BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

VEIT ETZOLD –

Todesdeal

Er hat gezeigt, richtig gute Bücher zu entwickeln, braucht auch etwas Zeit und Recherchen. Veit Etzold hat sich schon mit „Staatsfeind“ einen ordentlichen Namen gemacht, einen aufgeheizten Politthriller zu kreieren. Dass er schreiben kann, hat er aber auch schon vorher unter Beweis gestellt. Nur hatte Clara Vidal nicht ganz den Bezug zur heutigen Politik in ihrer internationalen Tragweite. Die Kommissarin war, ist, ja mehr eingewickelt, in die Scheiße, die alltäglich passiert. Sozusagen in der Regionalpolitik einer Kriminalität gefangen, wo man Mordopfer noch personell zuordnen konnte. Jetzt trumpft Herr Etzold auf. Keine Frage. Seine Recherchen, bezüglich des „Todesdeals“ bekommen wir heute mal richtig aufs Tablett. Das Schreiben von solchen Romanen ist doch ganz sein Ding. Der „Todesdeal“ hat zwar einige Zeit gebraucht, um zu wachsen. Ist aber gut erwachsen geworden. Das Buch haut voll drauf. Veit Etzold war noch nie ein Mensch, der sich in Schweigen hüllen würde, wenn er anklagen und, nebenbei auch noch viel erzählen kann, wo andere sich gern in Lautlosigkeit sonnen wollen und werden. Mordopfer sind nicht mehr nur regional begrenzt, und Teil einer Persönlichkeitsstörung eines einzigen Täters, sondern sind Bestandteil einer weltweiten, verachtenswerten Politik und deren Handlanger, die Herr Etzold, jetzt Stück für Stück, mal unter die Lupe nimmt. Und dazu hat der gnadenlose Kritiker seiner, unserer, Zeit nicht nur Fakten und Daten im Gepäck, sondern legt einen sensationellen Humor, wie auch beissenden Spott an den Tag, Hut ab. Seine farbenfrohen Vergleiche sind unschlagbar und auch so aktuell, dass jede Tagespresse vor Neid erblassen wird. Nun ja, wenn es an investigativem Journalismus fehlt, und solche wichtigen Nachrichten und Schlagzeilen, wie Rapper A hat ein Magenproblem, oder mal wieder abgekupfert, Fussballtrainer B kommt mit seinem Verein nicht mehr richtig klar und Fiffi C von einer, mehr als abstrusen, Persönlichkeit des „öffentlichen Lebens“, kommt mit seinem Sexualleben nicht mehr klar, auf den Titelseiten stehen müssen, dann kommt hier wohl auch jeder Notarzt zu spät. Herr Etzold hat solche Probleme nicht. Er entpuppt sich als ein Mensch, der gerne Realitäten ungeschminkt betrachten will und seine Welt- und Weitsicht auch liebend gerne mit dem interessierten Leser teilen möchte. Er schaut hinter viele Kulissen, die uns vor die Nase geschoben werden sollen. Er schiebt das mal beiseite, ganz einfach. Und gibt den Blick frei. Martin Fischer will investigativen Journalismus praktizieren. Nur sein Arbeitgeber hat andere Interessen und so darf er erstmal nur irgendwelchen B-, C-, oder auch alphabetisch abwärtsstrebenden, als Promis verkleidete, Gestalten, die vermutlich gerade aus einem Dschungelcamp, oder auch von einem anderen Hartz-VI-TV-Casting kommen, hinterher hirschen. Bei den meisten ist das einfach, die halten freiwillig ihr Face in die Kamera, was anderes kennen sie ja nicht. Wenn sie was anderes könnten, würden sie bestimmt was anderes tun, als sich nur lächerlich zu machen. Manchmal, beispielsweise wenn sich jemand nicht so weit öffnen möchte, dass man sich vollkommen vor dem Publikum entkleidet, können sich hier auch logistische Schwierigkeiten ergeben, die dem Chef natürlich nicht gefallen. Diese Zeiten sind für Martin aber jetzt vorbei. Für Global News, Berlin, soll er nach Afrika aufbrechen und sich auf die Spuren von Dian Fossey setzen. In Deutschland hat man einen Afrika-Preis ausgeschrieben, für filmische Dokumente und den will Global News sich jetzt pflücken. Da könnte etwas Geld winken und die berühmten Berggorillas, mit denen Dian Fossey schon mal gefrühstückt hatte, sind auch heute