BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

KLAUS-PETER WOLF –

Ostfriesenhölle

Schön ist doch, dass man beim Lesen von Klaus-Peters Werken nie alleine ist. Nein, nicht nur die Katze steckt ihre kleine Schnauze mit in die Seiten, auch andere Mitmenschen schleppen verschiedene seiner Bücher unter dem Arm mit sich herum. Und da kann so mancher Arm ganz schön lang werden. Unter anderem, zwischen diesen Deckeln, hat sich eine von Klaus-Peter Wolfs eigenen Figuren ein Buch gekrallt, das mit dem Wasserturm von Langeoog auf dem Cover. Gut, ist schon etwas länger her, aber immerhin. Zu Beginn der Lektüre wird man erstmal panisch, das Buch kenne ich doch schon. Klar, Pech gehabt, wenn man die Leseprobe vom Vorjahr zwar gelesen, aber man irgendwie verdrängt hat, das getan zu haben. Das legt sich jedoch sehr schnell. Besser wäre doch, Klaus-Peter könnte auf Leseproben verzichten und dann zu dem kommen, was er am besten kann, den Leser wieder mit einer Gratwanderung unterhalten, zwischen puren Vergnügen und blanken Entsetzen. Ann Kathrin Klassen darf sich wieder die Haare raufen. Und Rupert wird wieder durch Sprüche glänzen. Ja, das hat er drauf. Wobei man sich fragt, wie ein Mensch ohne einen Vornamen durchs Leben kommt. Nun, Rupert kann das, auch wenn er als Wetterfee keine Zukunft hat, obwohl er die Anzahl der Jahreszeiten schon mal ganz gut begrenzt und halbiert hatte. Als Casanova geht er schon besser durch, aber auch hier zeigt ihm Klaus-Peter Wolf doch die eine oder andere Grenze. Frank Weller, Ann Kathrins Göttergatte, hat, nach dem letzten Buch, noch zwei eingegipste Arme und kommt jetzt natürlich etwas unbeholfen herüber. Gut, das er eine Frohnatur ist. Ansonsten ist Klaus-Peters Ostfriesland immer noch so, wie es vorher war. Ein Tummelplatz für Verbrecher, die es eigentlich langsam, aber sicher, besser wissen müssten. Hier kann man es zwar versuchen, aber man wird immer an Ann Kathrin Klassen scheitern. Ein, zwei Teile kann man gegen diese Frau in Landesdiensten bestehen, oder auch drei. Aber irgendwann fängt sie einen. Den Leser jedesmal. Klaus-Peters Humor kennt keine Grenzen, schon Wahnsinn. Seine Beschreibungen von Mitmenschen, deren Dialoge und auch sein gesamtes Drumherum zeichnen diesen Schriftsteller als jemanden aus, der seine Umwelt gut beobachtet, dieses schriftlich populär-humoristisch in ein strahlendes Licht umsetzt und dabei sein Handwerk gründlich versteht. So wird es in Ostfriesland, beispielsweise, keine Profiler geben. Die Amerikanisierung geht dem Ostfriesen-Team glatt am Teetopf und Marzipanseehund vorbei. Hier heißen sie noch Fallanalytiker. Klaus-Peter Wolf sollte man doch besser in schallisolierten Räumen lesen. Die Öffentlichkeit meiden. Den AHA-Effekt, Abstand halten zu anderen, Hygiene einhalten und die Alltagsmaske tragen, wie von unserer „geliebten“ Bundesregierung propagiert, kann man dann getrost vernachlässsigen. Auf Hygiene sollte man allerdings schon achten. Cosmo Schnell ist mit Muttern im Urlaub. Es geht ihm dreckig. Vor den Augen seiner Erzeugerin fällt er vom Fahrrad und ist tot. Was keiner weiß, er hat eine Vergiftung durch das metallische Element Thallium. Früher benutzte man das mal als Rattengift. Aufgrund gewisser Überlegungen von so einigen dubiosen Gestalten wurde es dann verboten. Ratten haben einen Anspruch einen würdevollen, und vor allem auch qualfreien, Tod. Der Täter hält sich an diesen Leitspruch, nur Menschen haben keinen Platz in seinen Überlegungen. Die Krone der Nagetierintelligenz und der Gipfel der Schöpfung, der nicht mal über einen Bruchteil des Verstandes der kleinen pelzigen Tiere verfügt, haben doch einige Verschiedenheiten, auch wenn die nicht wirklich groß sind. Thallium lässt sich schwer nachweisen, und auch nur dann, wenn man weiß, wonach man suchen muss, kann man Gegenmaßnahmen einleiten. Die Ratten werden schon gewußt haben, warum sie nicht an diese Köder gegangen sind. Und die dubiosen Gestalten wußten dann auch, weshalb man das Thallium nicht mehr gegen diese Nager einsetzen sollte. Die Gefahr für Aussenstehende war einfach größer, als für „Ben“, wenn man diesen Uralt-Film noch kennt, oder auch seine Nachfahren. Für Cosmo kommt jede Hilfe zu spät. Der fünfzehnjahrige „Youtube-Star“ und Mitbegründer der Band „Möwenschiss & Adlerbiss“ hinterlässt eine zutiefst verstörte Mutter und seinen Compagnon aus der interaktiven Netzwerkszene. Mutter ist völlig durch den Wind, beschuldigt Marvin des Mordes an ihrem Sohn. Dreht völlig durch. Verständlich. Was sie dabei auslöst, wird ihr jedoch nicht bewußt werden, sie wird selbst zum Opfer. Und wieder steht Marvin im Mittelpunkt. Er war der letzte, der mit ihr zusammen war. Der auch fünfzehnjährige, wie sein toter Kumpel, steht jetzt im Fadenkreuz von Leuten, die Ostfries- und ganz Deutschland in den Zustand eines nationalen Notstandes bringen wollen. Marvin ist der Enkel eines Politikers, der auch noch der sogenannte Dienstherr von Ann Kathrin und deren Team ist. Und den will man jetzt erpressen. Eine Liste von V-Männern soll die Seiten wechseln. Spätestens beim NSU-Deseaster konnte man sehen, das V-Leute durchaus auf mehreren Seiten agieren und ob man damit Verbrechen bekämpft oder doch eher unterstützt, die Frage stellt sich nicht, weil es hier auch keine klare Antwort geben kann. Man weiß ja nicht, wie manche Leute reagieren. Klare Antworten gibt Klaus-Peter Wolf dennoch. Manchmal wissen die oben nicht, was wo anders passiert. Ob die Unterstellten nicht doch eigene Ziele verfolgen und das das ganze Gehabe um Demokratie einfach nur noch zu einer Farce wird, weil das ganz andere Kämpfe sind. Und... hier, in Klaus-Peters Ostfriesland wird das nicht funktionieren! Da haben einige Leute sehr hoch gepokert. Mit Ann Kathrin Klassen, Frank Weller und, ganz klar Rupert und, erst recht nicht, Klaus-Peter Wolf legt man sich nicht wirklich an, das kann nur schiefgehen. Für diese Gestalten. Gut für den Leser.
(Fischer)

ISBN 978-3-596 –29928 – 7 505 Seiten (mit+) 12,00€ (D) 12,40€ (A)

KLAUS-PETER WOLF – Ostfriesenwut – Archiv Juni 2018
KLAUS-PETER WOLF – Ostfriesennacht – Archiv Okt. 2019