BUCHCOVERREZENSION
Tsokos.m Zersetzt

M. TSOKOS / A. GÖSSLING –

Zersetzt

Nachdem man in „Zerschunden“ mehrfach Transnistrien erwähnt hat, machen beide Autoren hier und heute Nägel mit Köpfen. Fred Abel darf nach Moldawien reisen, um zwei Leichen zu identifizieren. Das Buch bezieht sich auf die Zeit vor dem vorgenannten Roman, ist aber genauso spektakulär. Pathologe Abel hat die undankbare Aufgabe, im ungelöschten Kalk zu wühlen, um die Identität zweier Leichen zu bestimmen und das ist wirklich keine Arbeit,  die jemand freiwillig machen würde. Dabei hätte er in Deutschland eigentlich genug zu tun. Mordfälle sind ja doch etwas Alltägliches geworden, auch wenn keiner darüber sprechen will und jeder davon überzeugt ist, man ist dort außen vor. Und so gewisse Meinungen, über einen Aufenthalt in Moldawien und Umgebung kann man sich auch aus dem Film „Red“ mit Bruce Willis holen. Aber das dürfte die Herren Tsokos und Gössling weniger tangieren. Was sie aber nicht daran hindert, Fred Abel in eine Situation hinein zu bugsieren, die, zumindest dem Leser ein wohliges Schauern über den Rücken laufen lässt, der hockt ja vor den Seiten, die beide Autoren ausgetüftelt haben. Für Fred, der mittendrin steckt, wird sich das in ein Schreckensszenario verwandeln. Seine geistigen Urheber stellen ihn wieder vor Aufgaben, die es in sich haben. Und sie geben sich alle mögliche Mühen, dem Mann, der ihre Tantiemen verdienen soll, sämtliche Steine und Baumstämme der Welt in den Weg zu rollen, um ihn zum einem Handeln zu zwingen, was er, als realer Mensch, auch getan hätte. In Transnistrien werden zwei Leichen gefunden, im besagten Kalk eingelegt. Dazu werden zwei Jungunternehmer vermisst, seit vier Jahren, die jedoch „postsowjetische Gewinner“ hätten sein sollen. Da gibt es einen sehr freien Blick auf die politischen, aber auch „persönlichen“, Verhältnisse in dieser Region, die uns beide Autoren gewähren, jedoch von unseren „gewählten Volksvertretern“ und der, sogenannten, „Freien Presse“ verwehrt bleiben. Außer dem Ratschlag, als Tourist, besser woanders hin zu fahren. Aber das hatte Bruce Willis auch schon, messerscharf, erkannt. Fred Abel hat, so ganz nebenbei, noch hauseigene Probleme auf dem Obduktionstisch. Einen Todesfall, augenscheinlich durch „Waterboarding“ inszeniert, einer bevorzugten Foltermethoden der „Freunde“ vom CIA, und das auch noch in einem Regierungsgebäude des demokratischen Deutschlands. Das kann ganz schön politisch unschön werden. Durch kleine Aufmerksamkeiten von Kollegen, an zurückliegenden Todesfällen deklariert, hat er eine Ahnung zu einem Serienmörder, der schon zu seiner Studentenzeit, sein Unwesen getrieben haben muss und das liegt ja doch schon so manchen Sonnenaufgang zurück. Stück für Stück muss er sich durch einen Wust von Kleinigkeiten arbeiten, die bis dahin, nicht wirklich beachtet wurden. Das Autorenduo Tsokos/Gössling brilliert. Ist schon Wahnsinn, auf was man alles achten sollte, wenn man mit der Materie sich vertraut machen möchte. Herr Tsokos, ist ja selbst Professor für Rechtsmedizin, gibt gute Einblicke in seine Arbeit. Nur lehnt er sich hier entspannt zurück. Er hat ja jetzt einen Knecht, den er die Drecksarbeit, die er zwar selbst schon mal gemacht hatte, erledigen lässt. Fred Abel muss in den sauren Apfel beißen, den Micha schon mal vorgekostet hatte. Könnte man auch autobiografische Erfahrungen nennen, wird Fred Abel aber weiterhelfen, hier weiterzumachen und nicht in den Sack zu hauen. Und was für Gestalten unsere zwei Autoren hier zum Leben erwecken, die Abels Weg kreuzen. Würde jeden, anderen, in die Flucht schlagen. True-Crime, da kann man als Leser nur froh sein, solchen Typen nicht zu begegnen. Hoffentlich bleibt das auch so. Herr Tsokos hatte nicht das Glück, nur, reicht er das jetzt an Fred weiter. Und der hat jetzt die Aufgabe, den Leser zu informieren, was für Irregeleitete es auf dieser Welt gibt.

(Knaur)

ISBN 978-3-456-51877-9  417 Seiten   14,99€ (D)  15,50€ (A)  

TSOKOS / GÖSSLING – Zerschunden – Archiv Oktober 2015