BUCHCOVERREZENSION
LeHingratl DieBlutChronik

LILIANA LE HINGRAT –

Die Blutchronik

Gute Bücher brauchen manchmal Zeit, um zu wachsen. Mit „Die Blutchronik“ legt Lilianna Le Hingrat mal den Nachfolgeroman zum „Dunklen Herzen der Welt“ nach. Wo Vlad II. und János Hunyadi Freunde, später erbitterte Feinde wurden. Historische Romane haben einen kleinen Vorteil. Man beschreibt, was war. Das Ergebnis kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Trocken und ohne Charaktere. Und genau jetzt beginnt die Aufgabe der Schriftsteller-Innen, das mit Leben auszufüllen, dem Leser nahezubringen. Lilianna Le Hingrat macht das spielend. Über ihre Recherchen gibt sie, im Nachwort, unbedingt mitlesen, dann auch Auskunft. Über Vlad III. Draculea sind mehr Fantasy-Geschichten im Umlauf, als das man über tatsächliche, historisch gesicherte, Erkenntnisse lesen könnte. Lilianna zeichnet das Bild eines Mannes nach, der in eine grausame Welt hineingeboren wurde. Und der war privilegiert, als Fürstensohn. An einem Schauplatz, an dem sich alle politischen, religiösen und wirtschaftlichen Parteien gerne bekriegen wollten, lag ja sozusagen vor der Haustür. Die kleinen Fürstentümer, unter anderem die Walachei, südlich Ungarns gelegen, das jetzt eine Vormachtstellung im östlichen christlichen Europa hat, und nordwärts den Angriffspfaden der kriegerischen muslimischen Osmanen im Wege steht, geraten zwischen Hammer und Amboss. Der „Pfähler“ ist das Ergebnis einer jahrhundertalten Ignoranz und Gleichgültigkeit von adligen, monarchistischen und religiösen Bestrebungen, die nur ein Ziel haben, Macht. Zu diesen Zeiten, in diesen Landen, stoßen sich die Machthaber, gegenseitig, mitunter schneller vom Thron, als wir heute die Reifen unserer Autos tauschen, oder auch nur die Socken wechseln könnten. Liliana Le Hingrat versucht trotzdem, diesem Mann ein menschliches Gesicht zu geben. Wer einen historischen Roman aus dieser Zeit lesen möchte, über einen Mann, der trotz aller Widernisse seiner Zeit, seine Unabhängigkeit bewahren wollte, ist bei Lili gut versorgt. Die Fans von Bram Stoker, und aller seiner Erben, sollten hier trotzdem mal die Nase zwischen die Seiten klemmen, damit sie, historisch belegt, sich auch an Namen orientieren können, die in ihren Schauergeschichten auftauchen. Die Wahrheit ist aber noch grausamer, als jede Sage. Die Wahrheit ist, dass sich das „adlige“ Volk, von „Gottes“ Gnaden, sich über jedes Recht eines einzelnen Menschen hinweggesetzt hatte. Macht, Religion für sich nur ausnutzte, benutzte, während der kleine Bürger dafür bluten musste. Ob Gott das wirklich so wollte? Das seine Schöpfung sich gegenseitig umbringt? Irgendwie erscheint das kontraproduktiv. Zu den Lehren aller heutigen Religionen! Weil eigentlich keine dazu aufruft, einen Mord zu begehen. Ein weiser Mann sagte mal, es ist egal, welchen Namen Du anrufst. Wir beten alle zum gleichen und er hört Dich, egal wo Du bist. Dieser Spruch kam von einem klugen Menschen. Nur, leider, war dieser Mann wahrscheinlich eher niveadosen-blauäugig und etwas weltfremd. Er hat an das Gute geglaubt, wie so viele andere. Liliana Le Hingrat beweist, glasklar, solche Sprüche haben im damaligen Europa keine Unterstützung, und, heute weltweit, sehen wir das ja auch. Statt sich gegenseitig zu respektieren, bringt man sich lieber um. Wofür? Liliana Le Hingrat zeigt mit ihrem zweiten Draculea-Roman, gnadenlos, die Ignoranz der oberen Instanzen zu Gemeinsamkeiten. Zumindest kann man einigen Schriften des Papstes Pius II. ein paar Eckpunkte entnehmen, wie sich der Konflikt entwickeln musste, weil keiner sich dazu in der Lage sah, hier zurückzutreten, auf die Basis eines gesellschaftlichen Lebens Rücksicht zu nehmen. In Gottes und Allahs Namen, welch Widersinn, Allah heißt auch Gott, wird geplündert, gebrandschatzt, gemordet, was das Zeug hält. Frau Le Hingrat ist jederzeit nah am Geschehen, dokumentiert, detailgenau, die menschliche Inhumanität dieser Zeit. Auch, wenn sie sich dabei einige schriftstellerische Freiheiten lässt. Nur um die Diskrepanzen genauer unter die Lupe zu nehmen. Wäre Vlad III. nicht als der „Pfähler“ in die Geschichte eingegangen, wäre er heute, vermutlich, bedeutungslos gewesen. Nur seine brutale Art zu herrschen, wird ihm die paar Jahre auf dem Thron der Walachei eingebracht haben. Mit wechselnden Miss- und Erfolgen. Kein Wunder, das in „Underworld“, in allen Teilen, immer Corvinus und Dracula aufeinander treffen, mit der Historie hat das, eigentlich, nichts zu tun. Eins hat Vlad III. Draculea garantiert geschafft. Neben solchen schillernden Gestalten, wie János Hunyadi und, seinem zweiten Sohn, Matthias I. von Ungarn, dem „Corvinus“, sich in die Geschichtsbücher einzutragen. János ersten Sohn hat man hinrichten lassen. Welche Grausamkeiten sich dahinter verbargen, vermag man heute nicht mehr, wirklich, nachvollziehen. Intrigen, wohin man schaut. Nur, warum? Wo ist die Grenze, die wir akzeptieren können. Die großen Adelshäuser, nicht nur Europas, waren damals, und sind es fast auch heute noch, eigentlich eine einzige große Familie. Jeder Herrscher ist mit dem anderen verwandt. Und trotzdem töten sie sich gegenseitig? In ihrem Buch lässt Liliana Le Hingrat einen Säugling töten, der Mehmet, als Nachfolger auf den Thron der Sultane und Kaiser, aller Kaiser, irgendwann, in fünfzehn bis zwanzig Jahren, den Weg kreuzen könnte. Problem! Der Typ hat das wirklich gemacht. Nachdem Paps abgetreten ist, war die erste Arbeitsanweisung des Sohnes, dessen späten Nachwuchs auszulöschen. Mit einer lapidaren Bemerkung, wie sie nur in diesen Kreisen zu finden ist, so menschenverachtend, das man kotzen möchte. Nach, vor…, diesem Buch kann man nur sagen, setzt Euch auf Euren eigenen Thron, macht die Leselampe an, verschließt Fenster und Türen, auf dem Weg zum und vom Kühlschrank krallt man noch das Katzentier ein, das einem, beim Lesen Wärme geben möchte und dann, lasst den lieben Gott einen guten Mann sein. Das Teil ist eine Tagesaufgabe. Liliana Le Hingrat hat hier ganze Arbeit geleistet.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52191-5 681 Seiten (mit +) 10,99€ (D) 11,30€ (A)

L. LE HINGRAT – Das dunkle Herz der Welt – Archiv Dez. 2015 TIPP
-Film-Tipp „Der Dunkle Prinz“ – Kommt näher an die Historie heran