BUCHCOVERREZENSION
Tsokos.m Zerschunden

MICHAEL TSOKOS / ANDREAS GÖSSLING –

Zerschunden

Eigentlich ist der erste Autor ein Rechtsmediziner. Derzeit ist er jedoch auf Literaturkurs. Und das mit sehr guten Ergebnissen. Auch Andreas hat schon so einige Seiten verzapft, also sind gute Voraussetzungen gegeben, sich das Buch zu Gemüte zu führen. „Zerschunden“ basiert auf einem authentischen Fall, der die europäische Ordnungsmacht an den Rand des Wahnsinns trieb. Dieser Fall zeigte Grenzen auf, an denen die internationale Polizei sich fast die Zähne ausbiss, da es immer umtriebige Leute gibt, die unsere demokratischen Gesetze in ihr Gegenteil umwandeln können, da unsere „Demokraten“ genauso umtriebig sind. Fred Abel, Gerichtsmediziner, bekommt einen Mordfall zur Obduktion und staunt Bauklötze. Irina Petrowa, weit über die 80 Jahre alt, wurde in Berlin ermordet. Doch einen Raubüberfall schließt der Pathologe aus, da das Opfer markiert wurde. In London passiert ein ähnlicher Fall. Nur, ehe die Mühlen der Amtshengste mit der Rotation beginnen, wird für Lars Moewig die Luft sehr eng. Beide Autoren tun hier auch nicht wirklich etwas, den Mann zu entlasten, im Gegenteil. Abel extrahiert einen sogenannten Haplotyp aus der DNA. Man kann damit zwar einen gewissen Typ Mensch eingrenzen, aber nicht wirklich den Täter überführen. Lars fällt in diese Analyse, wie ein Meteor auf die Erde. Ein Alibi ist Fehlanzeige. Er hat zwar kein Motiv, passt aber ins vorläufige Täterprofil, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Die Staatsanwaltschaft und die ermittelnden Behörden klopfen sich gegenseitig aufs Gemächt, der Bösewicht ist dingfest gemacht worden. Abel hat Bedenken, nur werden die beiseite gewischt. Die Tat und der mögliche Täter passen einfach zu gut zusammen, warum also weitersuchen. Man kann ja die Blindenstöcke über die Krankenkasse und den Steuerzahler finanzieren, wenn nicht springt der Senat von Berlin ein, man könnte ja die Kosten auch über den BER absetzen. Unsere Politiker machen ja immer aus den Bonbons richtig Scheiße. Selbst die Erkenntnisse des Profilers, die für Abel sehr wichtig werden und der Blindenhund-Abteilung eigentlich weiterhelfen sollten, werden ins Land der Träume delegiert. Fred Abel kann sich es nicht vorstellen, dass sein ehemaliger Kumpel Lars so aus tickt. Gewaltbereit ist der Mann, aber dass er sich an hilflosen Rentnerinnen vergreift, gehört für Fred ins Land Tir-Na-Nog. Lars ist zwar ein Mensch, der nicht wirklich anpassungsfähig ist. Nur wären „seine Opfer“ eher ein Grund, hilflos wie sie sind, anders herum zu reagieren, sie zu beschützen. Aber er passt perfekt in das Täterprofil, er ist zum Hauptverdächtigen mutiert. Das die Ereignisse, die dann folgen, die ihn entlasten sollten, gibt den „Blinden Augen“ unserer Demokratie keine Handhabe, den Mann zu rehabilitieren, warum auch. Er ist/war der perfekte Täter. Dass es nicht wirklich so war, ist jetzt ohne Bedeutung. Der Amtsschimmel wiehert und will seinen Anteil. Ohne Rücksicht auf Verluste. Kollateral sozusagen. Lars Tochter Lilly, 12 Jahren alt, stirbt gerade an Leukämie, interessiert aber keine Sau. Kein Grund, für den deutschen Amtsschimmel, dem Mann, der es nicht war, eine Möglichkeit einzuräumen, von seiner Tochter Abschied zu nehmen. Dass man den eigentlichen Täter überführt hat,  dank Fred Abels unermüdlichen Grabens, interessiert kein Schwein. Tsokos und Gößling auf den Spuren von Andreas Franz?  Schaut genauer hin! Beide Autoren loten die Grenzen aus. Die wir uns, teilweise selbst, setzen, aber auch die, welche unsere glorreiche „Demokratie“ uns setzen will, um nicht unter den dreckigen Teppich gucken zu wollen. Sie müssen es ja auch nicht, wozu auch. Und wir dürfen es nicht, da wird unsere „Demokratie“ schon die Zügel kurz halten wollen, könnten wir unseren Oberen ja mal richtig ans Bein pissen. Micha und Andreas haben ein couragiertes Buch hingelegt. Wahnsinn.

(Knaur)

ISBN 978-3-426-51789-5   419  Seiten     14,99€ (D)  15,50€ (A)