BUCHCOVER | REZENSION |
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LINWOOD BARCLAY –LügenfalleHerr Barclay ist auf einem Höhepunkt, den er jedoch spielend wieder einholen wird. Davon kann man zumindest ausgehen. Der Mann steigert sich von Buch zu Buch, so dass man sich eigentlich nur zurücklehnen braucht, um auf sein nächstes Meisterwerk zu warten, in dem er seine Protagonisten wieder leiden lässt, mit weiteren Steigerungen, bis der Arzt kommt. Wenn der allerdings von Linwood auch schon unter die Dusche geschickt wurde, dann kann diese Wartezeit länger werden. Schon im Auftakt seines Dreiteilers hat er es krachen lassen und jetzt hat er etwas ganz Besonderes vor. Der Schelm. Die Psychopathen, die er auf die Menschen in Promise Falls loslässt, scheinen, entweder, auf Bäumen nachzuwachsen, oder er pflanzt sie selbst an. Oder seine Bücher sind einfach nur ein Spiegel unserer heutigen Gesellschaft, die immer losgelöster von der unserer eigentlichen Realität scheint. Als Auftakt bricht erst mal der nationale Notstand in dem „verschlafenen“ Städtchen aus. Da war jemand in den örtlichen Wasserwerken und hat das kostbare Nass in etwas verwandelt, das man nur noch als Gift für biologische Lebensformen bezeichnen kann. Wer früh aufsteht, um sich am Leitungswasser zu bedienen, für seinen Morgenkaffee, -tee oder auch nur den Zahnputzbecher, wird von Linwood voll auf dem linken Fuß erwischt. Die Notaufnahme des Krankenhauses ist komplett überfordert, die Rettungssanitäter fahren, Formel-I-verdächtig, durch die Stadt, um so viele Menschen, wie nur möglich, einzusammeln, wobei das häufig vergebene Liebesmühe ist. Menschen sterben, weil einer ihrer Artgenossen völlig ausgetickt ist. Entweder sollte man später aufstehen und erst die Nachrichten in sich einsaugen oder gleich auf Wasser in Flaschen zurückgreifen. Herr Barclay ist in absoluter Höchstform. Nur, warum wird man nicht glauben, dass es bei diesem Massaker bleibt. David Harwood hat Schwein, da er für Flaschenwasserhersteller Finley arbeitet und dessen Produkt sich in seinem Haushalt etabliert hat. Cal Weaver wohnt noch außerhalb und Sheriff Barry Duckworth hatte keine Zeit für eine morgendlich erfrischende Tasse Kaffee. Improvisierend wird Nachbarschaftshilfe organisiert, „Trinkt kein Leitungswasser!“. Die zwei erstgenannten tummeln sich, aber teilweise, irgendwie unorganisiert, während der gute, alte Barry, auf den ja immer Verlass ist, wie auf eine Schäre in der Ostsee, abgeschliffen in den Jahren der Zeit, doch immer noch das fließende Wasser ausbremsend, etwas abgeklärter den Kampf gegen den jetzt, über Promise Falls, hereinbrechenden Wahnsinn aufnimmt. Herr Barclay ist da ganz entspannt, im Gegensatz zu den Menschen, die in den Vorhof der Hölle blicken müssen und schon Satans Klingelschild vor Augen haben, dass aber Autofunktion hat. Man muss nicht mehr selbst drücken, das hat schon jemand getan. Linwood Barclay packt jedoch noch drauf, da kann er richtig zum Fiesling werden, aber, das ist ja nichts Neues. Nur steigert er sich, spiralförmig in Richtung nach oben, und es scheint für ihn, dahingehend, keine Grenzen zu geben. Auf dem Collegegelände, das ja auch schon berüchtigt ist, passiert ein Mord an einer Studentin, bei dem der Modus Operand nur zu bekannt ist. Wenn man bei Barclay denkt, das muss es doch gewesen sein, wird man vom Autor immer wieder eines Besseren belehrt. Er kann noch mehr. Rundum zieht er ein Schreckensszenario durch, da kann man sich nur wundern, womit er seine Nebendarsteller geködert hat, bei ihm mitzuspielen, da sich deren Halbwertzeit auf ein Minimum beschränken wird. Die Bevölkerung von Promise Falls, zumindest der Rest der überlebt hat, dürfte bei dem Gedanken an Linwood Barclay hektisch und angstvoll zusammenzucken und sich in Fluchtgedanken üben. Sollte er sich einen vierten Teil überlegen wollen, dann steht er so ziemlich allein auf den Straßen einer Geisterstadt, deren Einwohner die Fremde vorziehen werden, als nochmals Zielpunkt seiner Phantasie zu werden. ISBN 978-3-456-51870-0 490 Seiten 12,99€ (D) 13,40€ (A) |