BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

BEN CREED –

Der kalte Glanz der Newa

Revol Rossel betritt die Bühne derjenigen, die jetzt auf den Seiten dem Leser entgegentreten wollen, um selbigen über Schicksale zu erzählen, die sonst, im allgemeinen Zeitgeschehen und auch schon in der ferneren Historie unter den Tisch gefallen wären. Und seine Geschichte ist besonders lesenswert. Als Jahrgang 1917 wächst er genau in die Große Sozialistische Oktoberrevolution hinein, die von seinen Eltern durchaus begrüßt wurde, deswegen sein Vorname. Aber die Revolution frisst ihre Kinder und so auch Revol Rossels Eltern. Ihm bleibt ein beklagenswertes Schicksal auch nicht erspart, was ihm, jetzt im Jahre 1951 auch immer bewusst bleiben wird, immerhin hat er seine Fähigkeit verloren, Geige zu spielen, da ein ganz besonders pflichtbewusster Offizier des NKWD, nach seiner Verhaftung 1942, ihm die Finger gebrochen hatte, aus welchen „patriotischen Gründen“ auch immer. Als Wiedergutmachung am sozialistischen und stalinistischen Staat wird Rossel an die Front des Großen Vaterländischen Krieges geschickt, in die Sinjawino - Offensive, die zu nichts weiter nutze sein sollte, den deutschen Invasoren die Munition zu entlocken und wenn dabei die einfachen Rotarmisten drauf gingen, wie die Fliegen im Winter, egal. Die Tausenden Toten der Roten Armee hatten ihren Zweck erfüllt. Anschließend der Einsatz bei der Belagerung Leningrads, die mehr als eine Million Menschen das Leben kostete. Rossel hat dies alles überlebt. Zum Genuss des Lesens dieses Buches, und auch zum Andenken an diese Zeit, sollte man sich die Sinfonie „Leningrad“ von Schostakowitsch rein hören. Grandioses Werk, genau wie dieser Roman. Heute, und hier beginnt das Buch, 1951, ist Revol Rossel Leutnant der Leningrader Miliz, jeder andere wäre ausgewandert, nun ja das ging damals auch wieder nicht so einfach. Zur Blütezeit Stalins und seines Bluthundes Berija, die mit eiserner Hand das Volk knechteten, war auch nur der kleinste Muckser in Gegenrichtung zum allgemeinen, und zu Stalins und Berijas Narrativen im Besonderen, häufig tödlich oder man endete in einem sibirischen Gulag, was dann so ungefähr auf das Gleiche heraus kam. Leutnant Rossel ist jetzt zwar politisch rehabilitiert, das hat aber nicht wirklich etwas zu bedeuten. Ben Creed beschreiben eine Gratwanderung eines Milizionärs in den Zeiten, als schon die Frage nach der Uhrzeit zu einer Verhaftung führen konnten, auch wenn das jetzt nicht mehr der NKWD war, sondern das MGB, das sich auf die Eliminierung antisozialistischer Elemente „spezialisiert“ hat. Um diese Zeit wird ein fünffacher Mord gemeldet. Die Leichen sind verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit, drapiert und der Mörder legt es gerade zu darauf an, Rossel mit in seine tödliche Umarmung zu ziehen. Auch wenn hier Aufklärung von Nöten ist, so kann es passieren, wenn die Ermittler eine Grenze streifen, das sie vom MGB, salopp gesagt, hopps genommen werden. Rossels halbe Einheit wird verhaftet, wobei man nicht wirklich nachvollziehen kann, warum. Erst als er wieder auf seinen damaligen Peiniger trifft, kann Revol weiter machen, da ihm der ehemalige NKWDler den Rücken frei macht, was ja nicht ganz so selbstverständlich ist, um diese Zeit. Und gleichzeitig kann Rossel auch ein paar seiner Mitstreiter wieder frei bekommen. Der Mord hat doch eine höheren Stellenrang, als sich das ein paar Lametta-träger im mittleren Management des sowjetischen Inlandsgeheimdienstes gedacht hatten. Der oberste Genosse und sein Schoßhund haben ein gesteigertes Interesse daran, vor dem Hintergrund der Begehung des Jahrestages der Blockadebrechung Leningrads mit Feierlichkeiten, diesen Mord aufgeklärt zu sehen. Und die Spur führt, in den Instanzen und Verstrickungen, steil nach oben in die Hierarchie, wo man einen kleinen Leutnant mal ganz schnell verschwinden lassen kann. Das dieser Roman von der britischen TIMES als bester Thriller des Jahres gekürt wurde, kann man, beim Lesen, nur bestätigen.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52662-0 428 Seiten 14,99€ (D) 15,50€ (A)