BUCHCOVERREZENSION
Atkinsonk DecknameFlamingo

KATE ATKINSON –

Deckname Flamingo

Wenn man anfängt, an der boshaften Dummheit der Welt zu verzweifeln, dann kann man schon mal deprimiert in die Welt schauen. Für Kate Atkinson ist sie ein Fass ohne Boden, diese Dummheit. Der II. Weltkrieg hatte sich materialisiert und Julia Armstrong wurde für den englischen Geheimdienst MI5 rekrutiert. Sie soll jetzt, ähnlich der Einrichtung in Trend Park, Leute abhören. Nur, dort waren es gefangengenommene Offiziere und Generäle der Wehrmacht, deren wahren Interessen man auf den Zahn fühlen wollte. Hier sprachen sie ja frank und frei, weg von der Leber, was sie vom Führer, und seiner selbstherrlichen Strategie, hielten. Über ihre Familien, Ängste, über ihre eigenen Überzeugungen. Julia soll jetzt, in den Anfängen einer Brandkatastrophe auf dem europäischen Kontinent, die „Fünfte Kolonne“ auf britischem Boden bespitzeln. Nur Julias Einsatz präsentiert, fast, mehr einen Klub gestresster oder gelangweilter Hausfrauen, mit Unterstützung von deprimierten Männern, die im Golfklub gerade ihre Krawatte vergessen haben. Diese auszuhorchen, obwohl deren Informationen nicht mal das Geld für das Katzenfutter wert wären, hat sich der MI5 das doch etwas kosten lassen. Frau Atkinson agiert und reagiert hier recht boshaft. 1940. Hitlers Armeen gewinnen, jetzt noch, alle Schlachten. Seine Soldaten, persönlich auf ihn, als den Führer eingeschworen, sind zwar nicht wirklich darauf vorbereitet, was Krieg bedeutet, sind aber immer noch besser aufgestellt, als ihre Gegner. Wie Frau Atkinson das gut vergleichen möchte, der Schnauzer sammelt gerade Briefmarken aus ganz Europa. Österreich einkassiert, Polen gnadenlos niedergewalzt, Dänemark und Norwegen gedemütigt, die Beneluxländer einfach übergangen. Trotz aller Neutralisationsbemühungen. Nach der Aktion „Sichelschnitt“ muss Frankreich, die stärkste Landstreitmacht der Welt, um diese Zeit, kapitulieren. Wie war das möglich? In nur sechs Wochen hatte die deutsche Wehrmacht den Erzfeind Frankreich komplett düpiert. Und, gleichzeitig! das englische Entsatz-Korps bei Dünkirchen in die Enge getrieben und den Strick um den Hals gelegt, deren Angehörige, vermutlich, drei Kreuze an die Wand malten, als des Führers Haltebefehl die deutschen Generäle, unter anderem Erwin Rommel und Heinz Guderian, komplett ausbremste. Hitlers Machtprobe mit seinen Unterstellten rettete ihnen das Leben. Hinterlassen haben sie den größten Schrottplatz der Militärgeschichte. Kate Atkinson hat einen so rabenschwarzen Humor, wie kaum jemand anderes. Dagegen sehen „Monty Python“ wie Chorknaben aus. Glaubt Ihr nicht? Dann lasst Euch überzeugen. Dass Gott nicht würfelt, hatte schon Albert Einstein erkannt. Das er aber auch kein Rommé spielt, dafür jedoch dem Pokern verfallen sein könnte, ist doch eine neue Erkenntnis, die man nicht in der Bibel, egal welcher Couleur, findet. Wenn Ihr Fragen dazu habt? Eure Vertrauens-Kirche, um die Ecke, ist bestimmt bereit, soweit es ihre Befugnisse zulassen, mit Euch zu diskutieren, aber hängt Eure Erwartungen nicht ganz so hoch, bevor Ihr enttäuscht werdet. Vielleicht solltet ihr Markus Heitz zu einem Bier oder Kaffee einladen. Mit ihm mal einen Schwatz machen. Seine Ansichten zum Buch aller Bücher sind doch sehr interessant. Und hier würdet Ihr auch nicht gegängelt werden. Der Mann ist ein Freigeist, der viele Wege beschritten hat und der gibt Euch auch noch ein Bier aus. Kate wird das auch machen. Aber erst, wenn Ihr ihre Zeilen verkonsumiert habt und dann Fragen stellt. „Deckname Flamingo“ ist eine perfekte Mischung von englischen und so schwarzen Humor, das man daraus Steinkohle herstellen könnte. Einmal Geheimdienst ist einmal zu viel. Man kommt nie wieder aus diesen Kreisen raus, selbst wenn man Pirouetten dreht, bei denen einem schwindlig wird. Und so greift man auf Julia auch im Kalten Krieg zurück. Der „Eiserne Vorhang“ hat die Welt geteilt und ihr neuer Job bei der BBC wird mehr und mehr zu einer Farce. Die Herren der Macht wollen ihr eigenes Spiel, bei dem wir nur opferbare Nebendarsteller sind. Egal, was einem erzählt wird, die Dinge sind so austauschbar. Demokratie oder Diktatur? „Gottes“ Wege zur Menschheitserziehung sind doch recht eigen und (un)durchschaubar? Wem oder was soll man glauben. Julia fällt vom Glauben ab. Frau Atkinson aber auch. Bitterböse Parodie? Nicht wirklich. Genau das ist unsere Welt. Kate Atkinson hat sie nur, recht zielstrebig und, über Kimme und Korn zielgenau, in einen Augenschein gesetzt, den man, unter anderem auch, trotz Veit Etzold, doch nicht vermuten würde wollen, weil man an das Gute glauben wollte. Die Frage, die sich stellt, wie oft wollen wir uns denn noch von der Politik betrügen lassen?
(Dromer)

ISBN 978-3-426-28130-7 321 Seiten (mit +) 19,99€ (D) 20,60€ (A)

MARKUS HEITZ – Die dunklen Lande – Archiv April 2019
VEIT ETZOLD – Staatsfeind – Archiv April 2019