noch ein Publikumsmagnet. Und das in einer Krisenlandschaft, die ihresgleichen sucht. Im Süden Afrikas, wo sich, seit Jahrhunderten schon, die Stämme gegenseitig bekämpfen, aus welchen Gründen auch immer, und das, durch den europäischen Kolonialismus noch weiter katalysiert wurde. Herr Etzold zeigt mal ein paar Spuren, und die haben bestimmt nichts mit den damaligen Frühstücksgenossen von Dian Fossey zu tun. Sondern mit einen Genozid sondergleichen, den die heutige Welt immer noch nicht wirklich zur Kenntnis nehmen will, weil sie in ihrer Doppelzüngigkeit ihrer Politik nicht damit umgehen möchte. Dort jedoch, ist das Alltag. Martin soll jetzt atemberaubende Aufnahmen machen und journalistisch tätig werden, zum Wohle seiner Arbeitgeber. Nur? Er kommt noch nicht einmal in die Nähe von Dian Fosseys Freunden. Statt dessen wird seine Crew überfallen. Er selbst hat noch das Glück, zu überleben, der Rest hat das nicht. Er gerät in Gefangenschaft. Ein Warlord hat hochfliegende Pläne, zwecks Lösegeld. Nur mögen das andere Leute nicht. Und hier kommt Veit Etzold auch zu einem Punkt, den wir schon vorher erwähnt hatten. Unsere deutsche Öffentlichkeit würde jetzt, natürlich, Lösegeld für einen Journalisten zahlen wollen. Was aus den anderen Leuten geworden ist, die mit zerschossenem Gesicht jetzt im Gelände liegen bleiben werden, wird man mit Schweigen übergehen. Die Geier reiben sich schon mal die Bäuche und packen Tischtuch, Teller und Besteck aus.
Das man hier einen internationalen Raubbau an seltenen Bodenschätzen decken wird, soll sich dem normalen Zeitungsleser, weitgehend, verschließen. Demokratie, wie wir sie tagtäglich erleben. Dabei haben wir jetzt eine neue Ära eines Kolonialismus ohne gleichen. Die westliche Welt will den Moralapostel spielen? Die Herren des Ostens sehen das etwas pragmatischer und auch praktischer. Auch wenn so mancher Westpolitiker hier Handlungsbedarf sieht, wird er sich wohl eher hinter irgendwelchen Phrasen verstecken wollen und andere Instanzen vorschicken, auf dass man sich nicht selbst die Hände schmutzig macht. Gefallene Staatssekretäre und Newcomer, mit begrenzten Verträgen, könnten hier, hinter den Kulissen der deutschen Politik durchaus von Nutzen sein, wobei der erstere genau weiß, wo rauf er sich einlässt, während dem zweiten nicht einmal eine Chance gegeben wird, selbst zu entscheiden. Einige böse Zungen wollen behaupten, dass Herr Etzold etwas gehässig schreibt und das Nest beschmutzt? Aber eigentlich ist es doch so, dass er genau das ausspricht, was viele Leute denken! Sich aber nicht trauen, hier Tacheles zu reden. Vom kleinen Bürger, der sich hinter seiner Steuerpflicht versteckt und dabei „vergisst“ Fragen zu stellen, ist hier nicht die Rede, obwohl man hier auch Ansätze hätte, etwas verändern zu wollen. Was doch eher unwahrscheinlich ist? Unsere Politik wird das zu verhindern wissen! Veit Etzold schlägt trotzdem eine Bresche in unser hochgelobtes demokratisches System, damit man hier doch einen Punkt hat, wo man die humanistische Brechstange ansetzen könnte. Die Welt könnte so reich sein, für alle, wenn man zusammenarbeiten würde. Alle Religionen sprechen doch davon. Von Politikern ganz zu schweigen. NUR? Warum funktioniert das nicht? Nach diesem Buch dürfte man seine Heimelektronik, einschließlich seines Handys, bei dessen Fehlen viele Leute Amputationserscheinungen an den Tag legen werden, doch mit anderen Augen betrachten. Die Katze wusste das schon vorher, ohne Frage. Das Kamel aber auch. Hier könnten wir doch Gerd Scherm wieder mal anpreisen. Seine Kenntnisse über die Höckerträger sind doch phänomenal.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-30435-8 470 Seiten € 9,99 (D) 10,30 € (A)

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