BUCHCOVERREZENSION
Tsokos.m Zerbrochen

M. TSOKOS / A. GÖSSLING –

Zerbrochen

Nach der Lesung am 11.04.2017 im „Berliner Ensemble“ am Bertold-Brecht-Platz mit Michael Tsokos zu diesem Buch, muss man eines klar- und richtigstellen. Fred Abel ist ein Rechtsmediziner und („kein“) Pathologe. Der Irrtum, wie in den vorangegangenen Rezis beschrieben, liegt beim Herausgeber dieser Seite. Dafür Entschuldigung! Dazu jedoch mehr im Spezial „Lesung mit Michael Tsokos“. Das hier soll ja eine Buchrezension werden. Und dieses Buch ist, gleich seinen Vorgängern, wieder voll eingeschlagen. Obwohl alle drei Bücher um den Rechtsmediziner Fred Abel von dem gleichen Team geschrieben wurden, unterscheiden sie sich doch ganz klar in ihrer Linienführung, sind aber gerade deswegen ebenso lesenswert, wie auch spektakulär. In „Zerbrochen“ muss sich Fred Abel, nach einem fast tödlich endenden Angriff auf seine Person, erst einmal wieder in sein Leben zurückfinden. Und da warten so einige Überraschungen auf ihn, sowohl positiv als auch negativ, sprich, verzichtbar für den Leser. Als Romanfigur kann man sich da schlecht wehren. Positiv ist, er hat Kinder, die Zwillinge Manon und Noah, von denen er bis vor kurzem noch nichts wusste. Gut, seine Affäre mit Claire liegt auch schon ein paar Jahre zurück, scheint jedoch, mit der Existenz seines Nachwuchses, die Zeit überdauert zu haben. Seine Kids sind Feuer und Flamme für ihn, kommen ihn auch in Berlin besuchen. Und seine jetzige Lebensgefährtin Lisa geht mit diesem Umstand sehr diskret und auch hilfreich um. Noch ein weiterer Pluspunkt, Lars Moewig aus „Zerschunden“ taucht wieder auf. Lars ist … Quadratisch, praktisch, gut. Mit diesem Mann im Rücken fühlt sich Fred viel sicherer. Bei dem, was das Autorenduo auf ihn zurollen lässt, sollte man sich jedoch fragen, ob das nicht eher eine trügerische Hoffnung ist. Unsere beiden Schreiberlinge haben sich was ganz besonderes ausgedacht. True Crime. Berlin wird nicht nur von Wetterhoch „Boris“ heimgesucht, auch der „Darkroom“-Mörder treibt gerade sein Unwesen. Soweit der eine authentische Fall, den Michael und Andreas hier mit einarbeiten. Der Fred Abel so richtig in die Flanken fährt. Somit ist Vollbeschäftigung angesagt und dabei ist er, sprichwörtlich, gerade erst aus dem Koma erwacht. Sein Nachwuchs, gebürtig in der Karibik, Guadeloupe, wo Muttern ja zu Hause ist, tobt gerade durch Berlin, gütig ab genickt durch Lebensabschnittsgefährtin Lisa, die das dann doch entspannter sieht, als so manch anderer das machen würde. Soweit heile Welt. Und dann schlagen Micha und Andi richtig zu. Noah und Manon werden entführt. Fred Abel, der ja so schon auf dem Zahnfleisch kreucht, sieht sich in einer Situation, die man nur als unerträglich bezeichnen kann. Gut ist, dass, man als Leser, ganz entspannt, mit Katze auf dem Schoß und Dosenbier in der Hand, in hinterer Front, vor den Seiten sitzt. Fred Abel hat dieses Privileg nicht. Seine Kids befinden sich in der Gewalt eines völlig durchdrehenden, machtverblendeten Möchtegerngroß, der sich durch seine Methoden, diese Welt zu durchstreifen, doch von so manchen unserer Nachbarn unterscheidet. Und das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Als Menschen kann man solche Vollhorste nicht mehr bezeichnen. Seine Urheber sind zwar nicht unsere Autoren, die irgendwie der Meinung sind, Fred ist ein Vogel und hauen ihn, schon als Ei, richtig in die Pfanne, sondern solche Gestalten wachsen, in Reinkultur, in jedem Kulturkreis heran, wenn man dann wegschaut. Sie gewähren lässt. Die Herren Tsokos und Gößling schreiben knisternd spannend, atemberaubend und in einem Tempo, wo das Wort Bremse keine Bedeutung hat. An selbiger kann es nicht gelegen haben, ist ja eine drin. In rasender Geschwindigkeit jagt ein Höhepunkt den nächsten, wobei das aus Sicht von Herrn Abel wohl eher heißen sollte, ein Tiefpunkt  drückt dem folgenden die Klinke in die Hand. Tja Fred, soviel zu dem Thema, man hat fünf Minuten in der Öffentlichkeit und im Rampenlicht, als Romanfigur. Wenn man dieses Buch gelesen hat, wird man nachdenklich, was für Gestalten unser Sonnenlicht verfinstern und kann verstehen, dass Fred Abel in den Sack hauen möchte. Sich von seinen geistigen Vätern verabschieden und trennen will, um sein Leben mit Lisa und seinem neuen, wie altem Nachwuchs zu genießen. Fred! Das wird nicht wirklich Deine Entscheidung sein. Da sind ja noch zwei andre. Blutsauger. Die Dich ausnutzen wollen. Da kannst Du nur hoffen, dass die beiden in Zukunft zu beschäftigt sind, um Dich wieder auf der Pfanne zu kokeln.  Für den Leser wäre das allerdings nur suboptimal.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51970-7  419 Seiten     14,99€ (D)  15,50€ (A)

M. TSOKOS / A. GÖSSLING – Zersetzt – Archiv Februar 2016