BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

LENA JOHANNSON –

Sanddornzauber

Schriftsteller erschaffen oft „unwahre“ Welten, um die Wahrheit aufzudecken und zu unterstützen. Politiker leugnen Wahrheiten, um sie zu unterdrücken, so wie unser Panik-Karlchen das äußerte, Wahrheit bedeutet politischer Tod. Lena Johannson hat das, mit so manchem kleinen Lächeln in ihr Buch eingearbeitet. Und so beginnt eine mögliche Zukunft im April 2022! Ja, Lena schaut gern nach vorne. Von irgendwelchen sinnlosen Maßnahmen gegen eine Grippe ist nichts zu merken. Ihre Figuren dürfen sich frank und frei in Deutschland bewegen, wenn es auch nur auf dem Papier ist. Aber das ist doch schon mal ein Fortschritt, der uns normalen Bundesbürgern noch eine ganze Weile verwehrt bleiben wird, wenn es nach einigen Heulbojen geht. Zum Ausgleich wird etlichen Romanmitspielern jedoch einiges an Schwierigkeiten in die Wiege gelegt, da kann mal also sehr gespannt sein, wie Frau Johannson den Bogen spannt, von einem Rügen-Roman, der sich locker leicht und flockig neben der Tasse Kaffee mit allen Augen durch ziehen lässt, zu einem Polit- und Wirtschaftsthriller mit versuchtem und ausgeführtem Mord. Da treten die Alltagssorgen von Franziska um ihre Zwillingssprösslinge und die Ronjas um Hund Mattis ganz schnell in den Hintergrund. Die eigenen sowieso. Der Reihe nach. Suse ist jetzt so knapp Mitte in den Dreißigern, leicht unausgeglichen und reif für ein Check, zumindest nach der Auffassung ihrer Freundinnen, die sie nach Rügen lotsen wollen für ein Coaching in der Villa „Sanddorn“. Suse hat viel aus ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten und manchmal ist ein Blick von außen hilfreich, wenn man sich auf seinen eigenen Pfaden hoffnungslos verstrickt hat. Guter Tipp am Rande, wenn Euch das auch so geht, Frau Johannson ist bestimmt bereit, Euch einen Termin bei Ziska klarzumachen, bei ihren Protagonisten klappt das ja auch. Suse, beruflich in der Abfallverwertung tätig, macht jetzt Urlaub und lässt sich in die Seele schauen. Was kann da schon schief gehen. Aber was wäre ein Urlaub ohne Bekanntschaften? Ganz schön öde, könnte man anmerken und so kreuzen einige Gestalten Suses Weg auf der Straße der Selbsterkenntnis. Zu einem Rudi, ein etwas abgerissen aussehender Mensch, der irgendwie seltsam herüber kommt, oder Axel, ein Mensch, der sich eigentlich nur für sich selbst interessiert, als für andere und dann ist da noch Meeno, der erst mal recht wortkarg bleibt und sich in eine Aura von Unnahbarkeit hüllt. Lena Johannson hat hier eine schillernde Wortwahl, da kann man auch mal vor sich hin grinsen, aber Vorsicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Noch sind Blockwarte unterwegs, auch wenn diese sich in ihrer Anzahl schon reichlich reduziert haben, kann man trotzdem sich schnell eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit einfangen, wenn man sich die Maske vom Gesicht zerrt. Da beneidet man die Romanfiguren, die sich jetzt ohne Maulkorb auf Rügen und in der Umgebung durch die Gegend trollen. Aber das ist ja auch schon eine mögliche Zukunft, und wir haben jetzt noch März. Suse ist also auf dem Wege, den Gespenstern ihrer Vergangenheit zu begegnen und wie der Zufall das so will, sind es andere auch. Und schon sind wir mitten in einem politischen und wirtschaftlichen Skandal, der, wenn auch schon von den meisten ad acta gelegt, jetzt eine neue Dimension annimmt. Meenos Vater kam bei einer Segeltörn in der Ostsee, nicht weit entfernt, ums Leben. Wurde als Selbstmord, bzw. ohne Fremdeinwirkung eingestuft. Suses Mutter starb an Lungenkrebs, als sie selbst noch ein Kind war. Und so, liebe Leute, haben wir die Metamorphose von einem Urlaubsroman zu einem Thriller. Nach Rügen kann man süchtig werden.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52637-8 317 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

LENA JOHANNSON – Sanddornsommer – Archiv August 2017
LENA JOHANNSON – Villa Sanddorn – Archiv Okt. 2018
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