BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

NICCI FRENCH –

Blutroter Sonntag

Manchmal sind Romanfiguren wie alte Freunde. Man trifft sie öfter mal. Es kann dann aber auch zu Missverständnissen kommen, vor allem dann, wenn man Frieda Klein wieder gegenüber steht, weil, wenn man Frau Klein als Freundin hat, braucht man keine Feinde mehr. Nicci French geben sich alle Mühe, genau diesen Eindruck zu vertiefen. Dazu zieht das Autorenpaar viele Register, die dem Leser so einige Schauer über den Rücken treiben werden. Es kommt ja nicht alle Tage vor, das man einem eine Leiche unter dem Fußboden im Wohnzimmer unterjubelt. Das Auffinden solcher Tatbestände könnte sich als recht verstörend heraus stellen. Okay, bei mir nicht wirklich, weil die Leiche dann im Wohnzimmer von dem Mieter unter mir wäre, obwohl das sich auch als ein Problem entpuppen wird. Wenn es soweit kommen sollte. Noch lebt mein Nachbar und wie ein Mörder sieht er auch nicht aus, gut, er kennt ja auch Nicci Gerrard und Sean French noch nicht. Frieda Klein, Psychologin, hat einen ganz persönlichen Feind. Dean Reeve. Stalker, Psychopath, emphatisch völlig von der Welt gelöst, Mörder. Die Leiche unter ihrem Teppich ist ein Detektiv, den Frieda beauftragt hatte, nach ihrem Alptraum zu suchen, da sie, entgegengesetzt zu der öffentlichen Meinung, der Auffassung ist, dass Reeve noch immer auf diesem Erdball wandelt und weiterhin sein Unwesen treibt. Das öffentliche Meinungen und persönliche Überzeugungen kollidieren können, zeigt die Corona-Krise ganz deutlich, nur ist es doch so, wie Til Schweiger es im Film „Eine andere Freiheit“ recht deutlich sagt, wer andere zensieren wird, hat Unrecht, und zwar nicht nur in Einzelfällen, sondern immer. Und Frieda Klein hat Recht behalten. Der Alp einer Generation treibt sich noch herum, auch wenn seine Pläne sich noch in morgendlichen frühen Nebeln und seinen ganz persönlichen Vorlieben für Ausführungen verstecken wollen. Und das Dean Reeve eigene Auffassungen vom gesellschaftlichen Spielen und Gemetzeln hat, steht außer Frage. Frau Gerrard und Herr French heben eine Polarisation hervor. Reeve will Frieda in die Knie zwingen, ganz klar, und dabei ist ihm jedes Mittel recht. Aber wenn sich jemand in seine Angelegenheiten einmischen will, dann wird das zu einer persönlichen Herausforderung. Frieda Klein ist sein Ziel, das er, und nur, er erlegen darf. Wenn sich also jemand darein hängen will, hat derjenige ganz schlechte Karten und da kann er oder sie noch so clever sein oder sich dafür halten. Als musikalische Untermalung sollte man sich Caladan Brood reinziehen. Das, absolut zeitlos agierende, Album „Echos of Battle“ zeigt einige Wege. Auch wenn das nicht ganz zum Inhalt dieses Thrillers passt, muss man sagen, das der gleichzeitige Konsum von Buch und Musik, beim Leser und auch, oder, gerade bei dem Katzentier, das sich wohlig auf dem Schoße räkelt und mitlesen möchte, einen Gute-Laune-Schub hervorrufen wird. Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch. In der heutigen Corona-Lage haben sich diese Tatsachen, leider, etwas verschoben. Während Schriftsteller Ängste auf ihren Bücherseiten einschreiben, dabei jedoch immer, sagen wir mal nur, auf einen Thrill zielen wollen und trotzdem einen Weg aus diesen Ängsten aufzeigen werden, es macht ja auch keinen Sinn seine Leser in die Fänge von Psychoanalytikern zu treiben, wollen Politiker und solche Gestalten, die dahinter stehen, eine komplette Unterwerfung aus Angst. Hat Robert F. Kennedy an der Siegessäule, am 1. August 2020, zielgerichtet festgestellt. Danach kamen die Wasserwerfer der Berliner Polizei und die politische Verunglimpfung von Andersdenkenden. Nicci French zeigen einem genau diesen Pfad. Frieda Klein hat jetzt Probleme, die es in sich haben. Ihre Freunde werden noch mehr bekommen. Wer mit Frieda befreundet ist, oder auch nur anderweitig mit ihr zu tun hat, sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob er beim ersten Klingeln die Haustür öffnet. Oder in eine Kneipe gehen möchte, mit oder ohne Begleitung. Das Handling eines Verbrechers öffnet sinnloser Gewalt Türen und Tore, und ein Ausweg ist nicht in Sicht? Nicci French waren ihrer Zeit schon immer weit voraus, und da sind sie beileibe kein Einzelfall. Auch wenn grade Frieda Klein und ihre Bekanntschaften und Freunde Leid ertragen, Unrecht über sich ergehen lassen müssen, geben Nicci und Sean doch Hoffnung, das es sich in Zukunft anders gestalten könnte. Was, natürlich, ein Irrtum ist. Nur, im Unterschied zu unseren bestechlichen Politikern, denen Gesundheit von Mensch und Tier scheißegal ist, sind Schriftsteller meistens auf der Seite ihrer Figuren und, manchmal fordert sogar diese Figur, lieber Schriftmaxe, mach dem Leiden meiner Freunde ein Ende und nimm mich aus dieser Geschichte heraus. Nur, wenn diese Federführenden dann Dämonen sind? Deine Wünsche wörtlich nehmen wollen und werden? Nicci French haben aber mehr auf der Pfanne. Und Frau Klein muss anders agieren. Dämonen können auch wie Haustiere sein. Wenn man sie pflegt, könnten sie auch hilfreich sein, nur... wo ist die Grenze? Frau Klein muss jetzt verantwortungsbewusst agieren und reagieren, oder wie Crematory immer sagen, „Das Licht in Dir“ erkennen.
(Penguin)

ISBN 978-3-328 –10877 – 1 448 Seiten (Sonderedition)