BUCHCOVER | REZENSION |
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CHRIS HOLM –Des Teufels VollstreckerBei Chris Holm darf man sich die Frage stellen, wer ist jetzt der Gute und, klar, wer der Böse? Laut seinen Seiten sollte man auch schnell zu einer Entscheidung kommen. Der eigentlich Böse könnte der Gute sein. Oder auch umgekehrt. Nachdem Special Agent Charlie Thompson eine Begegnung mit einer anderen Art hatte, wird sie das rückhaltlos bestätigen. Im ersten Teil wurde sie überrascht, von einem Geist. Niemand wollte ihr glauben, doch das Phantom stellte sich als real heraus. Und das FBI war gezwungen, die Ermittlungen aufzunehmen. Killer, die Killer jagen. Jetzt, im zweiten Teil, kommt die neue Herausforderung. „Des Teufels Vollstrecker“ wollte sich stellen, vor sieben Jahren, und jemand hatte ganz großes Interesse, das zu verhindern. Frank Segreti überlebt das zwar, weil er Wäsche waschen war, welch ein glücklicher Umstand, gilt jetzt aber als tot. Trotzdem lebt die Gesellschaft noch, die er auffliegen lassen wollte, der kriminelle Staat im Staat. Der Anschlag auf sein Leben änderte jedoch die Prioritäten. Das eigene Überleben ist jetzt wichtiger. Leider hat er die Rechnung ohne Chris Holm gemacht. Gleich, okay, erst im zweiten Kapitel, soviel Zeit gibt der Schreiber seiner Figur noch Spielraum, lässt er den gnadenlosen Jäger aus seiner Anonymität wieder auftauchen, und dank unserer heutigen Medienvielfalt, gepaart mit einer Sensationslust und Schlagzeilengeilheit, ist sein Gesicht plötzlich auf allen Bildschirmen dieser Welt. Und das auch noch im Zusammenhang mit einem terroristischen Anschlag in San Francisco. Special Agent Thompson, die damals bei Franks ersten Auftritt hautnah zugegen war und die Erfahrung machen durfte, wie sich eine Pistolenmündung im Genick anfühlt, wittert eine neue Chance, den Kampf gegen das „Organisierte“ Verbrechen wieder aufzurollen. Nur, und da will Herr Holm die Karten ganz neu mischen, steht der Angriff auf die Golden Gate Bridge auf höchster Aufmerksamkeitsstufe der Behörden und für andere Sachen ist gerade kein Spielraum. Im Gegenteil. Wichtige Dinge des Gewaltmonopols des „demokratischen“ Staates werden jetzt privatisiert. Das man einer anderen Art Terror damit Tür und Tor öffnet, den Vampir gerade dazu einlädt, über die Schwelle seines eigenen Heims zu treten, sieht man ja noch nicht. Oder doch, und nimmt das billigend in Kauf? Ist, augenscheinlich, doch der eher nähere Ansatzpunkt. Chris Holm hätte zwar einen neuen Van Helsing im Angebot, aber der ist doch genauso unbeliebt, wie Frank. Michael Hendricks ist ja, eigentlich, auch nur ein berufsmäßiger Killer, auch wenn der über andere Grenzen schauen möchte. Klare Vorstellungen von seinem „Job“ hat, wie Frank das vor ein paar Jahren auch sehen wollte. Beide haben die Schnauze voll, von dieser Welt. Nur hilft die Demokratie weder dem einen, noch dem anderen, weil genau diese jetzt Jagd auf sie machen wird. Sie wissen zu viel über so einige Zusammenhänge, gerade was die glorreiche „Demokratie“ und die Kriminalität verbindet. Da kommen dem Leser auch Gedanken zu Don Winslow, der öfter schon in diesen Tiefwassern lavierte. Oder an Politiker, die Konzernen Privilegien einräumen und sich es dann richtig gemütlich machen wollen. Das man jetzt das Monopol des Staates zur Rechtsverfolgung privatisieren will, aus Kostengründen, nimmt den Strafverfolgungsbehörden, die eigentlich dafür da sein sollten, jeden Wind aus den Segeln. Und gibt jetzt Freiraum für Kreuzzüge einer ganz anderen Art. Nicht nur Killer werden gesucht, auch normale Menschen, die nichts mit irgendetwas zu tun hatten, werden jetzt terrorisiert, weil der Gedanke plötzlich da ist und man Hass und Vorurteile einarbeiten will. Man, organisiert, seine Vorherrschaft darstellen will, die dem, scheinbar, „Unterlegenen“ zeigen soll, das der nichts zu melden hat. Mit Demo, Volk, Menschen hat das nichts mehr zu tun. Chris Holm hat diesen Weg gewählt, wo man immer zwischen den Stühlen steht und dann dem Leser die Wahl der Qual gibt, wo sollte man selbst stehen. Ist Selbstjustiz der wirkliche Weg? Da diese „Demokratie“ nicht in der Lage ist, wirklich für Gerechtigkeit zu sorgen, sondern eher im Wege steht und mehr Hindernisse auf- als abbaut, könnte man hier schon auf Abwege kommen. Und Robin Hood, Thomas Müntzer und Stepan Rasin neu erfinden. Oder, um das mit der Neuen Welt einen Einklang zu bekommen, Chochise, Geronimo, Crazy Horse, die gegen die Vorgaben „unserer“ Demokratie, die nur Leid und Elend über die First Nation brachte, aufbegehrten. Und das sind nur einige Namen. Nur, wollen es manche Leute eher so sehen, dass wir als unterlegende Individuen gelten, und wir auch selbst schon fast daran glauben wollen, weil wir uns klein fühlen. Chris Holm gibt ein Signal, anderer Art. Wer kämpft, kann verlieren, ganz klar. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Seine Figuren wollen jedoch keine Hundescheiße sein, die man irgendwo und irgendwann in den Rasen tritt. Michael Hendricks und Frank Segreti werden doch mehr auf der Schiene eines Osceolas fahren, und damit etwas sagen wollen. Klein sind wir nur, weil andere das so wollen. Wir sind groß, weil wir es können. Lasst Euch nicht von anderen Argumenten leiten, die sind irrelevant. Nicht jeder kann ein gut ausgebildeter Killer sein, keine Frage, aber jeder von uns kann Fragen stellen. Osceola hat das gemacht und seinem Volk, den Seminolen, doch eine Unabhängigkeit bewahrt, die in den USA einmalig war und heute noch ist. Chris Holm sollte man im Auge behalten, er hat ein Faible für unverwechselbare Charaktere. Auch wenn er einen, manchmal, aufs Glatteis führen will, ist er doch ein unwahrscheinlich toller Dirigent, der sein Orchester führen kann. ISBN 978-3-426-52209-7 348 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A) CHRIS HOLM – So was von tot – Archiv April 2016 |