BILDERREZENSION
Tommyhaus 1

Tommyhaus 2

Tommyhaus 3

Necromorph, Massive Assault, Annexation

10.05.2018 Tommyhaus, Wilhelmstraße 9, 10963 Berlin

Heute ist Herrentag und da das Wetter als durchwachsen vorhergesagt wird, erlaubt man sich im Tommy-Weisbecker-Haus, Adresse oben, zum Tänzchen unter dem Dach zu laden. Man muss ja am Tage von Christi Himmelfahrt nicht wirklich nass werden. Dafür gibt es ja solche Gastlichkeiten und wenn man dann noch richtig die Lauschlappen durchgeknetet bekommt, dann sollte man solche Gelegenheiten durchaus sinnvoll nutzen. Die Herren Musiker von ANNEXATION zieren sich zum Anfang noch etwas, verzögern den Beginn dieser Veranstaltung, damit auch wirklich jeder mitbekommt, dass es heute richtig Knüppel auf den Kopf gibt. Und dann kracht es auch schon. Gottes Zorn von Himmel, das Gewitter, wird dabei sang- und klanglos in den Hintergrund geschoben. Im „Schicksaal“ des Tommy-Hauses toben die Töne der Instrumente und die Stimmen der Bands durch Ohren der anwesenden Zuhörerschaft. Wenn man Donnern hört, dann aus den, gut austarierten, Boxen. Schon der Soundcheck war einfach Klasse. Am Jahrestag 1985, der Heimkehr Jesus zu Papa, haben die gutgelaunten Gäste und natürlich auch die virtuosen Künstler der etwas härteren Gangart der Musik ihr „Schicksaal“ mal selbst in die Hand genommen. ANNEXATION, Thrash aus Berlin, und MASSIVE ASSAULT, Death aus Holland, heizen den Kamin schon mal an. Diese zwei Bands haben gesät. Wollten am „Schicksaal“ teilhaben. Und richtig gut geknufft dafür. Geerntet haben sie auch, haben ihr Licht nicht unter den Scheffel gestellt, sondern bewiesen, dass sie durchaus hörbaren Sound in so einige Gehirnwindungen reinschmeicheln konnten. Nur, dann kamen die Götter. NECROMORPH sind zwar nicht wirklich Götter, aber … sollen die „Ärzte“ uns doch verklagen, …die beste Band der Welt. Ein Truppenteil, der sein Handwerk beherrscht, der vielen Stilen in einer Musik nicht abgeneigt ist, sondern huldigt, wie die neue Scheibe „Under the Flag“ auch wieder ausdrucksstark beweist. Und, in jedem Fall, kann das nur gut für den Hörer sein. Die Band kam auf die Bühne, hatte einen Hammerauftritt und das Publikum war begeistert. Das muss erst mal einer hinbekommen. Mit „diary of doom“ kommt der erste Ohrwurm, alt bekannt, die Performance der Band ist überzeugend, ein Auftakt vor dem Herrn. „braunes rauschen (1/f²-Rauschen)“ folgt, und unterstreicht schon mit dem ersten Titel, die neue Platte ist einfach nur ein Hammer. Das Auditorium feiert. Hier ist heute noch mehr zu holen, für die Zuschauer und -hörer. Und die NECROS lassen sich auch nicht lumpen, packen ihr Können aus. Das Tommy-Haus tobt komplett mit. Nach „zivilisationsautismus”, von der neuen Scheibe und zum Nachdenken anregend, mit begleitendem Banging natürlich, kommt „exclusive suffering“. Ein Titel, der sich zwar auch schon eines älteren Datums erfreut, jedoch, auf schonungslos provozierende Art eine Aktualität hat, dieses auch darzustellen, bei anderen Künstlern man wohl vergeblich suchen dürfte. NECROMORPH waren noch nie eine Band, die gewollt hätte, sich an gesellschaftlichen Vorgaben messen zu lassen. Sie machen ihr eigenes Ding. Sie fordern nicht sinnlos heraus, sondern machen so manches Problem, was unsere Welt hat, greifbar. Wer die Jahre mitverfolgt hat, weiß das und genau deswegen lieben wir dieses Musikerkollektiv. Es ist schon ein kleiner Wahnsinn, wie man verfolgen konnte, wie diese Band in sich, und auch nach außen, gewachsen ist. Und so wird munter, sowohl auf der Bühne, als auch davor, weitergefeiert. Das Tommy-Haus ist zwar nicht das Olympiastadion, aber NECROMORH und ihr Publikum sprengen heute diese Grenze. Mit „you were right“ und „nogeun-ri” geht der Reigen weiter. Älterer Titel spielt mit neuem. Umgekehrt geht das auch. „Excrements of the sun“ und „Workuta“ ziehen den „idiotus maximus” und “world disgrace” hinter sich her. Und dann … gibt es ein paar Augenblicke der inneren Einkehr. „dead bird“, „seelenbalsam – grindcore“, welch wahre Feststellung, wenn man die beste Band dafür auch vor dem Fokus hat, und „shot“ wecken doch schon nostalgische Gedanken. Um wieder aktuell zu werden, gibt es jetzt „end in vomit“ auf die Ohren, wobei schwangere Frauen ihr, noch ungeborenes, Kind mitschaukeln lassen und Raucher einen hoheitsvollen Abstand wahren werden, zu Mutter und Kind. Rücksichtnahme wird im Tommy-Haus GROSS geschrieben. Auch wenn, oder gerade deswegen, weil der „Schicksaal“ eigentlich eine Raucherlokalität ist, wird trotzdem darauf geachtet, dass man sich gegenseitigen Respekt entgegen bringt. Tolle Lokalität, kann man nur so sagen. Die jetzt mit „convicted to breath“ auch wieder eine ältere Produktion um die Ohren gehämmert bekommt, aber das tut keinen einen Zacken aus der Krone brechen. Im Gegenteil. Die Menge tobt, nur, im Gegensatz zu Gladiatorenkämpfen geht es hier human zu. Kann es eine Steigerung von Perfektion noch geben? NECROMORPH beweisen, es geht. „VEI8“ schleicht, falsch, knallt sich in die Hörorgane und „handle the flag“ folgt. Mit „serve to lead” gibt es jetzt noch einmal etwas Nostalgie, um dann noch, unmissverständlich, zu sagen, wir spielen auch neu. „toxic environment“ und „zersetzungsmaßnahme„ runden einen Abend ab, der, durch eine Zugabe sogar noch einmal getoppt wird. Das war doch mal eine durch und durch gelungene Veranstaltung. Berlin und Umland haben schon gewählt. Wer außergewöhnliche Musik mag und auch noch Intelligenz, in den Texten, damit verbinden möchte, wird die NECROS lieben.

(MRD)