus der Taufe gehoben und in die die Politik geholt worden, erhebt sein Haupt und treibt seine menschenverachtenden Tendenzen weiter voran, deren Folgen in der Geschichte doch nur zu sattsam bekannt sein sollten. In Deutschland ist ein ehemaliger österreichischer Gefreiter auch schon auf der Spur. Er wird nur noch zehn Jahre und wenige Monate benötigen, bis er auch auf diese Stufe kommt. Und den Auftakt zur, bis hierhin, größten Katastrophe der Menschheit einläuten wird. In Italien sind die Schwarzhemden jetzt schon gut unterwegs und das Drama ist eröffnet. Noch sind die antifaschistischen Kräfte stark, leider aber nicht wirklich einig. Und das macht den Kampf gegen den Faschismus mehr zu einem Kräftemessen untereinander, das allen anderen mehr auf die Nüsse gehen wird, weil sie sagen, wir haben doch nichts damit zu tun. Ein trügerischer Irrtum. Und, während sich die Nichtschwarzhemden noch gegenseitig an die Gurgel gehen, sich in ihren eigenen Ideen zersplittern und nicht den gemeinsamen Feind erkennen wollen, machen Mussollini und seine Anhänger Nägel mit Köpfen. „Il Duce“ Mussollini geht auf den Marsch nach Rom und dort knickt das, was man noch als Reste einer Demokratie, in Amtshilfe mit einer Monarchie, die eh schon handlungsunfähig war, hätte bezeichnen können, völlig ein. Das Imperium Romanum soll jetzt neue Höhenflüge bekommen. In Italien hat man 1922 statt das Rot des Blutes, oder andere Farben des Lebens, das Schwarz des Todes gewählt, und so einige Länder in Europa und in der Welt werden folgen. Vor diesem Hintergrund hat Grit Landau eine ergreifende Handlung entwickelt. Leonida Lanteri hat, noch vor Mussolinis Marsch auf Rom, eine unangenehme Begegnung mit einem der Großmäuler der Schwarzbekleideten und den streckt er kurzerhand nieder. Sein Name erinnert an den Spartaner, der bei Thermophylen die Perser unter Xerxes I. so lange beschäftigte, bis die antiken Griechen sich endlich zu einem gemeinsamen Widerstand gegen den vor-iranischen Gottkönig durchringen konnten. Leo´s Aktion war allerdings nicht so akribisch geplant, im Gegenteil, hatte auch keinen wirklichen politischen Hintergrund. Außer das dieser Mussolini-Fan mal auf die Kacke hauen, Leos Leben bedohen wollte, sich dabei auch straflos ausgehen sieht, und Herr Lantieri deswegen unerwartete Mittel einsetzt, wars das eigentlich schon. Das Schwarzhemd ist jetzt bei seinen Ahnen und Leo auf der Flucht. Papa deckt ihm den Rücken. Trotz einer eindeutigen Selbstverteidigungssituation würden die Faschos trotzdem auf Mord plädieren wollen und auch Recht bekommen. Die Justizsprechung hat eine gefährliche Schieflage eingenommen. Als Folge wäre ein sicheres Todesurteil zu erwarten. So flattert Sohnemann auf Sardinien ein, wo gewisse Dinge sich nicht von den korsischen Gegebenheiten groß unterscheiden werden, auch knapp hundert Jahre später nicht, wie Vitu Falconi das eindeutig kommentiert. Ist für „Leo“ und für diesen Roman aber fast nicht von Bedeutung. In seiner Heimat aus der Schusslinie bugsiert, soll er mal ganz schnell den Olivenmarkt auf Sardinien unter die Lupe nehmen und, vor allen Dingen, in seiner Heimat unsichtbar sein. Nur wird er die gleichen Probleme bekommen, wie jeder andere Festländer. Egal ob Franzose oder Italiener, irgendwie, ist die Zeit stehen geblieben. Und schon ist Vitu Falconi doch wieder aktuell. Auch wenn er seine Handlung hundert Jahre später ansiedelt, die Probleme bleiben die gleichen. Wenn auch anders dargestellt. Jetzt kommt jedoch erschwerend hinzu, dass der Faschismus auf Sardinien richtig böse Folgen hat. Während die Festland-Schwarzhemden gerade Jagd auf alle Andersdenkenden machen, sich dabei als die neuen Herrscher der Welt sehen und den Marsch auf Rom planen, bleiben die kleinen Faschobrüder auf Sardinien mehr in der Maske des Theaters stecken und, in Mussolinis Plan, werden sie auch noch auf die hinteren Ränge verwiesen. Das schreit nach Aktionismus. Grit Landau hat zwar den Schauplatz geändert, aber die Brutalität, mit der man jetzt vorgeht, lehrt selbst den abgebrühtesten Sardinier das Fürchten, und die sind, wie die Korsen, eigentlich aus einem ganz anderem Holz geschnitzt, und es würde auch anders aussehen, wenn es da nicht immer wieder Leute geben würde, die ihre Fahnen in den Wind hängen werden. Leonida Lanteri landet vom Regen in der Traufe, hat ein dazu ein Problem mit seiner eigenen Vergangenheitsbewältigung als ehemaliger Soldat im I. Weltkrieg, und die Sardinier haben jetzt das Problem, dass sie zwar mit Garibaldi einen Volkshelden, aber keinen Kaiser vorweisen können, wie die Korsen, der Europa mit Krieg, Blut und Feuer überzogen hatte. Garibaldi, trotz aller Verehrung beim Volk, ist für die italienischen Faschos doch mehr ein Feindbild. Frau Landau hat recht weitreichende Informationen. Und auch Zeitzeugen, die die Handlung ihres Romanes unterstützend bezeugen können. Den Tathergang in dem Sinne erzählen werden, wie es hätte ablaufen können. Frau Landau nimmt zwar einige literarische Freiheiten in ihre Fänge, sollte man jedoch so nehmen wie es ist, weil, am eigentlichen Thema bleibt sie hautnah dran und schreibt sich mal munter von der Seele, wie Menschen überleben können, wenn sie ihrem Herzen folgen werden. Und hier beginnt ihre Geschichte von Leo und Gioia. Das Buch ist ein szenarisch gut entwickeltes Meisterwerk. Ein sardinisches Intermezzo, bei dem wir Veit Etzold mal unterstellen wollen, das er diesem Roman ein perfektes Storytelling bescheinigen wird. Die Hamburger Band „Herbstschatten“ muss dieses Buch schon mal in der Mache gehabt haben. Ihr Titel „Thron des Zorns“ hat doch etwas. ISBN 978-3-426-28227-4 361 Seiten (mit gutem +) 18.00 € (D) 18.50 € (A) VITU FALCONI – Korsisches Begräbnis – Archiv August 2020 |