BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

VITU FALCONI –

Korsische Gezeiten

Was unterscheidet Vitu Falconi von seiner Figur Eric Marchant? Dieser Mann hat wohl keine Schaffenskrise. Im Gegenteil, er hat wieder voll den Schreibriemen und auch noch jemanden, den er nach Lust und Laune herumschubsen kann. Nun ja, nicht ganz, aber das steht woanders. Vitu Falconi. Dieses Pseudonym steht für seine Ausflüge nach Korsika. Ist er ein Diktator unter den Schriftstellern oder doch nur besorgter Ersatzvater für seine Leser? Sucht es Euch aus. Eric, ein Krimiautor aus Paris, hat so einige bewegte Lebensabschnitte hinter sich gebracht, einschließlich seines eigenen „Korsischen Begräbnisses“ und wartet jetzt darauf, das Vitu ihm die Möglichkeit gibt, sich wieder dem Schreiben hingeben zu können. Da wird er wohl noch eine Weile warten müssen. Er hat sich auf Korsika, wohin er sich vor seinem Leben flüchtete, zwar jetzt gut eingelebt, es hätte auch anders kommen können, aber noch immer trachten ihm so einige Gestalten nach dem Leben, wenn auch nicht mehr so offen, wie im letzten Roman. Auch wenn seine Ahnentafel jetzt nicht mehr die erste Geige spielt, so einige seiner Gegenparts hegen immer noch Groll. Eifersucht kann ziemlich blind machen. Und das dürfte wohl nicht nur ein Problem korsischer Engstirnigkeit sein, sondern sich voll international niederschlagen. Für Eric geht es trotzdem erst mal beschaulich an. Er hat zwar noch kein wirkliches Konzept für seinen Kriminalkommissar Figuret, aber so kleine Randnotizen krabbeln langsam zu Tage. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Warum sollte Vitu Falconi es auch seiner Figur leichter machen, als er es selbst hat. Dafür bekommt Eric Lichtblicke im Leben. So einige Freundschaften, Bekanntschaften, auf die ein Festlandsfranzose hier und jetzt nie hätte hoffen können, erhellen seinen Horizont, und da ist auch noch Laurine Altieri, die Frau, der er sein Herz schenken will. Was will eine Romanfigur mehr. Das Leben kann doch rosarot glänzen.
Wenn da nicht immer der eigene lästige Schriftsteller wäre, der einem das Leben doch schwer machen möchte, weil dessen eigene Leser doch mehr verlangen, als nur einen Kuss im Abendrot. Und wenn der schon auf dem Plan stehen sollte, dann muss man sich den aber ganz schwer verdienen. Arztromane gibt’s wie Sand am Meer, überall auf dieser Welt. Korsische Einblicke gibt es nun mal nur im Mittelmeer und das auch nur auf dieser einen Insel. Hier wird ein alter Fund neu entdeckt. Römische Münzen und auch andere Kostbarkeiten hat man vor der Küste zwar schon vor Jahren geborgen und verhökert, aber nicht alles. Es ist noch was da. Ein neues Team macht sich an die Arbeit, wird aber von einem Erdbeben überrascht, das einen Toten und einen Verletzten fordert. Die Arbeiten werden vorübergehend eingestellt und der Fundort ist auch weitestgehend nicht mehr erreichbar. Hier muss schwereres Geschütz aufgefahren werden, sehr zum Bedauern aller Geier, die schon Morgenluft witterten, ganz große Geschäfte zu tätigen, um leicht verdiente Penunsen einstreichen zu können und dabei auch nicht vor Mord zurückschrecken werden. Die Santinis, die sich auch heute noch gerne als Opfer der Giuliani sehen wollen, heute aber noch skrupelloser zu Werke gehen, als Eric´s Vorfahren das je konnten, wollen gerne an der vordersten Front mitspielen. Der französische Staat unterbindet das strikt und auch sehr geschickt. Hat aber leider dabei ein blindes Auge, für, sagen wir mal, andere Mitbewerber, die sich nicht wirklich öffentlich zeigen wollen. Ein Joint Venture wird aus der Taufe gehoben. „Stromberg Enterprises“ treten auf den Plan, als finanzschwerer und equipment-technisch hochentwickelter Partner. Und diesen Namen hat man doch schon mal gehört. Da klingelt doch was. Hannah Peters ist zwar eine sehr vielseitige Romanfigur, aber eine Freitaucherin ist sie garantiert nicht, obwohl sie schon in so einige Abgründe den Sprung gewagt hatte. Also muss Laurine Altieri ins, nicht wortwörtlich nehmen, kalte Wasser springen, aber sie kann das. Wie oft Vitu Falconi mit der Stirn auf der Tastatur aufgeschlagen ist und mit der Hand auf den Schreibtisch geschlagen hat, möchte keiner zählen und die grauen Haare, die dieses Vorhaben in Eric´s Frisur zaubern wird, ganz bestimmt, auch nicht. „Stromberg Enterprises“ haben jedoch das gleiche Problem, wie jeder Nicht-Korse. Sie sind hier nicht willkommen. Nur, und hier ist das wieder ein internationales Problem, haben die Korsen zwar einen Nationalstolz, der Familien ganz klar eingrenzt und schützen soll, erkennen aber nicht den wahren Feind. „Stromberg Enterprises“ ist zwar eine Firma mit Gewinnausschüttung im Erfolgsfall, aber doch mehr der Forscherabteilung zuordnen. Und sie identifizieren das Schiffswrack, das all die Schätze auf dem Meeresboden verteilt hat. Die wirklichen Haie warten aber hinter dem Riff. Und die hat keiner auf der Rechnung. Hier haben sich viele richtig verrechnet und alle anderen, die zwar das Riff gesehen haben, aber die Schwertflosse dahinter nicht erkennen konnten, auch. Die Globalplayer kümmert es nicht. Sie werden über jede Leiche steigen und auch ungestraft davon kommen, egal wie viele sie davon hinterlassen. Da versinkt der korsische Starrsinn doch schon fast in eine Bedeutungslosigkeit. Da können wir mal, vorfreudemäßig auf die Bank geschnallt, abwarten, was Vitu Falconi dann in Teil III auffahren möchte. Der, wie schon mal praktiziert, beim gleichen Schriftsteller, unter anderem Namen, natürlich zeitnah folgen wird. Versprochen. „Korsische Vendetta“ sollte, was für eine falsche Formulierung jenseits des Horizontes eines, jetzt voll entfachten, Lesehungers, WIRD! das Kompott werden für diesen Dreiteiler, der dann aber noch richtig Esprit für mehr hat.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52173-1 297 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)