BUCHCOVER | REZENSION |
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VALERIE COLBERG –Talvars SchuldSchuldig oder nicht? Das ist hier nicht wirklich die korrekte Frage. Valerie Colberg ist, inspiriert von der römischen Rechtsprechung, auf dem Pfad, dem Leser zu sagen, Recht haben, heißt nicht immer auch Recht zu bekommen und, wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Und was die Römer verzapft haben ist heute genauso aktuell, wobei Frau Colberg hier den Umweg über die Stadt Kessel nimmt, wo Talvar, Stratege der hiesigen Streitkräfte, nach missglücktem Feldzug gegen die Insel Kyma, des Mordes an seinen Vorgesetzten und der Unterschlagung von Kriegsbeute angeklagt wurde. Valerie macht das ganz geschickt, lässt den Gerichtsredner, sprich Verteidiger, die wahren Gegebenheiten farbenfroh umzumünzen, die Tatsachen etwas zu Gunsten des Delinquenten zu retuschieren. So wird Talvar freigesprochen. Das war vor fünfzehn Jahren. Der Sohn der damals umgekommenen Heerführer, Kadevis, soll jetzt in die Politik gehen und dafür von Malkar, dem berüchtigten Redner, genannt „der Bluthund“, angeleitet werden. So will es seine Tante, nicht ohne Hintergedanken. Malkar will Talvar an die Wäsche und Tante Nisra weiß das. Auch wenn sie ihrer Schwester nicht besonders nahe stand, ist sie mit den Plänen des Bluthundes vertraut und träumt schon vom ganz großen Geld. Die eroberten Beutestücke hatten einen enormen Wert. Hier soll Kadevis als Köder dienen, das Oberhaupt der Sippe Lira und Sotan aus der Reserve zu locken. Malkar hat zwar noch andere Verpflichtungen, aber den verhassten Gegner in die Knie zu zwingen, könnte man als Lebenstraum bezeichnen. Und so will er Kadevis genüsslich ausnutzen, der Bengel ist ja noch richtig grün hinter den Ohren. Und vor allem leicht beeinflussbar und zu beeindrucken. Valerie Colberg entfesselt ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich jedoch nicht mit Tom und Jerry vergleichen lässt, die ja noch unterschwellig zum Lachen waren, hier steht bitterer Ernst auf dem Plan. Sie zeigt verfeindete Parteien, von denen, zumindest der einen Seite, jedes Mittel recht ist, das Abwasser der Vergangenheit über den Gegner auszuschütten und sich dabei noch voll Ekstase gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Sich untereinander zu animieren, welche Falle man noch stellen kann, wie man aus dem naiven Kadevis maximalen Profit herauspressen kann, um auch hinterher noch dastehen zu können, den Knaben politisch, (un)moralisch beeinflussen zu können. Die Rechnung scheint aufzugehen. Kadevis, stark beeindruckt von seinem Mentor und dessen Umfeld, ist voll und ganz bei der Sache. Aber Valerie hat noch mehr auf dem Backblech. Lerina, Talvars Tochter aus einer Beziehung mit einer ehemaligen Kriegsgefangenen, hat Kadevis den Kopf verdreht und der, bis hierhin, loyale Schüler beginnt eigene Pläne zu verfolgen. Dieses junge Mädchen will er heiraten, was bei seinem Schwiegervater in spe eher auf Ablehnung stößt. Wie Talvar weise bemerkt „Töchter sind der Quell größter Freude und Sorge für ihre Väter“. Und er, als Vater, hockt jedoch mehr als Glucke auf seinem Nachwuchs, nachdem er schon ihre Mutter aufgegeben hatte, die wieder Richtung Heimat gedüst war, vor fünfzehn Jahren. Hätte er hier reagiert und wäre einen Kompromiss eingegangen, das junge Glück, vielleicht nicht zu akzeptieren, aber zu tolerieren, hätte man so einiges anders händeln können. Kadevis hat ja gute Bereitschaft an der Aufnahme in die Familie signalisiert. So sitzt der naive Bengel, trotz militärischer Ausbildung, die ihm hier gar nichts nutzt, zwischen den Stühlen, die Lerina und Malkar heißen, oder auch als gnadenlose Politik bezeichnet werden sollte. Frau Colberg stellt die Fakten zusammen, die auch unser Leben heute noch bestimmen. Das nennt man investigativen Journalismus, den man über so manches „Schmierblatt“ nicht bekommt. Sie zerreißt Schicksale, die vielleicht zusammen gehören könnten und besticht dabei eine Federführung, der man, als Leser bedingungslos folgt.(Knaur) ISBN 978-3-426-51434-4 402 Seiten 9,99€ (D) 10,30 (A) |