BUCHCOVERREZENSION
Lorentzi LichtInDenWolken

INY LORENTZ –

Licht in den Wolken

Iny Lorentz sind zu den Schriftstellern zu zählen, die A! bekannter sind, als jeder Berliner Eisbär, und B! tagtäglich, ein innerliches Dankesgebet an Johann von Gutenberg und Konrad Zuse richten werden. Wenn sie alle ihre Zeilen per Hand hätten schreiben und vervielfältigen wollen…? Auf den ersten Seiten wird wieder klar, sie haben es nicht so adligen Schnöseln, es sei denn Kritik zu äußern. Die Schrubb-Schüsseln, die jetzt das Leben von Rieke und Gunda auf der Mädchenschule schwer machen wollen und werden, sind doch Glanzpunkte unseres „Alten deutschen“ Adels, oder wer sich dafür hält, die nur darauf bedacht waren, andere zu unterdrücken. Wir schreiben das Jahr 1864. Frederike von Gantzow und Gunda von Hartung sind zwar auch „adliger“ Abstammung, nur sind die Von Gantzows, deren Stammbaum zwar länger ist, als der Seeweg nach China, jetzt aber verarmt und müssen sich als Söldner für die noch „adligeren“ Herrscher arrangieren, da sind weibliche Nachkommen nicht so wirklich willkommen. Gundas Familie ist gerade vor gut einem Jahrzehnt in diese hochnoblen Kreise vorgestoßen und im neuen Geldkapitalismus zu Hause. Bevor, oder auch nebenbei, die Lorentzen jetzt wirklich anfangen, beißenden Spott über diese Verhältnisse zu Papier zu bringen, gibt es aber erst mal zwei gute Ratschläge, die man unbedingt beherzigen sollte. Erstens, alkoholisiert sollte man besser nicht baden gehen, weder in offenen Gewässern, noch sonst wo anders. Zweitens, wenn man auf Kähne steigen will, die im Wasser liegen, sollte man deren Anbindung im Auge behalten und, notfalls bereit sein, die Hand, die selbige lösen will und damit eine unfreiwillige Fluss-Partie auslösen wird, wenn man sie von ihrem perfiden Plan nicht anders abhalten kann, abzuhacken. Das ist zwar nicht passiert, aber dafür haben Iny Lorentz zumindest mal zwei Vertreter, einen des alten und einen des neueren Adels gefunden, die ihre Titel auch mit der Verantwortung verbinden wollen, die ein Walther Kurt von Seydlitz-Kurzbach, Adolf Hitlers Feindbild Nr.1, für selbstverständlich hielt, ist ja selten genug. Zu dieser Zeit. Beide Mädels lernen sich jetzt kennen, auf einer Schule, die aus jungen weiblichen Wesen kleine Hundewelpen züchten will, die ihren zukünftigen Gatten immer zum Munde reden sollen und wollen (Richtig gelesen, weil Katzen haben ihren eigenen Kopf). Nennt sich „Höhere Töchter“-Schule, damals gut verbreitet. Der, damals, zeitgenössische „adlige Herr“ der Schöpfung wünschte nun mal Alleinunterhaltung. Das Schriftstellerpaar hat dafür reichlich verspottende Worte zur Verfügung. Schalk und Wahnsinn liegen, bei den beiden Autoren immer dicht beieinander und ziehen sich, wie eine rote Linie, auch hier, nahtlos durch ihre Seiten. Der Berliner Eisbär vermag ja durchaus regional zu begeistern. Iny Lorentz machen das überregional, zucken nicht mal mit der Wimper. Ein Zitat von Josephine Baker sollte man im Hinterkopf haben, „Für Geld kann man sich viele Freunde kaufen, nur selten ist einer seinen Preis wert.“ Wahre Worte einer Frau, die für eine bessere Welt kämpfte. Nicht nur für sich, als afroamerikanische US-Bürgerrechtlerin und Künstlerin, sondern auch für ihr Projekt, ihre „Bunte Familie“, das vielen Menschen ein neues Zuhause gab und deren Ziele viel weiter lagen. Ein anderes besagt, „…den Wert eines Freundes kann man erst dann ermessen, wenn er nicht mehr da ist“. Traurig, oder? Iny Lorentz lassen sich von beiden Richtungen leiten, haben aber dann doch auch noch ganz andere Ideen. Selbst abgebrühte Black-Metaller machen hier den Kniefall. Vor einem Humor, der halt nicht alltäglich ist. Und das beweisen die beiden Münchener Vielschreiber hier wieder nachdrücklich. „Das Licht in den Wolken“ zeigt wieder Licht im eigenen Leben. Nachdenken? Nö! Zugreifen? Aber selbstverständlich! Rückt Euch die Katze auf dem Schoss zurecht. Den Drachen oder den Kondor. Welches Haustier jetzt Priorität hat, solltet Ihr schon selbst entscheiden, solange es ein Lungenatmer ist. (Wasserbewohner dürften auf einen Lesethron eher sehr schlechte Karten haben. Es sei denn, ihr platziert das Teil im Teich bei Eurem Koi und zieht die Taucherausrüstung aus dem Schrank. ) Und dann lasst den lieben Gott einen guten Mann sein. Seine Methoden zur Menschheitserziehung, nicht nur mit dem hochgelobten „freien“ Willen“ und „Demokratie“? , sind doch wohl eher als zweifelhaft einzustufen, wenn man daneben Figuren setzt, die sich so selbstverständlich über jeden humanistischen Gedanken hinwegsetzen, wie Iny Lorentz das dokumentieren. Wenn zwei das gleiche machen, ist es noch lange nicht dasselbe und was der eine darf, oder sich herauszunehmen gedenkt, ist für andere Tabu. Das war ja jahrhundertelang Usus. Und ist heute auch nicht anders. Frederike von Gantzow und Gunda von Hartung versuchen trotzdem ihren eigenen Weg zu gehen. Manchmal ist es doch schön, wenn man wohlmeinende geistige Eltern, sprich Schriftsteller, hat, wenn man die eigenen schon in der Pfeife rauchen könnte. Zumindest geht das Rieke so. Ihr Bruder ist gefallen und damit gibt es keinen Erbe der Von Gantzow Linie mehr. Das „Alte“ Adelsgeschlecht steht vor dem Aussterben. Der Vater ist verbittert und die Mutter ist auch keine Unterstützung für ihre Tochter. Und es kommt noch schlimmer. Hatten wir gerade wohlmeinend gesagt? Das müsste hier wohl verifiziert werden. Wobei man doch die Zeiten im geistigen Brennspiegel behalten sollte. Der Spruch, früher war alles besser, ist überholt und eigentlich ist der auch nur dämlich. Jede Zeit hat ihre Probleme, ihre Sorgen und Nöte. Damals wie heute. Iny Lorentz setzen dafür einen starken Akzent. Wollt Ihr diese Zeit wirklich zurückhaben? Wenn Ja, dann lest Bücher.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51888-5 564 Seiten (mit +) 10,99€ (D) 11,30€ (A)

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