BUCHCOVERREZENSION
Jemisin.n.k ZerrisseneErde

N.K. JEMISIN –

Zerrissene Erde

Für diejenigen, die trotz aller Bemühungen, um Respekt kämpfen müssen, den andere einfach so erhalten? Schönes Vorwort. Nur, wenn man um Respekt kämpfen muss, den andere einfach so erhalten, dann ist doch etwas falsch auf dieser Welt. Zwei Leute machen den gleichen Job. Der eine ist anerkannt und der andere muss kämpfen? Da läuft so einiges auf eine schiefe Bahn. „Zerrissene Erde“ ist kein einfacher Fantasie-Roman aus dem Discounter-Warenregal, Frau Jemisin hat hier mehr im Hinterkopf. Wenn man Vorgesetzte hat, die der Vetternwirtschaft huldigen und Nasenpolitik an die Tagesordnung bringen, deren Folgen man am eigenen Leibe spürt, dann kann man N.K. Jemisin bedingungslos folgen. Da sind die Menschen, die alles machen, um im Vordergrund zu stehen. Die nach oben buckeln und nach unten treten werden. Derweil sich ein anderer, der sich nicht vordrängeln möchte, und auch nicht alle Verantwortung auf andere abschiebt, sondern sie selbst übernimmt, weil er oder sie andere Ziele im Sinn haben. Nicht wie vorgenannte, die nur delegieren, um, auf Kosten anderer, hinterher die Lorbeeren zu ernten, und sich noch als Held feiern lassen wollen. Im Film „10.000 B.C.“ erklärt der „Große Jäger“ der Jagal, Tik`Tik seinem Ziehsohn D´leh die Kreise, die ein Mensch um sich herum ziehen will und wird. Wie dessen wirklicher Vater, der „Verräter“, es getan hatte. Und hier wird offensichtlich, dass diejenigen, die um Respekt kämpfen müssten, aber es nicht wirklich tun, weil sie anders denken, immer die größeren Kreise ziehen wollen und werden, für alle. D`lehs Vater, ein Revolutionär, auch wenn er auf verlorenem Boden kämpfte, war seiner Zeit jedoch weit voraus. Tik`Tik war nicht nur der Jäger und der Ersatzvater für einen Menschen, der, bedingungslos, seiner Liebe und seiner Bestimmung folgte, und damit seinem Vater nur zu ähnlich sieht, sondern auch ein Philosoph, auf dem Stand der Jäger und Sammler einer Urgesellschaft, die sich langsam zu Ackerbauern und Viehzüchtern entwickeln will. Er war ein weiser Mann. Heute sind wir zwar technisch viel weiter, nur seine Weisheiten haben sich, bis heute, bewahrheitet. Heute unterscheiden wir uns von unseren Vorfahren nur dadurch, dass wir andere Artgenossen noch effektiver leiden oder/und töten lassen können. Und unsere Umwelt noch aggressiver ausbeuten. Die Weisheit ist verloren gegangen. Frau Jemisin will sie wieder holen. Dass sie das Medium der Fantasy dazu nimmt, um eine klare Aus- und Ansage dabei zu machen, ist nur zu verständlich. Wer würde heute auch trockene Theorien lesen wollen, wenn Hartz-VI-TV wieder „spannende“ Themen und Dschungelcamps anzubieten hat. Wo A-, B-, und auch weitergehend alphabetisch absteigende Promis wieder beweisen wollen, dass man nicht arbeiten muss. Es könnte ja reichen, sein Haustier in die Kamera zu halten und die eigene Dummheit in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schlimm ist doch, dass man, genau das, nicht sehen will. Hier wird man Teil einer diskriminierten Personengruppe, deren Verzicht auf Fernsehen, eigentlich nur dessen Nicht-Bezahlung eine Verfolgung als Straftat! nach sich zieht, was vom diesem Staat sogar noch jubelnd subventioniert wird. Der Verzicht auf die Glotze wird zwar nicht bestraft, die Fron muss man trotzdem leisten. Zahlst Du nicht, bist Du ein Nazi, ein Reichsbürger, oder ein sonstiges kriminelles Element, mit der Vorliebe sogar, dass man auch ein Marxist und Kommunist sein könnte, oder auch ein unbelehrbarer Jude, der nicht nur das Opfer des NS-Regimes sein will und damit ein Fanal darstellen soll, sondern aktiv am gesellschaftlichen Leben, ohne Vorurteile gegenüber anderen, einfach nur ein Mensch sein möchte. Ein Taoist, der eigentlich nur seinen Frieden in der Meditation sucht, jedoch über Kampftechniken verfügen könnte, mit einem Teppichmesser ganze Flughafensicherheitssysteme lahmzulegen. Oder ein ganz böser Islamist, der an seinem Dorfteich friedlich vor sich hin ackert, seine Ziegen und Schafe tränkt und pflegt, aber, im Hinterkopf einen neuen 11. September hat? Dass er dazu eine niet- und nagelneue Sony-Videokamera bräuchte, die er käuflich zu erwerben nicht in der Lage ist, interessiert kein Schwein. Den Feindbildern dieser Staatsgesellschaft sind hier keine Grenzen gesetzt. Zahlst Du die GEZ nicht, bist Du der Staatsfeind Nr.1. Da stehen sogar Terrorismusabwehrpläne im Hintergrund. Und die Werbung sorgt dafür, dass auch wirklich jeder, aktive Nichtglotzer, sein Fett weg bekommt. All diese Vorurteile münzt N.K. Jemisin in einen krassen Fantasy-Roman um. Eine Mutter sucht nach ihrem Kind. Nachdem ihr Lebensgefährte ihren gemeinsamen Sohn getötet hat, macht er sich aus dem Staub und entführt die Tochter. Mutter ist begabt, Vater nicht. Der kleine Sohn war auch ein Mensch mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, darum musste er sterben. Der eigene Vater konnte das nicht verstehen, hielt seinen eigenen Nachwuchs für eine Plage. Den Gefühlen der Mutter gegenüber ist er emotionslos resistent. Eine Grenze wurde überschritten, die nicht mehr überbrückbar ist. Frau Jemisin hat den Rubikon überquert, da war sie wohl nicht allein. Im Gegensatz zu Julius Cäsar, hat sie das aber ohne Würfel hinbekommen. Und eine Kampfansage gemacht, gegen kleingeistiges Denken.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52178-6 473 Seiten 14,99€ (D) 15,50€ (A)