BUCHCOVERREZENSION
Grimml HeldenVonMidgard

LIZA GRIMM –

Die Helden von Midgard

Dass die Walküren allesamt die Töchter Odins sind, sollte bekannt sein. Der Oberbefehlshaber der nordischen Religion war ja auch recht umtriebig, was den Nachwuchs zu zeugen betraf. Ob nun neue Götter, oder auch andere, er ist der Vater vieler Wesen. Der einäugige Gott, der eines seiner Augen opferte, um Weisheit zu erlangen, mit seinen zwei Raben, Hugin und Munin, auf der Schulter, und seinem Schlachtross Sleipnir unter dem Sattel hatte manchmal aber auch ganz andere Hobbys, als seine Gattin zu beschlafen. Beispielsweise Ymir, den Riesen, zu töten, aus dessen Hinterlassenschaften er Midgard erschuf, die Welt der Menschen. Die Walküren, Frauen mit Schlachtpotienzial, haben eigentlich nur eine Aufgabe, nämlich die Helden Midgards in die Hallen Walhallas zu führen, in Asgards Nobelrestaurant, sozusagen. Wo die Kasperköpfe sich gegenseitig auf die Schulter, und aufs Gemächt, klopfen können. Liza Grimm nimmt das, zielrichtig, mal aufs Korn. Die Helden besaufen sich, weil ihre zurückgelassene Familie Vergangenheit ist. Sie müssen sich volllaufen lassen, um vergessen zu können. Manchmal kann Unsterblichkeit schon nervend sein. Dass auch Walküren Probleme haben könnten, daran hat aber keiner gedacht. Liza Grimm macht mal Front. Nennt sich Frauenpower. Heute wohl auch. Walküre Herja stürzt sich mit ihrem Lieblingsmenschen in so manche Abenteuer, nur ihr Held wird von den Nornen und ihrem Webstuhl nicht als solcher anerkannt. Und so verschwindet der Typ, nach seinem Tod, von Garm, dem Höllenhund beschnuppert, in Helheim und lässt eine untröstliche Walküre einsam zurück, die jetzt in den Gärten von Asgard trauert. Richard Wagner hatte wohl noch nicht alle Informationen, diesbezüglich. Sein „Walküren-Ritt“ hätte dann doch eine andere Klangfarbe gehabt. Walküre Kára hingegen wird gezeigt, dass ihr Mensch zum Helden geboren ist. Erik heißt der muntere Knabe. Tyr, Odins Sohn, Gott des Krieges und aller Schlachten, und Káras Bruder, soll dieses Material formen. Aber irgendetwas passt nicht zusammen. Hier kann man hautnah erfahren, was es heißt Analphabet zu sein. Oder zumindest eine Leseschwäche zu haben. Die Nornen haben da irgendwas durcheinandergebracht und auch Yggdrasil, die Weltenesche, muss sich geirrt haben. Im Gegenteil zu den drei schwarzgewandeten Gestalten vor dem goldenen Webstuhl, die sich wichtiger nehmen als sie wirklich sind, sollte es aber schon klar, dass ein Baum nicht wirklich lesen kann. Liza Grimm hat ein Geheimrezept auf der Pfanne, nur wird das nicht jedem schmecken. Nun ja, wenn man seinen Romanfiguren Pappdeckel als Kekse verkaufen will, müssen diese das wohl solche auch herunter würgen, wehren können sie sich ja nicht. Zumindest haben die Raben ihren Spaß in Lizas Seiten. Sie toben begeistert durch so manche Zeile in diesem Buch. Sie sind bei Frau Grimm sozusagen, genau das, was Peter Brand bei Daniel Holbe ist, auch wenn die Genres beider Autoren in keinem Zusammenhang stehen. Im Gegensatz zu Markus Heitz, der ja auch öfter in der Fantasy unterwegs ist. Während man jedoch im Christentum immer noch zweifeln muss, ob Luzifer der, oder die, Böse ist, kann man sich in der nordischen Göttersaga sicher sein, dass Loki, Gott des Schabernacks, der Missgunst und des Neides, genau der Vollpfosten ist, als der er immer dargestellt wird. Diese Religion ist ehrlicher, als was die Christen gerne predigen wollen. Hier ist Gut und Böse klar definiert, wenn auch nicht getrennt. Wenn es Opfer geben wird? Tyr hat seine rechte Hand an Fenris verfüttert, den Weltenwolf, der Ragnarök einläuten wollte. Fenris kann jetzt eigentlich auch schlafen gehen, den Untergang der Asen haben schon die Christen eingeläutet. Nicht ganz, noch ist der Glaube stark. Trinkt ein, ein einziges, Bier, und gebt dem einäugigen, furchtlosen Anführer der Asen, den letzten Schluck. Wird sich Odin drüber freuen. Als Opfer. Eigentlich ist es der erste und der letzte Schluck, der ihm gewidmet ist. Wir werden das überleben, und noch ein paar Biere haben. Hoffentlich. Ob aber ein Gott, vor allem dann, wenn er nur adoptiert wurde, Chancen hat, im offenen Kampf mit einer Walküre zu bestehen, die jetzt richtig sauer ist, darf stark bezweifelt werden. Und Kára ist stinksauer. Loki sollte sich mal warm anziehen. Der Gott der Lügen hat jetzt ganz schlechte Karten. Dafür hat Liza aber die besseren.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52371-1 298 Seiten 12,99€ (D) 13,40€ (A)