BUCHCOVERREZENSION
Eversh DerKoenigVonBerlin

HORST EVERS –

Der König von Berlin

Was macht ein Huhn auf einem Buchcover? Das, unbeschwert unternehmungslustig, auf einem Bahnsteig der Berliner U-Bahn-Linie U8 steht und, obendrein, erwartungsvoll einem einfahrenden Zug, Richtung Leinestraße, entgegen schaut. Das sollte eine erste Frage sein, die man erst sich selbst, später dann, eventuell Horst Evers stellen könnte. Nun ja, man kann sich die Frage auch selbst beantworten, in dem man sein Buch liest. Der Herr Schriftsteller entpuppt sich als eine Schönwetterfront am Literaturhorizont des Lesers. Wenn Krimi drauf steht, dann sollte auch einer drin sein, aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Und bald wird sich die Existenz des Federnträgers auf Berliner U-Bahn-Höfen von selbst erschließen, da braucht man den schwerarbeitenden Schriftsteller nicht mehr mit sinnlosen Fragen bombardieren, deren Beantwortung viel von seiner Zeit kosten werden, die er seinem nächsten Buch widmen könnte. Und so ein bisschen Nachdenken hat noch keinem geschadet. Lesen von Büchern, im Zusammenhang mit den sich dann ergebenden Assoziationen, wie die Frage, was macht das Huhn in der U-Bahn, ist eine gute Vorsorge gegenüber Demenz beispielsweise, wie ein Arzt eines Berliner Werksärztlichen Dienstes mal sagte. Der Mann wird gewusst haben, von was er spricht. Zu diesem Zeitpunkt seiner Äußerung war er schon etwas älter und praktizierte noch. Rente war für ihn, vermutlich, ein Fremdwort. Horst Evers glänzt durch seine gesamten Zeilen. Beispielsweise mit Erkenntnissen, wie man Kriege beenden und ganze Landstriche befrieden konnte, obwohl sich die Konstellationen der Gegner nicht wirklich politisch auflösen ließen. Das wird in Berlin natürlich nicht passieren können. Nebenbei nimmt er alles auf die Schippe, was sich im öffentlichen Leben aalen will, ohne dafür wirklich zu arbeiten. Und schafft gute Möglichkeiten mal über einige Sachen nachzudenken. Die U8 ging damals bis zur Leinestraße, ein U-Bahnhof der, nach zweijähriger Bauzeit, 1929, in Betrieb genommen wurde. Bezüge zum BER verschweigt er lieber, aber manchmal kann man wohl auch ohne Worte etwas mehr sagen. BER-reichern ist ja nicht nur in der Berliner Politik- und Wirtschaftsszene zu einem Hobby geworden, sondern auch bundes- und weltweit. Hier wirft er Hauptkommissar Lanner ab. Ein Niedersachse soll sich mal ganz schnell umgewöhnen. Von seinem „Dorfleben“ abgehend, auf die Bedingungen einer, der deutschen Großstadt, sich einarbeiten. Horstens Wege sind jedoch, fürs erste, unergründlich. Die primäre Leiche bekommt Toni. Bestimmt vierundzwanzig Stunden tot und vergiftet. Der Rattenfänger und Kammerjäger ist kompetent in seinem Job. Und seine These stimmt auch soweit. Nur ist diese Leiche ist etwas kleiner, behaart und ein Nagetier. Neben der toten Ratte liegt jedoch noch ein menschlicher Leichnam. Und das schon etwa ein halbes Jahr. Komisch ist, dass den Mann keiner vermisste, obwohl der im selben Haus, wo man die tote Ratte auf dem Hof entdeckte, wohnte und seine Wohnung eine fast unglaubliche Menge an Bargeld beherbergt. Obendrein ereilt den obersten größten Meister der Firma Machallik, spezialisiert auf Schädlingsbekämpfung und damit den ehemaligen Arbeitgeber von Toni, ein mysteriöser Gifttod, ausgelöst durch sein eigenes Gebräu, extra nur dafür entwickelt, das seinen geliebten Ratten der Weg ins Nirwana oder Asgard für kleine, bepelzte Nager erleichtert werden sollte. Sie, euphorisiert, zu ihren Ahnen schlendern können, ohne den Heldentod als Katzenopfer zu erleiden. Horst Evers ist ein Komiker vor dem Herrn. Und schon steht Christian Lanner etwas verloren da. Gemobbt und verarscht, von fast jedem Berliner Polizisten, den er jetzt kennt und mit denen er zusammenarbeiten soll, wird sich der Held aus Cloppenburg, Niedersachsen, der einen, in dem Falle nicht wirklich näher definierten Fall im Alleingang gelöst hatte, sich plötzlich bei der hauptstädtischen Kriminalpolizei zurecht finden müssen. Nur wird dieser Weg sehr steinig werden. Horst gibt aber gute Ratschläge. Beispielsweise, wenn sich die Polizeidirektion nicht in der Lage sieht, weil das Geld fehlt, steckt ja alles im BER, der S-Bahn und den neuen Diäten für Berliner Politiker, mal eine ordentliche Kaffeemaschine ins Büro zu stellen, dann sollte man Selbsthilfe üben. Kauf Dir Deinen eigenen Kaffeeautomaten, dann sprechen auch die Kollegen mit Dir, ganz einfach. Kaffee mögen doch fast alle Menschen. Und wenn man eine Spur gefunden hat, sollte man auch nicht ohne Rückversicherung in die Höhle eines Bären springen, der gerade aus seinem Winterschlaf erwacht ist und, partiell jetzt, dringend eine Zufuhr von Proteinen benötigt. Da hat man, nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz gewiss, ganz schlechte Karten. Wer mit dem Wolf tanzt, sollte die Choreographie kennen. Wer mit dem Speerzahn spricht, sollte gewisse Kenntnisse in Fremdsprachen haben. Wer mit hungrigen Bären kommunizieren will, gerade wenn das Menschen einer (ab)gehobenen Klasse sind, die Dich sowieso nur als Abschaum betrachten, dann kann man sein Ableben als ein „Letztes Abendmahl“ durchaus als zwingend in Betracht ziehen, auch wenn man hier nicht den Trost hat, als Thema für ein Gemälde von Leonardo da Vinci zu enden und damit der Nachwelt, unsterblich, überliefert zu werden. Christian Lanner probiert mal was aus und Horst Evers kann man aufs Revers heften, das er ein Fan von Agatha Christie ist. Aber das sind wir doch alle.
(Rowohlt)

ISBN 978-3-499 –25952 – 4 381 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)