BUCHCOVERREZENSION
Lancewood.m InDerWildnisBinIchFrei

MIRIAM LANCEWOOD –

In der Wildnis bin ich frei

Bei der Lektüre dieses Buches kommt einem dann doch der eine und andere Gedanken, der, ohne dieses Buch, wahrscheinlich ein Schattendasein im Hinterkopf gefristet hätte und, ohne sozialversicherungstechnische Unterstützung, verhungern würde. Man beschäftigt sich ja nicht wirklich jeden Tag damit, seinen Schlafsack in Neuseelands freier Natur auszurollen, wo sich die heimische, wie auch zugezogene, Fauna und Flora ein Stell-Dich-Ein gibt. Die gesellschaftlichen Anforderungen an Partygäste jedoch überschaubar bleiben sollten, ist ja keiner da. Aber eines nach dem anderen. Miriam Lancewood und ihr Lebensgefährte Peter versuchen es zumindest mal, in der freien Natur zu überwintern. Ohne Geld, festen Wohnsitz, Zivilisation. Auch in der Heimat der Maori kann das auch recht frostig werden, nicht nur in Skandinavien, Alaska, Sibirien oder am Südpol. Und ernährungstechnisch sollte man darauf vorbereitet sein, sein Essen nicht aus der Plastikverpackung zu knubbeln, die einem ein Verfallsdatum suggerieren will, das man durchaus auch ignorieren könnte, sondern, und das ist gewiss! man seiner tierischen Nahrung bei dem Tötungsdelikt in die Augen schauen muss. Hier hätte man sich besser vorbereiten sollen, als nur einen Roman über Robin Hood zu lesen. Die Jagd, nicht nur mit Pfeil und Bogen, sondern im Gesamten, will von Grund und Boden erlernt sein. Sonst ist das Tier nicht Teil einer Nahrungskette, sondern nur ein leidendes Opfer. Das erste Possum, von Miriam Lancewood mit einer Falle gefangen und erlegt, dürfte sich vorgekommen sein, wie ein Delinquent in den Folterkammern der Heiligen Inquisition der katholischen Kirche. Dabei war die Frau vorher Vegetarier. Immerhin soll der Eintopf schmackhaft gewesen sein. Welch ein Trost für das Possum. Unsere Hauskatze, die, trotz „zivilisierter“ Lebensverhältnisse, an die sie gewöhnt ist, sich in solchen Gefilden besser schlagen würde, als jeder Hominide, hätte das gnadenvoller hinbekommen. Nur, ob sie auf ihren Platz neben der Leseleuchte und auf dem Schosse des Bücherkonsumenten verzichten würde, da könnte doch so manche Diskussion losgetreten werden. Wenn man eine Katze in der Wohnung hat, die man ihres angestammten Platzes berauben möchte, dürfte diese Diskussion wohl nur zum Nachteile des Neu-Robin-Hoods enden. Und, wahrscheinlich, mit üblen Kratzern und Bisswunden. Und, viel schlimmer… man beraubt sich selbst der aktuellen Literatur. Dieses Buch gibt dennoch Gedanken frei. Die, ohne einen solchen Anstoß in der Versenkung verschwinden würden, da die heutigen Gesellschaftsordnungen solche Überlegungen ad absurdem führen wollen. Einzelindividuen, die außerhalb der kapitalistischen Fresswirtschaft leben wollen, sind gesellschaftsschädlich, da sie nicht zum Profit einzelner beitragen wollen, die ihre Gewinne auf den Knochen anderer begründen. Deren Existenz sie nicht wirklich wahrnehmen, oder wenn doch, damit erpressen werden, um im Gesellschaftsbild vakant zu sein, den ewigen Trott weiterzumachen. Um, im Endeffekt, doch nur das Wasser auf den Mühlen der „Macher“ zu bleiben. Da diese menschenverachtende kapitalistische Profitmaschine keine Veränderungen zum Allgemeinwohl für alle zulassen wird!!! Hatten Karl Marx und Friedrich Engels schon bewiesen. Dieses Buch versucht jedoch den Aussteiger. Die Natur gibt und nimmt, ist ein ewiger Kreislauf. In dem wir nur kleine Staubkörner sind, gleichberechtigt mit den anderen kleinen Staubkörnern, die uns jeden Tag über den Weg laufen. Der Kapitalismus ist das krasseste Gegenteil davon. Jeden Tag und von jedem, der nicht in seine Kreise gehört, verlangt er DIE Lebensenergie. Was heißt, von sieben Milliarden Menschen müssen 99 Prozent jeden Tag geben und bekommen nichts dafür. Und nur das eine Prozent, was davon profitiert, macht sich dafür stark, jeden Tag zu nehmen, unseren Planeten auszubeuten und uns Angst zu machen. Miriam Lancewood wird jetzt nicht zu einem neuen Karl Marx, der eine Revolution vorhersagt, sie ist auch keine neue Prophetin, weder des Taoismus oder Zens und mit Friedrich Engels hat sie auch nicht viel am Hut. Sie ist die Aussteigerin, die jetzt das Leben in freier Wildbahn kosten will, ohne Rechnungen, die nur andere reich machen werden, ohne Belastungen durch Besitz. Dafür den Umgang mit Pfeil und Bogen erlernen will, Robin Hood lässt grüßen und der war ja ein unbestrittener Meister in dieser Kategorie. Auf den Pfaden der alten Maori schnuppern möchte. Als der „Weiße“ Mann kam, hatten die Ureinwohner Neuseelands ja auch ein Leben, das, garantiert, glücklicher war, bevor er in ihren Gefilden eintrudelte, und da kann mal wohl jede andere beliebige Region dieser Welt mit einschließen. Alles was sie jetzt hat, ist ihre Verbundenheit und Liebe zu Peter und der Inhalt ihrer Rucksäcke und der Weg unter ihren Füßen, der den Vagabunden der Zivilisation jedoch mehr Schönheit einer Natur zeigt, die authentisch ist. Origineller, als es jeder professionelle Freizeitpark könnte. Diese Philosophie ist zwar etwas blauäugig, hat aber einen gewissen Reiz. Was wäre, wenn plötzlich sieben Milliarden Menschen sich in der Wildnis treffen wollen, um den Kapitalisten mal den dicken Daumen oder den Mittelfinger zu zeigen. Wie lange würde es dauern, wenn sieben Milliarden Menschen nur noch vom Pilze sammeln leben und Tee aus Naturkräutern trinken wollen, bis die wahnsinnige kapitalistische Gewinnmaximierung zusammenbrechen würde und die Natur sich ihr Recht zurückholt? Postapokalyptische Darstellungen gibt es ja genug. Wir essen nur, was wir brauchen, um zu leben, verbrauchen nur, was nötig ist. Und hier hätte man schon die nächsten Kritiker. Die zivilisationsabhängigen Smartphone-Benutzer. Denen man, mit der Wegnahme eines solchen Gerätes, ein Körperteil amputieren würde, sie, vermutlich, in den Suizid treiben wird. Oder Menschen ,die heute noch daran glauben, dass der Weihnachtsmann in Rot-Weiß gekleidet ist. Was ja nicht mehr oder weniger eine Werbekampagne von Coca-Cola aus dem 19. (neunzehnten) Jahrhundert war und heute auch noch ist. Nun ja, die Natur würde es verschmerzen können.
(Knaur)

ISBN 978-3- 426 - 21438 -1 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A)