BUCHCOVER | REZENSION |
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SUSANNE KLIEM –LügenmeerDas Leben ist hart und ungerecht. Susanne Kliem kann das, stellvertretend für ihre Figuren, durchaus bestätigen. Vor neunzehn Jahren wollte man eine illegale Geburtstagsfeier stattfinden lassen, wie so manche Jugendliche halt ticken. Kennt man doch noch von sich selbst. Rebellion und Widerstand gegen die bestehenden Grenzen. Nur lief alles aus dem Ruder. Milla, Emilia Schmied, stirbt, im jungen Alter von achtzehn Jahren, nach einem Sturz vom Sprungturm des hiesigen Hallenbades. Frau Kliem hat hier etwas vor- und auch nachbereitet. Und das pulsiert durch das ganze Buch. Man schlingt die Seiten förmlich in sich hinein, will wissen, wie geht’s auf der nächsten weiter. Nach der missglückten Party wird Magnus angeklagt, der Schuldige an Millas Tod zu sein. Er wird freigesprochen, nur, in einem Ort, wo er noch wohnt, kennt jeder jeden und die Vorurteile sind stärker als die Wahrheit, vor allem, weil man Intrigen und Machtspielen, denen man mehr Augenmerk gibt, als den Fakten, machtlos gegenüber steht. Nach neunzehn Jahren kehrt Magnus, jetzt Anwalt von Beruf, zurück in seinen Heimatort und steht vor einer Mauer des Schweigens und offensichtlicher Ablehnung. Er will trotzdem den Geistern seiner Vergangenheit begegnen. Ein Geist ist Svenja, die starke Freundin von damals. Susanne Kliem wird es dem Mann der Paragrafen jedoch nicht wirklich leicht machen, obwohl doch eigentlich die Gesetzesreiter es drauf haben sollten, Recht und Gerechtigkeit in zwei verschiedene Paar Schuhe zu verwandeln. Magnus ist etwas anders drauf und genau daran scheitert er immer wieder. Die offensichtliche Wahrheit will keiner wissen. Sabine Kliem schreibt hier keinen Roman, der eingezwängt in einer optischen Umgebung ist, sondern klagt ein Rechtssystem an, das bundesweit immer wieder an sich selbst scheitern wird, weil es nicht wirklich durchdacht ist, was aber den Verantwortlichen, die dafür Steuern kassieren, und nicht zu knapp, am Arsch vorbei gehen wird. Ein Teen wird angeklagt, weil, geht ganz schnell. Und es ist offensichtlich. Nachfragen sind unbequem. Terroristen, die mal beten, und nebenbei, AK47 und ein bisschen Trinitrotoluol (TNT*) bunkern wollen, sind in diesem Staat wahrscheinlich eher nicht ganz so bedrohlich, wie ein Teenager, der, in der internen Umgebung einer autarken Dorfgemeinschaft, als der Hauptfeind gilt. Und Markus ist plötzlich der Osama bin Laden für diese kleine Gesellschaft. Wie Herr Etzold das auch immer punktgenau darstellt. Braucht man eine Lösung, muss man erst mal ein Problem haben. Politik! Wir sind diesen Leuten scheißegal. Nur! Wir haben kein Problem. Wir wollen nur leben, und sieben Milliarden Menschen wollen das auch. Warum dürfen wir das nicht? Weil Geld unser Leben bestimmt? Weil wir feige sind und uns anbiedern wollen? Oder doch, weil diese Penner uns in Situationen bringen werden, die uns vergessen lassen wollen, das wir Menschen sind. Nicht das Geld ist die Wurzel allen Übels, sondern die Liebe dazu, wie Timotheus es schon treffend in der Bibel ausgeführt hatte und die ist, bekanntlich, ein Buch, dass schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat. Timotheus, und nicht nur der, auch andere, hatten noch ganz andere Sprüche drauf, sollte man sich durchaus reinziehen. Hätte Neuanwalt Markus mal machen sollen, dann wäre er, wahrscheinlich, doch etwas anders an sein Problem herangegangen. Wenn die Zeugen Jehovas, oder auch andere Glaubensvertreter, vor der Tür stehen, wimmelt sie nicht gleich ab. Hört sie Euch an und fragt gezielt nach so einigen Kapiteln. Kann man nur lernen. Und wenn einer „geilen Grind Core aus Uruguay“ empfiehlt , ein Tipp aus dem Film „Heavy Trip“, was man zwar dann leider nicht hören wird, aber dafür einen symphonischen, postapokalyptischen, höllischen, rentierzermürbenden, seelenzerfressenden, rebellischen (wir haben hier garantiert etwas vergessen) Scandic-Metal serviert bekommt, dann könnte man doch schneller zu relevanten Informationen kommen. Der Film ist Klasse und passt zu diesem Buch! Schön ist, dass wir, als Leser, im Nachhinein, manchmal besser informiert sind, als die Romanfiguren. Hätte Markus sich mal anschauen sollen, bevor er, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, wieder seinen Geistern begegnen muss. Die Chance hat er aber nicht gehabt. Hier muss er aber trotzdem angehen. Sabine Kliem lehnt sich entspannt zurück. Sie hat ihre Aufgaben strategisch gut verteilt und kann sich jetzt ihrer Kaffeemaschine widmen. Den Rest müssen Markus, der Leser, mit der Katze im Schlepptau, selber machen, hier ist sie raus. Schön ist der Beruf einer Schriftstellerin. Wenn man durch ist, müssen sich ihre Protagonisten selbst ihren Ängsten stellen. Gut ist, dass der Leser die Katze auf dem Schosse platzieren kann und damit zwei Hände frei hat. Eine für das Buch und eine, entspannend, für das Dosenbier. ISBN 978-3-570-10353-1 312 Seiten 15,00€ (D) 15,50€(A) -Film-TIPP „Heavy Trip“ - Unbedingt anschauen! |