BUCHCOVER | REZENSION |
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MARY BURTON –Das Flüstern der AlpträumeJa, so ist das im Leben. Eva sitzt zehn Jahre im Knast, weil die, unsere „demokratische“ Justiz, wieder einmal versagt hat. Ist das etwas Neues? Nein! Weil man sich das ganz einfach machen möchte und Klischees immer gut in eine Tageszeitung passen. Weil irgendwelche Sheriffs der Meinung sind, nicht konkurrenzfähige Teenager einschüchtern zu können und noch andere, kapitalgewaltige Menschen dann plötzlich Druck ausüben wollen. Mary Burton möchte mal Justizirrtümern auf die Sprünge helfen. Die siebzehnjährige Eva wird verurteilt, zu zehn Jahren Haft, weil sie ihren Liebhaber erschlagen haben soll. Die eigentliche Aktenlage, trotz eines Geständnisses, die sich aber erst im Nachhinein ergibt, sagt eindeutig aus. Unschuldig, im Sinne aller Anklagepunkte! Keiner hat je nachgefragt. Und Eva wird ihre Gründe gehabt haben, hier auch zu schweigen und ihre zehn Jahre abzusitzen. Sie weiß, bis jetzt noch nicht wirklich, was abgelaufen ist. Und der Psychoterror wird eine eigene Sprache gehabt haben. Nur, wenn das hochgejubelte Demokratie sein soll, dann Halle-Julia. Nach zehn Jahren, als man plötzlich eine Katastrophe serviert bekommt, will man immer noch nicht hinter den Gartenzaun schauen, sondern diese junge Frau als eine potentielle Gefahrenquelle sehen. Man könnte sich dabei so viele Dinge gesundbeten, ohne nachzudenken. Mary Burton macht jetzt nicht auf Frauenrechtlerin, sondern nimmt die Gesamtlage in Augenschein. Justizirrtümer, die auch noch gesteuert werden, sind geschlechterübergreifend und haben mehr damit zu tun, das Familien, mit viel Geld und Connections hier, ganz gezielt, sich von Leuten befreien wollen, die ihnen durchaus an die Karre pissen könnten, weil einige ihrer eigenen Zöglinge zu einem Alptraum für die Allgemeinheit wurden, was, natürlich, nicht akzeptabel ist. Macht doch eine Antwort, auf eine Frage, aus dem Film „Alice im Wunderland“ doch recht naheliegend. „Weißt Du, was ich am meisten fürchte?“, „Den Sturz der Aristokratie!“… Warum dürfen Leute, mit Geld, auf anderen herumhacken, die keins haben? Sie doch diejenigen sind, die genau das Kapital verdienen, das sich so mancher dann einsteckt, ohne zu fragen. Wer Angelika Svensson kennt, kann bei Mary Burton unbesehen zugreifen. Umgekehrt natürlich auch. Da gibt es so einige Berührungspunkte. Was beide Schriftstellerinnen auszeichnet, ist ihr Hang zur Gerechtigkeit. Wird im Leben nicht passieren, aber man kann ja mal träumen. Dafür sind Bücher ja da, über einen Tellerrand zu schmökern. Auch wenn es hier wieder Parkplätze neben Mülltonnen gibt. Lisa Sanders hatte das zwar hinter sich gelassen, und sie darf ja gerade pausieren, einen betriebsbedingten Urlaub genießen. Nun ja, manchmal ist man vor nichts gefeit. Und Frau Svensson reibt sich die Hände. Das nennt man auch eine Zusammenkunft, von Schriftstellerinnen. Ist fast der perfekte Wahnsinn, man könnte auch sagen Schwestern im Geiste. Könnten Zwillinge sein. Auch wenn sie in unterschiedlichen Regionen herumwildern, und auch die meisten Szenarien sich recht deutlich voneinander unterscheiden, gewisse kleine Überschneidungen sind aber schon da. Warum auch nicht. Kann für den Leser nur gut sein. Mary Burton geht ab, wie ein Überschallbomber. Sie mäht so einiges nieder und das Mädchen, das frisch aus dem Knast gekommen ist, sieht sich plötzlich einer Hydra gegenüber, der sie nichts entgegenzusetzen hat. Sie ist nicht in der Lage, sich zu wehren. Statt zu agieren, kann sie nur reagieren und das ist immer, eher suboptimal. Zum Agieren gibt man ihr keinen Spielraum. Eva wird in die Enge getrieben. Ein Schicksal, das so symptomatisch für unsere Demokratie ist. Herr Veit Etzold hätte da auch noch einige Anregungen anzubieten. Der Mann ist, sozialkritisch, immer auf einer Augenhöhe, die man auch sehen sollte, nur macht das „kaum einer“. In diesen Worten steckt doch die Applikation, „keiner“. Warum macht das keiner. Herr Kraus, Christian, Hamburgs neuer Hafen für interessante Kriegsschiffe in der Thriller-Schlacht, stellt genau die gleiche Frage. Die Antwort liegt doch ganz klar auf einer Linie, nur aussprechen darf sie keiner. Unsere Demokröten und das kriminelle Universum machen gemeinsame Sachen. Eva ist dazu verurteilt, der Arsch zu sein. Lieber Herr Kraus, wieder Zitat? In der Geschichte der Menschen war das schon immer gang und gebe. Nur, warum wehrt sich keiner. Weil wir uns einen Scheiß um andere kümmern, es sei denn, der Hund vom Nachbarn hat gerade wieder auf unser Gemüsebeet geschissen? Wir, die Menschen, die andere nicht sehen wollen, die eigentlich in unserer Nachbarschaft leben, gucken plötzlich auf die Haustiere und entsprechende Verfehlungen? Oder doch ganz andere Dinge, die keiner hinterfragen möchte. Mary Burton holt mal richtig aus. Ist richtig lecker. Schlimmer noch. Mary Burtons Alpträume werden bald unsere sein, wenn wir uns nicht wehren werden. ISBN 976-3-8025-9077-1 425 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A) ANGELIKA SVENSSON – Wassersarg – Archiv April 2017 TIPP |