BUCHCOVER | REZENSION |
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THOMAS THIEMEYER –Das verbotene Eden II - ErkenntnisSo schnell, wie Hoffnung aufkeimen kann, so schnell kann das auch wieder in Verzweiflung umschlagen. Herr Thiemeyer gibt sich die Ehre, die Gegenseite einer Medaille zu zeigen. Der Mann hat es drauf, die Gefühle durch das Schiffshebewerk Niederfinow heraufzuziehen, um sie gleich zeitnah den Victoriafall wieder herabstürzen zu lassen. Gwen ist verlassen worden. Juna, ihre Lebensgefährtin, hat ihren Mann gefunden. David, der Mönch und Bibliothekar. Zusammen sind sie aus einer archaischen Welt, in der sich virusmutiert, die Geschlechter feindlich gegenüber stehen, mit einer Flugmaschine geflohen, in Richtung einer anderen Zukunft. Kurz zuvor haben sie noch das Kriegswaffen- und Treibstoffdepot der „Schwarzen Kathedrale“ und der „Heiligen Lanze“ bombardiert und in Schutt und Asche gelegt. Dem Kriegstreiber ein paar Trümpfe aus der Hand genommen. Für Gwen jedoch beginnt ein Leidensweg. Und Inquisitor Marcus Capistranus, der sich zwar geschwächt sieht, durch den Verlust seiner Raffinerie, macht seinen Kriegswillen durch blanken Hass und Wahnsinn wieder wehrfähig. Bauernopfer werden immer häufiger, um die Frauen zu provozieren, denen er die Schuld gibt. Sein „christlicher“ Glaube ist mehr als grenzwertig. Eher abartig. Frauen sind für das Oberhaupt der „Kirche“ nur Abschaum. Er hat eine würdige Gegenspielerin. Edana, Ratsherrin der Frauengesellschaft. Nach der Flucht von Junas Mutter Arkana und Vater Claudius, der zwanzig Jahre freiwillig im Käfig gelebt hat, die schon seit einiger Zeit begriffen haben, dass hier etwas nicht stimmt, wird Edana auch das spirituelle Oberhaupt der femininen Gesellschaft, nur ist sie genauso verbohrt und von Hass zerfressen, wie Marcus Capistranus. Thomas Thiemeyer brilliert. Und lässt die Spirale der Gewalt ungehindert in Richtung Andromeda-Nebel driften. Stimmen der Vernunft werden gewaltsam unterdrückt. Dass ein Virus diesen Lebensmodus eingeläutet und einen sehr widernatürlichen Fakt in der Natur erschaffen hat, diese Erkenntnis setzt sich nur sehr langsam durch, bei einigen Vollpfosten schwimmt sie ganz vorbei. Gwen und Logan, der amtierende Champion der Clanwettkämpfe, „heute“ wär´s vermutlich Wrestling, jetzt kann ein solcher Wettkampf den Tod bedeuten, haben Gefühle für sich entdeckt und müssen das vor aller Welt verstecken. Was sie nicht wirklich machen werden. Inquisitor Marcus, der durch Logans Sieg wieder Gewinnerkarten bekommt, da die Clans seine Partei ergreifen wollen und auch werden, versteht die Welt nicht mehr. Dass so ein aufstrebender Kämpe sich an eine Frau verliert, stößt bei dem Kriegsfanatiker und „Frauenhasser“ auf, gelinde gesagt, Unverständnis. Sein Haupttrumpf sticht nicht mehr. Die Folge ist auch hier, blinder Hass. Nur gerade er hätte es doch begreifen müssen. David ist sein Sohn, den er selbst in die Welt gesetzt hat. Thomas hat eine Situation erschaffen, in der David, durch eine Vergewaltigung gezeugt, sich gegen seinen Vater, ups, Erzeuger, gewandt hat, da er ein eigenes Gefühlsleben und mit Juna eine neue Zukunft gesucht hat. Seine Mutter wurde, nach seiner Geburt, ermordet, genau durch diesen machtgeilen, wahnsinnigen Totalhorst, dessen Lenden er entsprang. Logan hat diese Probleme nicht, er ist ein Kämpfer, und er ist nicht virusmutiert, hat auch keine Vorurteile. Er ist ein Mann und sich dessen bewusst. Gwen und er begegnen sich. Eher zufällig, wenn man das so stehen lassen möchte. Er ist Feuer und Flamme. Bevor Gwen sich ihrer Gefühle bewusst wird, sterben so manche Eintagsfliegen. Herr Thiemeyer provoziert. Ganz bewusst. „Eden I“ war schon ein toller Endzeitroman, mit „Eden II“ setzt Tommie noch mal einen oben darauf. Thomas Thiemeyer lässt Logan als neuen Stern am Himmel erleuchten und gibt ihm, sozusagen als Zwillinggestirn, Gwen dazu. Dass Logan dafür büßen wird und sich in seinem Schicksal, durch Fanatiker wie Inquisitor Capistranus und Clan-Erbe Cedric gewollt, beugen muss, lässt Thiemeyer dann doch eher kalt. Gwen ist zwar in scheinbarer Sicherheit, aber jetzt zum Feindbild einer blinden Gesellschaft geworden, genau wie Logan, nur auf der anderen Seite. Herr Thiemeyer pur. Sollte man nicht verpassen, wenn man interessante Literatur lesen möchte. Der Autor hat, doch weit mehr drauf, als nur Zahnbelag. Er ist zu einer Zentralbeleuchtung des Leserwillens geworden. Hey, und „Eden III“ kommt dann erst noch. (Knaur) ISBN 978-3-426-51315-6 462 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A) |