BUCHREZENSIONEN

KATHARINA FUCHS –

Lebenssekunden

Bei Katharina Fuchs kann man getrost sofort zugreifen, ihre Geschichten stehen immer auf dem höchsten Niveau. Einfühlsam und bildgewaltig. Deutschland ist geteilt und der Kalte Krieg ist in vollem Gange, wir schreiben das Jahr 1956. In Kassel lebt die Schülerin Angelika Stein. Ihr besonderes Hobby ist die Fotografie und damals war das noch nicht so einfach, wie heute. Durch eine Schulreform wird sie jedoch, in ihrem Werdegang, jedoch weit nach hinten geworfen. Schwänzen ist angesagt. Es kommt zum Schulausschluss. Der neue Direktor ist sowieso der Meinung, das Mädchen nicht soviel Bildung brauchen, wobei einem klar sein sollte, aus welchem Jahrhundert er hervorgekrochen kam. Fortan geht Angelika ihren eigenen Weg sozusagen. Als ein Blindgänger an ihrer alten Schule explodiert, stirbt ihre beste Freundin und ihr Bruder wird schwer versehrt. Kurz darauf entdeckt sie ein Foto in einer Tageszeitung, das sie stark berührt und abstößt, da es reißerisch Folgen der Detonation zeigt, wie sie es nicht verstehen kann. Fotografien sollten Lebenssekunden einfangen und nicht Bilder zeigen von Tod und Verwüstung. In Ostberlin wird Christine Magold aufs Turnen geeicht. Sie ist talentiert und steht schnell im Fadenkreuz der sozialistischen Talentsucher. Den Trainingsmethoden sollte man jedoch sehr skeptisch gegenüber stehen. So wie sie hier beschrieben werden, sind sie eher inhuman und wohl mehr mit Folter zu vergleichen. Christine soll als Leistungssportlerin aufgebaut werden und, im Kampf gegen den kapitalistischen Klassenfeind, für das überlegene System des Sozialismus Medaillen gewinnen. Dabei schreckt der über griffige DDR-Staat vor nichts zurück. Erpressung scheint ein sehr probates Mittel. Die Schülerin kann dem nichts entgegen setzen. Katharina Fuchs verfolgt beide Lebensläufe über Jahre hinweg. Durch den Kalten Krieg, in zwei entgegen gesetzten Gesellschaftssystemen. Sie dokumentiert ein Stück Zeitgeschichte, wie es nur sie selbst kann. (Droemer)