BUCHCOVERREZENSION
Franz.Holbe KalterSchnitt

ANDREAS FRANZ & DANIEL HOLBE –

Kalter Schnitt

Andreas Franz war ein engagierter Schriftsteller, ohne Frage. Seine Figuren haben einen Wiedererkennungswert ohne gleichen und einen Erben, genau diese am Leben zu erhalten, hat Andreas ja auch. Für die Frankfurter Kommissarin, die, wie viele ihrer Fans, auf Salamibrot und Dosenbier steht, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, kann jetzt ihren siebzehnten Fall aufrollen, dank eines besonderen Autors, der in den Fußstapfen von Franzen recherchiert, damit der Leser nicht auf Julia Durant verzichten muss. Daniel Holbe! Auch Frau Durant kann sich freuen, weil sich der treue Leser, bei oben genannter und ganz gesunder Kost, da mit leichten Gemüseanteilen angereichert, auch jetzt wieder in ihrem Leben tummelt, auch wenn er sich nicht in ihr Privatleben einmischen wird, so wie es der Literat tut, aber mitfiebern ist schon ganz groß geschrieben. Wahnsinn, welchen Horror Daniel Holbe entfesselt. Herr Holbe leuchtet in einen Schacht, unmenschlicher Perversität, die einem spontan dazu aufrufen lassen wird, dieser Gesellschaftsordnung den Rücken zu kehren, da zwar die Polizisten und auch andere engagierte Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden sich hier voll ins Zeug legen und auch ihr Herzblut in die Ermittlungen legen, den Delinquenten dingfest zu machen, aber ihre Bemühungen meist davon gekrönt sind, das man dem Verbrecher, im Nachfeld, mehr Rechte einräumt, als seinen Opfern. Klarer Fall für die Möchtegernjuristen. Der Täter lebt ja noch und könnte eventuell, nach so mancher Kur oder Reha-Maßnahme, noch einmal ein nützliches Werkzeug der Demokratie werden, wobei bei dem Opfer, jetzt tot, natürlich Hopfen und Malz verloren sind. Das hat das Opfer nun davon, warum musste es auch sterben. Gerade im Verbrechensbereich gegen Frauen ist diese Meinung weit verbreitet und einfach nur verachtenswert. Nur will die Demokratie hier wieder sparen, polizeiliche Ermittlungen auf ein Minimum reduzieren. „Schicksale wie das von Margot Berger gab es zu viele. Und die Gesellschaft scherte sich einen Dreck darum“. Herr Holbe steigt auf die Barrikaden und macht sich richtig Luft. Frauen werden getötet, sexuell verstümmelt. Der Täter reitet von einem Höhepunkt zum Nächsten und keiner hält ihn auf. Keiner will ihn kennen und keiner will etwas gesehen haben. Der Lappen hält sich für die Botschaft Gottes, die Rechtsprechung in eine andere Form zu bringen, zu strafen, sprich Macht über sein Opfer zu haben, dem er jedes Recht abspricht, zu leben. Es muss sterben, weil er sich dadurch besser fühlt, seinen Zenit ausleben kann. Daniel Holbe ist bestimmt kein Mensch, der vorschnell urteilt, Franzen war das auch nicht. Manchmal werden Opfer zu Tätern, nur könnte man da, im Vorfeld, viel verhindern, wenn derjenige, der benachteiligt wurde, das auch einsieht, sich beispielsweise dem Weißen Ring anvertrauen würde. Dann wäre eine Reha auch sinnvoll. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, so lange Seile gibt es nicht, es wieder herauszuholen. Die Spirale der Gewalt, wie hier von Daniel hammerhart aufgezeichnet, wird sich selbst nicht mehr einholen können und der, jetzt, Triebtäter, wird weiter machen wollen, bis zum bitteren Ende, für seine Opfer. Und, hoffentlich früher als später, auch für sich. Julia Durant hat Vollbeschäftigung, alle anderen Mitarbeiter auch, keine Diskussion. Tagtäglicher Wahn für unsere Gesetzeshüter, denen Daniel Holbe hier dokumentiert, voll im Amt zu sein. Als Bücherjournalismus, wie man ihn, garantiert nicht aus der Alltagspresse, nachvollziehen wird oder kann. Wo man Verbrechen, die es nicht auf die Titelseiten schaffen, nach unten fallen lässt. Oder sich selbstgerecht darüber auslässt, die Opfer wären selbst schuld, solange es einen nicht selbst tangiert. Andreas Franz dürfte hier einer gemeinsamen Meinung sein, mit seinem Erben Daniel Holbe, der hier engagierte Zeilen sehen lässt und sich auch dafür ausspricht, nicht weg zu sehen. Was er auch in seinem Nachwort noch ausdrucksstark untermauert. Der Mann hat´s drauf, einer der besten Schriftsteller zu sein, die wir heute lesen wollen und uns dahin gegen wehren werden, das man Menschen das Recht auf Leben abspricht. Scheißt auf die Wirklichkeit, die so grausam wie menschenverachtend ist, wie unsere Gesellschaft. Daniel Holbe hat hier ein Plädoyer für benachteiligte Mitbewohner hingelegt, die sich nicht wehren können, und, in unserer Gemeinschaft auch keine Stimme bekommen werden. Weil diese Demokratie sich ihrer Pflichten entzieht, sich lieber lauthals und mit vielen Worten, ohne wirklich etwas zu sagen, lieber selbst feiert.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51650-8 409 Seiten (+ Nachschlag) 9,99 € (D) 10,30 € (A)

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