BUCHCOVERREZENSION
Fitzeks Flug7Angst

SEBASTIAN FITZEK –

Flug7Angst

Was haben Sebastian Fitzek und Karen Rose hier gemeinsam? Einen Schnittpunkt. Karen Roses Figuren leiden, durch die Bank weg, an Posttraumatischen Belastungsstörungen. Sebastian hätte hier einen Spezialisten anzubieten. Dr. Mats Krüger, Psychologe. Mit PTBS kennt er sich aus. Allerdings hat der gute Mann jetzt ganz andere Sorgen. Frau Roses Romandarsteller werden sich wohl jemanden anderes suchen müssen, der sich ihrer Probleme annimmt. Oder darauf hoffen, dass Sebastian vielleicht ein Einsehen hat. Mats lebt in Argentinien und in einem, sagen wir, zerrütteten Familienverhältnis. Seine Frau starb an Krebs und er flüchtete. Seine Tochter Nele wohnt in Deutschland, lange nicht gesehen. Diese Flucht hat sie ihm richtig übel genommen. Jetzt ist sie hochschwanger und Opa freut sich auf seinen ersten Enkel, trotz aller Querelen vorher. Er will nach Deutschland fliegen, um die Geburt seines Kinderkindes zu erleben. Wer würde das nicht tun. Na super. Herr Fitzek möchte jedoch einen Thriller schreiben. Familienzusammenführungen sind nicht wirklich sein Thema. Er ist Schriftsteller und kein Jurist. Dr. Mats K. hat eine wahnvorstellende Flugangst. Sollte ihn jedoch nicht wirklich daran hindern, in den Flieger zu steigen, um die atemberaubende Entfernung von Buenos Aires nach Berlin zurückzulegen. Die Geburt eines neuen Menschen, gerade wenn sie, oder er, aus der eigenen Abstammung kommt, sollte das ein gehöriger Ansporn sein, hier über seinen eigenen Schatten zu springen. Nur hat die Romanfigur, wieder einmal, die Rechnung ohne den Wirt, sprich dem Federführer, gemacht. Nele wird entführt und Mats, jetzt schon im Flieger, bekommt Anweisungen, die Maschine zum Absturz zu bringen. Sechshundert Menschen sollen sterben, einschließlich ihm selbst, damit seine Tochter und ihr noch ungeborenes Kind eine Chance auf ein Weiterleben haben. Dafür soll er eine ehemalige Patientin, die, „zufällig“? , Mitglied der Crew ist, neu „manipulieren“. Der Erpresser, vieleicht auch Sebastian selbst, oder doch beide, haben ziemlich perfide Gedanken im Hinterstübchen ihrer grauen Zellen. Es ist doch ein gewagter Gedankengang, entscheiden zu müssen, wer leben darf und wer sterben muss. Zwei Menschen, die einem nahestehen, auch wenn einer davon noch nicht das Licht der Welt erblickt hat, und die Vergangenheit nicht ohne Dornen war, oder sechshundert Flugpassagiere, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort sind und deren Schicksal man jetzt teilen soll. Herr Fitzek hat wieder einmal die Brillanz des Schreibens gebucht. Es sollte also nicht als ein Wunder angesehen werden, dass, in Berlin, seine Bücher für die Inszenierungen eines Kriminaltheaters als Drehbuch herhalten. Die deutsche Krimi- und Psychothriller-Szene ist sehr gut gewachsen und Herr Fitzek hat sich auch hier wieder einen goldenen Stern verdient, ist nicht der erste! Die von PTBS-gebeutelte Bande von Karen Rose kann hier nur noch auf ein Wunder hoffen, das Mats K. eventuell ihr Therapeut werden könnte. Die Fähigkeiten dazu hat er. Den Plänen eines Sebastian Fitzeks zufolge, wären sie jedoch besser beraten, einen anderen Spezialisten hinzu zu ziehen. Mats sitzt im Flieger und sinniert nach einem Ausweg, nur den wird es nicht wirklich geben. Nele, hochschwanger, ist in den Fängen eines, völlig geistig gestörten, Menschen, der zwar gute Ansichten hat, von einem Zusammenleben von Mensch und Tier, aber nicht über den Rubikon seines eigenen Denkens steigen kann. Der Typ ist wirklich jenseits von Gut und Böse, aber auch nicht die Triebfeder des machiavellistischen Plans, Mats K. vor die Wahl zu stellen, gleichzeitig Opa, Selbst- und Massenmörder in Personalunion zu werden oder seine Tochter und ihr ungeborenes Kind, seinem ersten Enkel, dem Tod zu überlassen. Da sind auch noch ganz andere am Werke. Sebastian wird sich das auf die Fahne schreiben müssen, hier wieder Romanfiguren und ihre Gefühle komplett zu ignorieren, damit der Leser seinen Lesesessel nach dem Sonnen- oder Leselicht ausrichten kann. Damit steht er nicht allein da. Angelika Svensson macht das auch, und das auch öfter. Nur geht sie dabei etwas subtiler vor. Keine Gedanken, auf ihre Darsteller warten auch Mord und Totschlag, oder, noch viel schlimmer, Parkplätze neben Mülltonnen (Küstentod). Während Mats Krüger jetzt versucht, alle Hebel in Bewegung zu setzen, der Hoffnungslosigkeit zu begegnen, lehnt sich Herr Fitzek, ziemlich angespannt vermutlich, zurück, beobachtet Mats Treiben mit Argus-Augen und schreibt schon mal sein Nachwort, jetzt eher entspannt. Hier findet er wenigstens seinen Humor wieder. Ein Philosoph war er ja schon immer.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51019-3 380 Seiten (mit +) 10,99€ (D) 11,30€ (A)

SEBASTIAN FITZEK – Acht Nacht – Archiv April 2017
KAREN ROSE – Dornenherz – Archiv Feb. 2019
ANGELIKA SVENSSON – Küstenzorn – Archiv Mai 2019
ANGELIKA SVENSSON – Küstentod – Archiv April 2018 TIPP