BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

TOBIAS KELLER –

Kommando Schluckspecht

Herr Keller hat ein Problem. Das gibt er aber an Tim weiter. Kollege Feldmann hat eine Kneipe, mitten im Ruhrgebiet. Läuft mehr schlecht, als gut. Aber was macht man nicht alles, wenn nur zwei Stammgäste schon für einen, fast, akzeptablen Umsatz sorgen und man sich selbst, dort, und das jeden Tag, die kleine Kante geben kann. Es reicht zwar nicht wirklich für Miete und Unkosten, aber im blauen Dunst sieht das doch reichlich erträglicher aus. Hauptsache, das Bier schmeckt. Das ist doch mal eine Philosophie. Um 12 Punkt Null-Null hievt man seinen Kadaver aus dem Bett, macht ein bisschen was, danach die Kneipe auf und harret dann, was kommt. Wobei der Zeitpunkt des Hievens durchaus variieren kann. Der Herr des „Schluckspechtes“ hat doch sein Leben voll im Griff. Nicht ganz, aber das driftet noch etwas an ihm vorbei. Aber, das Leben ist doch schön. Und die Herren Keller und Feldmann sind sich einig. So sollte es bleiben. Eine Ruhrgebietskneipe, die sich zwar nicht wirklich trägt, zwei Wellensittiche, die sehr unruhig reagieren und dazu noch eine Freundin, die man liebt. Nur hat die gute Frau aber doch ganz andere Pläne, was eine gemeinsame Zukunft heißen könnte. Lisas Bewerbung bei einer hiesigen Zeitung ist etwas in die Hose gegangen, ihre beste Freundin hat sie verschaukelt. Als heller Streif am Horizont macht sich jetzt ein Jobangebot aus München auf sich aufmerksam und Lisa ist Feuer und Flamme. München ist zwar nicht Bottrop, aber leben könnte man ja überall. Der Autor und sein Protagonist schieben jetzt Panik. Sie wollen zu Hause, im Ruhrgebiet bleiben. Hier spielen der BVB, die Schalker und, ein paar Etagen tiefer, der VfL Bochum und auch Rot-Weiß Essen den Fußball. Die Bayern aus München kann hier keiner leiden. Und da soll man jetzt hinziehen, nur weil die Freundin dort einen Job bekommen kann? Als Ruhrgebietskind in die Höhle des Löwen steigen? Das ist doch etwas viel verlangt. Die Zukunft durch die rosarote, pardon, doch eher blaue Brille, sah irgendwie anders aus und so plant Herr Keller eine neue Aktion „Sichelschnitt“ und Tim Feldmann soll die Generäle Guderian und Rommel, in Personalunion, mal ganz schnell ersetzen. Nur ist „Kommando Schluckspecht“ nicht auf Erich von Mansteins Geist erwachsen, sondern hat sich eher aus einer „Blau“-Pause heraus manifestiert, die sich auf einen gewissen Konsum von gersten-, hopfen- und auch anderen alkoholhaltigen Getränken stützt. Ob man damit eine Schlacht gewinnen kann, sollte man wohl stark bezweifeln dürfen. Vor allem auch dann, wenn man eine zweite Front vor die Haustür bekommt, in Form von Konkurrenz durch einen Smoothes-Laden. Und schon wird der Krieg, den man eigentlich nach München tragen wollte, auch an der Heimatfront entfesselt. Tobias Keller hält sich hier etwas zurück, sieht sich, wahrscheinlich, als eine Art strategischer Reserve an, außerdem reicht es voll und zu, wenn Tim jedes Fettnäpfchen mitnimmt, das irgendwo, so manches vermutlich auch in Alaska, herumsteht. Nun ja, man kann sagen, er ist sehr engagiert am Werke, auch wenn die meisten seiner Aktionen reichlich nach hinten losgehen. Seine Möglichkeiten sind zwar schier unermesslich und nicht wirklich berechenbar, aber er ist nicht so sehr der begnadete Stratege. Mit einem Geiserich, von den Vandalen, oder den oben genannten Generälen wird er sich schlecht messen lassen können. Und so wird, wenn auch widerstrebend, das Oberkommando abgegeben, an Bardame Jutta, die einen etwas raffinierteren Plan ausheckt, dessen Ausführung den gemeinsamen Zielen doch etwas näher kommen könnte, als die Wünsche des kleinen Tagträumers Tim, der obendrein immer abgelenkt ist, von den Diskussionen mit seinen Wellensittichen. Die Heimatfront ist jetzt begradigt, der ärgste Konkurrent ist jetzt ein stillschweigender Verbündeter, also kann man seinen Feldzug nach München in Angriff nehmen. Und der endet, wie die Schlacht am Kursker Bogen. Also bleibt einem nichts mehr anderes übrig, als seinen besten Kumpel von der Brücke zu schubsen. Tobias Keller sorgt für absolute Heiterkeit, auch wenn man hier, wie bei Beipackzetteln von Arzneimitteln, auf gewisse Nebenwirkungen aufmerksam machen sollte. Es könnte doch so manch verknöcherten Mitmenschen gegen den Strich gehen, wenn man, in der Öffentlichkeit, vor Lachen tränendurchtränkt an einem Pfeiler steht, keine Luft mehr bekommt, und, vor sich hin hechelnd, das Buch an die Brust krallt. Da könnte sich so mancher anderer Zeitgenosse, mit mangelndem Humor, etwas provoziert fühlen.
(dtv)

ISBN 978-3-423-21686-9 297 Seiten 9,95€ (D) 10,30€ (A)

Da wir Geiserich erwähnen, der Mann war einer der erfolgreichsten Strategen der Antike, trotz seiner sehr beschränkten Möglichkeiten… Er hatte es geschafft, seinem Volk, den Vandalen, auf der Völkerwanderung nach Afrika, mitten ins Herz Karthagos, Roms Erzfeind, eine neue Heimat zu geben. Und hat dem West-Römischen Reich richtig das Fürchten gelehrt. Der Mann war in der Tiber-Metropole noch verhasster, als Hannibal. Das Schöne an der Geschichte ist, solange Geiserich lebte, hat sich keine Sau getraut, ihn anzugreifen.

GERD GERBER – Der Vandale – Archiv ältere Rezensionen