BUCHCOVERREZENSION
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JUTTA MARIA HERRMANN –

Wähle den Tod

Jutta Maria Herrmann operiert immer am Rande des Wahnsinns. Egal, ob am offenen Herzen oder am Gehirn, Frau „Dr.“ Herrmann gibt weit mehr, als hundert Prozent und ihre Operationen sind immer spektakulär. Manchmal macht sie auch die Archäologin, geht graben. Buddelt dabei Gestalten aus, da ist die „Mumie“ noch ein gern gesehener Gast, zur Weinverkostung. Ihre Figuren möchte man nicht einmal in einer Entfernung von einem Kilometer Luftlinie um sich herum haben. Lieber noch, auf einem anderen Kontinent verfrachtet sehen. Was Jutta so manchmal auf der Schippe hat, sollte man besser gleich auf einer einsamen Insel aussetzen, vorzugsweise ohne Fauna und Flora, da solche Leute auch Tiere töten werden, nur zum Vergnügen, und keinen Halt machen werden bei hilflosen Objekten, wie Pflanzen es sind. Mit Daniel Defoes Buch „Robinson Crusoe“ als Lebensanleitung? Vielleicht könnte dann noch eine lebenswerte Alternative dabei heraus kommen? So, wie sie manche ihrer Figuren auf andere hetzt, kann das aber nichts werden, zumindest nichts Gutes. Für die Zielperson. Doch lieber einen Tierarzt aufscheuchen und ihre Brut einschläfern lassen? Besser wär´s. Einen guten Rat hat sie auch noch in petto. Baut Euer Leben nicht auf Lügen auf, das kann nur entsetzlich schief gehen. Arm und ehrlich ist doch (eindeutig!) die schönere Variante eines Lebens, als reich und tot. Und glaubt es, die Vergangenheit kann zwar geduldig sein, zwischendurch auch mal shoppen oder ins Kino gehen, aber, sie wird Euch einholen, gnadenlos. Und wenn die gestörte Gestalt, die Frau Herrmann hier ins Spiel bringt, den Kilometer Luftlinie oder auch die Kontinente überwunden hat, dann kann man froh sein, nur eine Gänsehaut zu bekommen. Es sei denn, Jutta hat Euch das Angebot gemacht, Haupt- oder Nebendarsteller bei ihr zu sein und Ihr ward so dämlich, das anzunehmen. Dann seid Ihr nämlich am Arsch. Überweist Euer Honorar, wenn Ihr denn welches bekommen habt, an Eure Nachfahren, solange Ihr das noch könnt. Ups, Frau H. hat keins gezahlt? Welch ein Wunder. Die Honorare kann sie sich ja auch sparen, tote Menschen brauchen kein Geld mehr. Jutta Maria Herrmann zeigt, wie man einen Psychothriller perfektioniert. Dagegen verblassen andere Namen zu Mauerblümchen, Märchenerzählern, Gestaltern von Kindermalbüchern und Kochbuchautoren. Warum man immer irgendwelche Namen favorisieren möchte, wird so manchen Menschen dieser Welt wohl ein Rätsel bleiben. Frau Herrmann schlägt sie alle. Um Längen, die sich nur in astronomischen Einheiten berechnen lassen werden. Mit allen ihren Büchern. Dieses hat noch ein richtiges Sahnehäubchen. Seid froh, dass Ihr nicht die Protagonisten darstellen müsst. Wenn doch? Zerreißt den Vertrag, geht zum Sozialamt und lebt. Lasst Jutta machen, was sie will, aber haltet Euch raus. Sie findet immer ein Opfer, das sie den Lesenden und Lebenden präsentieren kann und wird. Da wäre es, empfohlen, besser ganz weit weg zu sein. Vor ihren Seiten zu sitzen und nicht mittendrin, sollte der eigenen Gesundheit doch einen gewissen Vorschub leisten. Keine Krankenkasse, dieser Welt, wird das Risiko übernehmen, einen Arbeitnehmer bei Frau „Doktor“ J.M.H. zu versichern. Risikolebens- oder auch, Sterbe-Versicherungen werden sich strikt weigern, hier überhaupt einen Vertrag zu machen, sie verlieren ja sofort. Bei Jutta hat so mancher Klient ja nicht mal wirklich die Zeit, den ersten Beitrag einzuzahlen. Jana Schmidt hat ihr früheres Leben in die Mülltonne verfrachtet und sich nach der Grenzöffnung aus ihrem Provinzkaff verdünnisiert, erst Westberlin, später Griechenland, wo sie jahrelang bleibt. Hat, sporadisch nur, aber immerhin, noch Kontakt zu ihrer zurückgelassenen Familie, der später dann ganz versiegt. Jana hat den Cut zwar nicht wirklich freiwillig gemacht, war jedoch, aus ihrer Sicht unumgänglich. Hat Gründe gehabt. Jetzt ist sie Jana Langenfeld, stolze Mutter von zwei Kindern, deren Vater Hannes Langenfeld ist, ein Politiker mit Ambitionen. Das Familienfellbündel auf vier Beinen, aus dem Tierheim befreit, rundet die Idylle ab und alle sind zufrieden. Außer Jutta und das gestörte Wesen, das jetzt alle Horizonte in tiefste Dunkelheit versinken lässt. Jana hat ihre Lieben über ihr Vorleben im Unklaren gelassen. Ihr Leben basiert auf einer Lüge und Selbstbetrug. Eine Affäre hat sie auch noch. Die will sie zwar jetzt beenden, aber geschehen ist passiert. Grund genug für das Doppelgespann, Schriftsteller und Bösewicht, den Psychoterror zu eröffnen. Als erster muss Bennie dran glauben. Der Vierbeiner war alles andere als misstrauisch und für einen Wachdrachen eine komplette Null, soll sich aber trotzdem tapfer gewehrt haben. Welch ein Trost für den Hund, hier als ein Held zu sterben, für etwas, dass er weder konnte oder auch nur, ansatzweise wusste. So grausam können nur Schriftsteller und Psychopathen sein. Die sich jetzt stellende Frage lassen wir erst mal, zugunsten der Schreiberlinge, lieber unter den Teppich fallen. Stattdessen und jetzt reinen Tisch zu machen, lügt Jana weiter. Vor allem ihre Kinder an. Und das kann Jutta nun gar nicht leiden, obwohl sie ihre Figur sogar noch dazu anstiftet. Das nennt man wohl auch Doppelmoral. Es ist schon etwas komisch, wenn ein Federmaxe mal der einen, mal der anderen Seite etwas einflüstert, nur um die Kontrahenten gegen einander aufzuhetzen, die, dabei jegliche Vernunft ignorieren werden. Perfektion kann man nicht verbessern? Selten so gelacht. Jutta Maria Herrmann macht das spielend. Ist ja auch nicht ihre eigene Familie, die sie hier ins Kreuzfeuer schickt. Da kann man sich, als Federkünstler, ganz entspannt zurücklehnen. Jutta Maria Herrmann hat eine neue Dimension eines Psychothrillers angedacht, der jeden Tag Alltag ist, uns immer begleiten wird, so grausam, wie nur wir „Menschen“ seien können.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51998-1 301 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

JUTTA MARIA HERRMANN – Amnesia – Archiv Juni 2017