BUCHCOVERREZENSION
Caspianh GutGreifenau Abendglanz

HANNA CASPIAN –

Gut Greifenau - Abendglanz

Hanna Caspian hat einen Pakt geschlossen, mit Pferd und Sir Gilbert Kilbere. Zwei guten Seelen, die hinter Sir Thomas Blackstone stehen, der eigentlich zum literarischen Inventar von David Gilman gehört. Im fünften Teil der „Legenden des Krieges“ haben die beiden Romandarsteller ihren eigenen Schriftsteller aber mal so richtig aufs Kreuz gelegt. Die Besäufnisse, pardon, die geistreichen Zweiparts von Reittier und Ziehvater eines funktionierenden Untertanen der englischen Krone im „Hundertjährigem Krieg“, die nur Opfer forderte und nichts dafür geben wollte, und den sorgsam eingefädelten Gesprächen mit einer modernen Schriftstellerin, die sehr einfühlsam damit umgehen möchte, sollten hier dann doch auch Früchte tragen. Man kann davon ausgehen, dass Hanna den Standpunkt von beiden Philosophen, der etwas anderen Art, nicht kompromisslos, doch aber hinterfragend, und auch weiterentwickelnd, gut in ihre Hände genommen hat. Pferd hat hier ganz große Augen. Und wäre auch bereit, auszusagen. Von einem alten Kämpen, der gerade junge Menschen, zuhauf sterben gesehen hatte, weil die Standesdünkel das so wollten, mal ganz abgesehen. Hanna Caspian hat zwar andere Tage im Visier, nämlich, als der I. Weltkrieg sich selbst zum Essen einladen will und Millionen Opfer von Menschen einfordern wird. Aber ist das etwas anderes? Den damaligen Opfern wird suggeriert, dass die von Gott gewollte Ordnung das so zulässt? Sind wir so blöd, das zu glauben? Wahrscheinlich nicht. Wir raffen uns aber auch nicht wirklich auf, dem entgegenzutreten. Den Wundern, die unser Leben für uns parat haben könnte, wie Maggie Stiefvater das ausführt, wollen wir lieber aus dem Weg gehen? Zwei Weltkriege, und die danach folgenden Stellvertreterkriege eingeschlossen, die, bis heute, mehr Opfer kosteten, als die beiden deutschen vorangegangen Katastrophen zusammen, haben uns nicht wirklich Weitsicht gegeben. Hanna Caspian versucht es. „Abendglanz“ ist eine Art Abrechnung, mit den alten Anschauungen. Aber eine, die durchaus grinsend zu genießen ist. Gut Greifenau steht vor tiefgreifenden Veränderungen, die so mancher jedoch lieber verpassen möchte und das zieht sich durch alle Schichten. Ob der alte Gutsherr, dessen Erbe und seine russischstämmige Frau oder auch ihr oberster Hausdiener, man befürchtet den Verlust, besonders von Privilegien, der durch Neuerungen entstehen könnte. Auf der anderen Seite steht Konstantin, der jedoch, nur zu gerne, in seine Zukunft investieren möchte. Und Frau Caspian gibt ihm Recht. Die Welt wird sich ändern und in Stein gemeißelte Anschauungen als unabänderlich zu akzeptieren, kann es nun mal nicht geben. Nebenbei sind zwei ihrer Schützlinge auf Abwegen, die, für uns heute, normal sein sollten, damals jedoch, und das ist wohl harmlos und sehr beschönigend ausgedrückt, für reichlich Verwirrung sorgen dürften. Hanna gestaltet das, mitunter, mit lachenden Augen. Da ist man öfter versucht, sich das Buch vor die Stirn oder auch auf den Hinterkopf zu hauen. Drei Möglichkeiten stehen jetzt im Raum. Entweder Ihr meidet die Öffentlichkeit, die Euch für verrückt erklären wird. Operativ klar bei einem Verhalten, das Euch in die Tischkante beißen lässt. Da werden weder die Hausrat-, noch die Haftpflichtversicherungen