BUCHCOVER | REZENSION |
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LINWOOD BARCLAY –Schweig für immerTerry und Cynthia Archer sollten sich vertrauensvoll an den Verlag „Knaur“ wenden, vielleicht bekommen sie ja irgendwann einen anderen Schriftsteller. Oder auch nicht. Cynthia hat, im Teenageralter, ihre gesamte Familie verloren. Später durfte die Frau, als Sahnehäubchen, mit Tochter Grace, als Entführungsopfer herhalten und nur mit Mühe, Not und aktiver Hilfe des Gangsters Vince Fleming, der auch noch angeschossen wurde, konnte Terry das Blatt noch wenden. Diese Familie ist zutiefst traumatisiert. Das Leben, als Familie, gestaltet sich dann doch eher un-entspannt. Was Linwood seinen Figuren zumutet, spottet jeder Beschreibung. Sicher, es soll ja ein spannender Thriller werden, aber das Tochter Grace jetzt in einen Mordfall verwickelt wird, ist dem Familienvater Terry dann doch zu viel. Und so sind seine Bemühungen, hier aufzuräumen, eher davon geprägt, alles andere als zielgerichtet zu sein. Grace, von Mutter Cynthia aus verständlichen Gründen etwas kurz gehalten, hat zwar leichte Rebellionshaltungen an den Tag gelegt, hier jedoch fällt auch ihr Unterkiefer ins Bodenlose, immerhin hat sie selbst den Verdacht, ihren Freund Stuart erschossen zu haben, als sie mit ihm, als Lausbubenstreich sozusagen, in ein fremdes Haus einbrach. Nicht immer ist eine „Probefahrt“ mit einem Porsche mit Freude verbunden, vor allem dann, wenn sie nicht stattfindet. In der Nachbarschaft hatte sich kurz vorher noch ein scheinbar sinnloser, wie brutaler Doppelmord ereignet, der solche Schatten wirft, dass die Polizei völlig im Dunklen steht. Barclay hat, wahrscheinlich, die Bibel gelesen und so irren seine Figuren erst einmal relativ planlos umher. Von seltsamen Gewändern, in die sie sich hüllen, ganz zu schweigen. Und das beschreibt er mit einem derart schwarzen Humor, dass man sich kringelt, als Leser. Als Romanfigur, wenn man dann handlungsfähig bleibt und nicht vorzeitig das zeitliche segnet, dürfte das in einem akuten Alkohol- und Drogenproblem enden und ein gnadenloses Suizidverlangen auslösen. Verwirrung ist angesagt und diejenigen, die noch einigermaßen den Überblick haben, hüllen sich in Schweigen. Vince Fleming, Gangster als Hauptberuf, ist zwar nicht mehr der, er mal war, was er der damaligen Hilfeleistung für die Archers zu verdanken hat, wird gerade exzessiv eines Teiles seiner „beruflichen“ Errungenschaften beraubt und tappt genauso in der Finsternis, hat aber das dringende Bedürfnis hier Licht ins Geschäft zu bringen. Seine Stieftochter Jane wird entführt und als Lösegeld werden die restlichen „Ersparnisse“ gefordert, was da heißt, etwas Crystal Meth, viel Geld und eine Vase, die sich jedoch als Urne entpuppt. Linwood Barcley hat Humor, wie ein Schwarzes Loch. Zieht komplett in den Bann und lässt einen nicht mehr los. Der Verlag „Knaur“ steht vor einem Problem. Barclay verkauft sich sicher gut. Nur, wenn seine Figuren ihr Leid einklagen würden, dann könnten hier Anwälte und Menschenrechtler Sturm laufen und die Pfründe sich schnell in Luft auflösen. „Knaur“ wär gut beraten ihre Rechtsabteilung auf Vordermann zu bringen und die Verträge zu prüfen. Könnte ja gut sein, dass Familie Archer das kleingedruckte nicht gelesen hat. Und vielleicht noch mehr leiden darf. Linwwood wird das bis zur Perfektion ausfeilen und wenn er dann doch andere Figuren in die Hölle reiten lässt, dürfte ihn das weniger tangieren. Perfektion kann man nicht verbessern? Barclay zeigt, wie es geht und gehört auf die Liste suchtfördernder Mittel, sollte aber nicht vermieden, sondern genossen werden. (Knaur) ISBN 978-3-426-51791-8 502 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A) |