BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

STEPHANIE BUTLAND –

Die Frau auf dem Foto

Bücher sind wie Schiffe, die einen in andere Gefilde entführen werden. Bücher sind ein Denkmal für Gedanken. Deutschland hatte ein finsteres Kapitel in seiner Geschichte, wo man Bücher nicht nur aus dem öffentlichen Leben verbannte, sondern auch verbrannte. Diese Zeit scheint wieder gekommen zu sein. Stephanie Butland schreibt aber über eine andere Zeit, wobei sie sich jedoch nicht nur auf eine bezieht oder geradlinig durch die Seiten zieht, sondern immer wieder Bilder nebeneinander stellt und somit einen guten Blick darauf gibt, was früher passiert ist und welche Auswirkung das dann in ihrer Gegenwart hat. Und so beginnt sie im Jahre 2018, wo Veronica Moon, mittlerweile 70 Jahre alt sich auf eine, ihre, Fotoausstellung zubewegt. Nur hat sie früher ein Foto geschossen, das ihr nur Vorwürfe eingebracht und ihre Karriere beendet hatte, welches jetzt jedoch als Mittelpunkt dieser Veröffentlichung werden soll. Und schon geht es in der Zeit zurück in das Jahr 1968, bzw. der Weg der Ausstellung skizziert selbigen. Dazu gibt es auch einen historischen Abriss, was damals in der Welt so passierte, beispielsweise der kometenhafte Aufstieg der Beatles und die Morde an John F. Kennedy und Martin Luther King. Wer das alles vergessen hat, wird hier sanft daran erinnert, innerhalb der Handlung dieses Buches. Und das ist doch ein absolutes Meisterstück geworden. Frau Butland, deren Hobby auch die Fotografie ist, zeigt eine Biografie einer Frau, wie sie hätte verlaufen können. Zu einer Zeit, als Frauen noch nicht keine Rechte hatten, die ihnen von der Männerwelt vorenthalten wurden, beispielsweise wurden sie nicht am Tresen bedient, ohne männliche Begleitung, bekamen für die gleiche Arbeit weit weniger Lohn, wobei hier auch noch die Hautfarbe und ethnische Herkunft eine zusätzliche Rolle spielten, als die Anfänge der Frauenbewegung in England Fahrt aufnahm und Veronica Moon steht mittendrin, als Fotoreporterin in einer von Männern dominierten Domäne versucht doch eine Karriere zu starten, auch wenn sie immer wieder ausgebremst wird und ihre männlichen Kollegen in den Recherchen und Sessions bevorzugt werden. Um diese Zeit lernt Vee, im Rahmen ihrer persönlichen Neugier auf den Frauenstreik bei „Ford“ in Dagenheim, die Frauenrechtlerin und Feministin Leonie Barratt kennen, die ihr recht grob mal die Augen öffnet und ihr klar macht, das sie mehr wert ist, als das Patriarchat zugestehen will. Eine Zeit, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Stephanie Butland schreibt mit viel Gefühl, aber auch bahnbrechenden Humor und gibt ein plastisches Bild von einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Frauen, die aus unterschiedlichen Startpositionen kommen, sich aber trotzdem zusammen raufen und einen Teil ihres Lebensweges gemeinsam zurück legen, trotz aller unterschiedlichen Auffassungen vom Leben. Das ist schon hammerhart. Diese Lektüre kann man, ohne Bedenken wärmstens weiter empfehlen. Und schon geht es weiter. Bild für Bild nimmt die Fotoausstellung im Jahre 2018 Gestalt an und, parallel dazu, führt Stephanie Butland ihre Handlung weiter. Immer wieder auch mit den historischen Begebenheiten, die in den jeweiligen Zeitstationen passierten, das ist schon recht lehrreich und vor allem auch Wahnsinn, weil vieles hat man doch vergessen. Und hier hakt Frau Butland nach, da macht das Lesen doch besonderen Spaß. Die Autorin hat eine besondere Schreibweise, man hüpft förmlich durch ihre Seiten. Alles drin, was man für einen entspannten Leseabend braucht und trotzdem bleibt man nah am Leben.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52471-8 399 Seiten 10,99€ (D) 11,30€ (A)