mitspielen wollen. Aber keine Angst! Katzen, Hunde, oder auch andere Haustiere erkennen Euch am Geruch. Das sollte also kein Problem sein. Ihr könntet Euch auch am Riemen reißen. Das Glucksen wird man wohl trotzdem nicht wirklich in den Griff bekommen. Oder man gestaltet eine öffentliche Lesung, damit auch jeder andere davon etwas hat. Seid Ihr soweit? Hanna hat das Büfett schon liebevoll angerichtet. Dabei kann man sich schon eingangs so manches standesgemäße Vorurteil zur Brust nehmen. Konstantin, nach Opas Tod und Papas Erbschaftsantritt, ist der eigentliche Junker, weil sein Erzeuger dann doch andere Interessen hat. Diskretion bitte. Und Muttern, die ihn gerne gewinnbringend verheiraten möchte, akzeptiert jedoch, dass er noch keine wirklichen Neigungen hat, sich im Hafen der Ehe einen, seinen Stand ansprechenden, Liegeplatz zu suchen. Als ältester Sohn ist er der Erbe und, außerdem ein Mann in einer Gesellschaft, die Frauen gerne in die hinteren Ränge schiebt. Auch wenn er selbst nichts damit am Hut hat. Und deswegen wird er von Muttern, die weitläufig mit dem russischen Zarenhaus verwandt ist, noch verschont. Nicht mit Vorschlägen, da hat Mama Feodora das Flächenbombardement schon generalstabsmäßig eingeplant, aber mit der Erzwingungshaft, das wirklich umzusetzen. Dafür muss Katka leiden, Konstantins junge Schwester. Gerade einmal dreizehn Jahre alt, wird sie einem Kaiserneffen vorgestellt. Als Schwiegersohn ist er akzeptabel, weil er blaublütig ist? Muttern definiert das ganz klar, sie muss ihn ja auch nicht im Bett haben. Für Katharina (hatten wir das junge Alter erwähnt?), beginnt ein Alptraum. Bei diesem Adelssprössling lässt sich Hanna richtig aus. Der Typ ist genau das, was man liebend gerne an seine Haustiere verfüttern würde. Pädophil. Selbstsüchtig und –gerecht, abartig degeneriert. In dieser Geschichte ist er aber nicht wirklich real. Besser ist das auch, für ihn. Sollte so ein Hansel heute auftauchen wollen, kriegt er richtig vor den Latz. Damals war aber noch der wirkliche Standesdünkel da und so viele Vorurteile, die man heute einfach beiseiteschieben würde, aber, zu der Zeit, nicht so einfach von der Hand zu weisen waren. Damals waren Töchter nur Kollateralergebnisse für adlige Heiraten, die man genau mit seinem Standesdenken vereinbaren wollte. Hanna Caspian striegelt Pferd und füttert ihn, mit frischen Möhren, und hat auch keine Probleme damit, der hässlichsten Kreatur dieser Welt (Zitat David Gilman, die kleinliche Rache eines übervorteilten Schriftstellers) eine neue Heimat zu geben. Sir Kilbere bekommt auch noch ein Bad und etwas zu trinken. Manchmal sollte man weiter denken. Hanna räumt hier richtig auf, mit den Vorurteilen, mit denen wir schon seit Jahrhunderten zu kämpfen haben. Adel ist Verpflichtung! Mit Recht anzusehen, nur braucht es dazu keinen Titel. Adel heißt menschlich zu handeln und ist… Kein Geburtsrecht! War es noch nie gewesen. Gut Greifenau entpuppt sich als ein neues Experiment, das, im Vorfeld des I. Weltkrieges, neue Wege beschreiten will. Musikalisch zu einem Wahnsinnsbuch zu empfehlen, wären NOCTE OBDUCTA mit ihrem Wahnsinnstitel „Und Pan spielt die Flöte“.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52150-2  

DAVID GILMAN – Das zerrissene Land – Archiv Dez. 2018
MAGGIE STIEFVATER – Wie Eulen in der Nacht – Archiv Dez. 2018 TIPP