BUCHCOVER | REZENSION |
---|---|
ANA PAULA MAIA –Krieg der BastardeKrasses Teil. Nach den ersten Seiten schon kann man sagen, das ist doch mal wieder eine Geschichte aus einer ganz anderen Welt. Ana Paula, aus einer Vorstadt Rio de Janeiros stammend, hat ein paar sinnliche Zeilen hingelegt, woran man sich dann mit einer Tagesaufgabe widmen wird. Rotzfrech, koddrig stromert sie durch ihre Seiten, wobei ihr, wahrscheinlich, die Mitgliedschaft im Line-Up einer Punkmusikerbande hilfreich zur Seite stand. Und die sind in Brasilien ja eher doch nicht so zahlreich, wie Rumba Combos oder Cachaça-Bands, die an den Flug- und Seehäfen, und an den Stränden mit fröhlichen Melodien und Paradiesvorstellungsvorführungen die Touristen zu erhöhten Ausgaben aus ihrer Reisekasse verführen wollen. Ana hat das ganz „normale“ Leben im Sinne, nur eben etwas anders, als wir uns das denken. Abseits aller Touristenvorstellungen von der Copacabana und Rio de Janeiro. Man steht nicht jeden Tag vor einer Tür, hinter deren Blatt gerade ein Mensch, auch wenn er ein Gangster war, ermordet wird und dessen Mörder, der sich allerdings mehr als ein Richter sieht, an einem Herzinfarkt stirbt. Der, mit dem Ohr an und vor der Tür stehende, Amadeu hatte eigentlich andere Pläne. Er wollte sich nur ein bisschen Geld pumpen, um mit der Liebe seines Lebens ein Neuanfang starten zu können. Da die Tür nicht verschlossen, und die Sekretärin gerade woanders ist, vermutlich einen koffeinfreien Latte zu ordern, öffnet er dieses Portal und findet, neben den zwei Toten, eine Tasche voller Substanzen für die „bunten“ Seiten des Lebens. Fast so gut, wie Bargeld. Amadeu, eigentlich ein kleiner schmieriger Pornodarsteller, jetzt aber verliebt in eine Preisboxerin, mit der er sich rosige Zukunftsträume ohne finanzielle Schwierigkeiten ausrechnen möchte, greift zu. Ana Paula lässt es krachen. Jetzt muss der Stoff erst mal wieder unter das Volk gemischt werden. Ohne wirkliche Spuren zu hinterlassen. Nur die Leute, denen das Gelumpe „gehört“ eigentlich gehört, wissen ganz genau, was ihnen da durch die Lappen gegangen ist. Und hier beginnt eine Suche. Was folgt… Ana Paula hat keine Skrupel und schert sich auch keinen Augenblick darum, irgendwelche Grenzen zu respektieren. Sie schreibt frank und frei, von der Leber weg. Und ihr farbenfroher Weg durch die Literatur beweist, sie ist ein Kind der Punkmusik. Respekt vor der Schriftstellerin, die sich hier Themen zuwendet und Situationen kreiert, die kein Tourist sehen würde wollen. Wir haben ja noch den Kolonialismus im Sinne, der uns, als Reisender mit der fetten Kohle in der Tasche, besser macht, als den Rest der Welt. Und hier genau macht sie den Cut. Nicht wir sind ihr Thema, sondern die Menschen, die hier, in Brasilien, leben müssen. Mit allen Konsequenzen. Dass Ana das überspitzen möchte, macht das doch interessanter. Amadeu wird überfahren, stirbt. Seine Beute, schon in nagelneue Realscheine um getütet, harret der neuen Zukunft. Nur weiß keiner, wo das gebunkert ist und Amadeu hüllt sich, mit dem kleinen Zettel am Zeh und seinem abgefahrenen Ohr im Plastikbeutel, in der Pathologie, in ein Schweigen, dass man, ohne ein Medium hinzu zu ziehen, wohl nicht mehr zur Aufklärung bringen wird. Besser könnten die „Death Kennedys“ das auch nicht darstellen. Kann man mal sehen, dass auch Bands des Punks in Brasilien ihren Vorbildern in nichts nachstehen, sondern sogar noch übertreffen. Und Ana Paula Maia, die hier spielend, alle Contenance beiseitelässt, um ihre Geschichte zu präsentieren zieht konsequent mit. „Krieg der Bastarde“ ist ein ganz ungewöhnliches Teil. Tipp, Lesen! Solltet Ihr zögern, fragt Max Cavalera, der wird Euch das Teil auch warm an die Augen legen wollen. Metal-Musiker haben ein großes Herz. ISBN 978-3-426-30421-1 232 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A) |