BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

SOPHIE HÉNAFF –

Das Revier der schrägen Vögel

So schnell sieht man sich wieder. Nachdem man im ersten Teil „Mission Abstellgleis“ den französischen Polizei- und Staatsapparat richtig düpiert und vorgeführt, und einen der führenden Vertreter für Demokratie und Bürgerschutz als einen Verbrecher entlarvt hat, ist das richtig nach hinten losgegangen. Das nennt man doch Demokratie, wenn man zwar ein Verbrechen aufgeklärt hat, aber der dann Schuldige eigentlich nicht auf der offiziellen Liste der Leute stand, die man gerne beseitigen wollte, sondern auch noch ein Mitarbeiter aus den eigenen Reihen war und man den Ermittlern, so unerwüscht sie sind, im öffentlichen Leben und auch als Aushängeschild nicht dienen, sondern eigentlich im Zentrum von Sonneneruptionen verglühen sollten, dann vorwirft, die Hand, die sie füttert noch zu beissen. Das ist doch ein richtiger Ansporn. Für Sophie Hénaff´s Truppe wird das so in jedem Fall sein. Man hat einen hochrangigen Mitarbeiter für Steuerzahlerschutz als ein faules Ei herausgraben können. Und? Die Dankesgrüße halten sich in engen Grenzen, aber das war doch zu erwarten. Das Kommissariat von Anne Capestan besteht aus allen möglichen, oder auch unmöglichen Leuten, die sich dann sagen, dann bleiben wir eben unter uns. Der französische Staat und Sophie haben etwas gemeinsam und auch einen Unterschied. Die Nation Tricolore will so manchen unliebsamen Mitarbeiter, dem man nicht kündigen kann, loswerden und zum Nichtstun verdammen. Frau Hénaff sammelt genau diese Leute einfach wieder ein und gibt ihnen eine neue Daseinsberechtigung. Nicht jede Romanfigur ist zu beneiden, aber Sophies Truppe scheint es doch augenscheinlich ganz gut zu gehen. Trotz aller Ignoranz und Feindseligkeiten des, immer noch, Arbeitgebers, der unter rot-weiß-blauer Flagge eine Art Demokratie in den Himmel heben will, von der er jedoch diese Handvoll Menschen gerne ausschließen möchte. Andere Menschen auch, aber das ist doch das schöne an der „Demokratie“. Erzähle viel, vermeide dabei, Tatsachen wirklich in das richtige Licht zu rücken, bleibe informativ ganz arm und schon frisst dir die Bevölkerung aus der Hand, die Hartz IV-TV als eine neue Art Bibel und Werbespot dafür ansieht, das man zwar janz unten ist, aber anderen es noch viel schlechter geht, oder irgendwelche halbseidenen Promis dafür anführt, das man, unter anderem auch noch Aufmerksamkeit genießen könnte, die allerdings nur aus der vorgenannten Reihe kommt. Sophie Hénaff hat beissenden Spott parat. Nun ja, dafür ist sie ja mittlerweile gut bekannt. Da können wohl alle Aligatoren und Krokdile ein Lied von singen. Und ihre Bücher kann man sich problemlos zur Brust führen, auch wenn man hier etwas aufpassen muss, wo man sich gerade befindet. In Coronazeiten könnten Wiehern und Schnauben unter der Alltagsmaske ja dazu führen, das der eine oder andere Jünger von Thomas Mann´s „Untertan“, in vorauseilendem Gehorsam an unsere geliebten demokratischen Regierungen, weitreichende Maßnahmen einleiten möchte. Im Freistaat Sachsen hat man ja schon damit gedroht, Menschen, die sich vor Lachen oder auch aus anderen Gründen die Maske vom Gesicht reißen, in eine Psychatrie einweisen zu müssen. Auch andere Bundesländer wollen drastische Maßnahmen. Erinnert so etwas an die Zeit, als noch ein ehemaliger österreichischer Gefreiter in Berlin an den Zügeln der Macht saß. Eine Zeit, die eigentlich nie wieder zurückkommen sollte. Aber jetzt schon wieder Züge annimmt. Dabei haben wir doch schon eine Zwangsabgabe- und Frongeldstelle, die nichts mit Corona zu hat, die GEZ. Vom dem demokratischen Steuersystem, das auch heute noch an den Steuern von Kaiser Wilhelms Flottenaufbauprogramm von 1897 festhält, ganz zu schweigen. Das „Revier der schrägen Vögel“ bekommt jetzt Zuwachs, in diesen Zeiten auch vonnöten. Eine Ratte, deren Nase untrüglich ist, aber anscheinend Rotwein mag und sich deswegen bei Merlot einnistet, dem Säufer des Kommissariats. Man gut das der den Alkohol mag und kein Thallium, wie man Klaus-Peter Wolfs Ausführungen auf dieser Seite entnehmen kann. Aber auch Alexandre Dumas kommt zu neuen Ehren. D´Artagnan, in neuer Identität als Capitaine Saint-Lô, will jetzt die Truppe von Anne Capestan verstärken. Da kann es doch schon zu manchen Missverständnissen kommen, weil der Mann zwar frisch aus der Psychatrie entlassen wurde, aber immer noch daran festhält, mit Athos, Aramis und Portos auf dem Trail gewesen zu sein und seinem Gegenüber, wenn er es für richtig hält, den Handschuh ins Gesicht zu knallen und dann, im Zeitalter von weitreichenden Schusswaffen, seinem Kontrahenten mit dem Degen vor dem Gesicht herumfuchteln wird und damit auch umgehen kann. Der Mann ist eine echte Bereicherung für Anne Capestans Kommissariat. Und jetzt hat man das Problem, das manche Leute zwar noch frühstücken dürfen, aber ihre eigene Todesanzeige in Augenschein müssen, die sich dann als eine Realität entpuppen wird, der sie nicht entfliehen können. Die „zweitfreiste“ Nation dieser Welt hat ein Problem, das so einige ihrer Mitmenschen jetzt Opfer werden, die eigentlich nicht hätten auftauchen dürfen. Aber dafür ist ja das „Revier der schrägen Vögel“ jetzt da, das aufzuklären. Sophie Hénaff ist wohl ein gutes Mitglied im Kreise der Leute, die sie darstellen möchte. Schön ist, sie versteckt sich nicht in ihren Seiten, sondern gibt immer grünes Licht für Menschen, die zwar eigentlich verlieren sollten, aber doch immer das sein werden, was wir sind. Die Verlierer, die gewinnen werden, wenn wir das durchziehen.
(carl´s books)

ISBN 978-3-570-58572-6 312 Seiten (Mit +) 15,00€ (D) 15,50€ (A)

SOFIE HÉNAFF – Mission Blindgänger – Archiv Juni 2020