BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

BERNARD MINIER –

Schwestern im Tod

Manchmal spielt das Leben seltsame Szenarien durch. Zwei Schwestern treffen sich, in zartem Alter von Teens, mit ihrem Lieblingsschriftsteller in einem kleinen Wäldchen und bringen dort eine Idee eines, virtuellen, Mordes auf, die spornstreichs auch den Weg aufs Papier findet. Wird ein Bestseller. Wenige Jahre später hat die französische Polizei genau dieses Mordszenario an einem Tatort und Martin Servaz wird in seinen ersten Fall eingebunden, als er sich dazu entschließt, nach dem Tod seines Vaters, sein Literaturstudium an den Nagel zu hängen. Ein Friseurbesuch wird jedoch kategorisch ausgeschlossen, die Polizei muss also mit einem Langhaarigen arbeiten. Bernard Minier ist seinem Protagonisten treu, oder umgekehrt? Nun ja, irgendwann tauchte Martin aus heiterem Himmel auf, übernahm die Ermittlungen für Bernard und das in einigen haarsträubenden Fällen. Ein gefundener Anlass für Minier die ersten Schritte von Servaz im Dienste der Gerechtigkeit mal nach zu vollziehen. Mit der Uhrzeit nahm man es damals noch nicht so genau, und irgendwie unterscheidet sich die Polizeiarbeit doch etwas von der, die wir heute als normal empfinden. Man kann diesen Fall auch abschließen, nur bleibt bei Martin ein Knoten im Magen zurück, das ging doch etwas zu glatt, und der Aufklärungsprozess lies mehr unbeantwortete Fragen im Raume stehen, als zufriedenstellende Fakten, die jetzt gemeinsam in einer Akte vor sich hin dösen und dem Dornröschenschlaf frönen. Jetzt kann man einen solchen Fall natürlich nicht auf sich beruhen lassen, auch wenn Servaz in den nächsten Jahren keine Berührungspunkte mit den damaligen Geschehnissen hat. Dafür hat er Bernard, genau das einzufädeln. Et Voila! Nach fünfundzwanzig Jahren spült sich ein neuer Fall in das Bewusstsein der Polizei von Toulouse und schon bekommt Martin Bauchschmerzen und das Gefühl, damals etwas übersehen zu haben, oder zumindest nicht konsequent weiter gegangen zu sein, was aber auch entschuldbar war für die damalige Situation, als er noch das Greenhorn in der Gruppe der Ermittler war. Mehr oder weniger ist also nicht ein Buch, sondern zwei in einem Band und Servaz darf da weiter machen, wo er vor einem Vierteljahrhundert aufgehört hatte. Auch dieser Tatort zeigt verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Skript des schon oben erwähnten Autors und das ist doch mehr als auffällig. Dem furchtlosen Anführer der Toulouser Mordkommission schwant böses und das wird ihm nicht nur durch die blühende Fantasie seines Schriftstellers in Bezug auf unangenehme Gerüche bestätigt. Das und vieles mehr bestätigt, dass Bernard Minier nicht umsonst auf dem Thron des Thrillers in Frankreich sitzt. Und er gibt Servaz einen guten Spruch mit. Es ist gefährlich zu handeln, ohne nachzudenken. Aber es nutzt nichts, nachzudenken, ohne zu handeln. Jetzt ist es an Martin Servaz dies zu beherzigen und vielleicht auch mit seinen Traumata abzuschließen. Und eines bestätigt sich wieder, was Bernard in seinem ersten Roman „Schwarzer Schmetterling“ schon betont hatte, die einzige Spezies, die dem Menschen gefährlich werden kann, ist der Mensch selbst.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-30777-9 426 Seiten 10,99€ (D) 11,30€ (A)

BERNARD MINIER – Schwarzer Schmetterling – Archiv August 2013
BERNARD MINIER – Kindertotenlied – Archiv Okt. 2015
BERNARD MINIER – Wolfsbeute – Archiv August 2016