BUCHCOVER | REZENSION |
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VAL MCDERMID –Der VerratVal McDermid zu lesen ist, immer wieder, eine Überraschung für sich. Die Frau hat es drauf, zu fesseln, zu knebeln, den Leser an ihrer Geschichte festzuzurren, bis der nur noch an eins glaubt. Das Buch muss, bis zum Ende hin, gelesen werden. Mit „Der Verrat“ setzt sie sich wieder richtig gut in Szene und das hat man, bei ihr, auch erwarten dürfen. Obwohl! Val ist heute auf einem anderen Schnupperkurs. Und die ersten Seiten zeigen an, Frau McDermid ist wieder auf Konfrontation mit den bösen Buben dieser Welt. Nur hat sie hier und heute mal einen anderen Plan. Der wird aber aufgehen, beim Leser ihrer Seiten, in jedem Fall. Und da dürfte es relativ egal sein, ob man NEU-Leser ist, oder Val McDermid schon mal verkonsumiert hat und die Aktivitäten der Schriftstellerin schon kennt. Dieses Buch hat jedoch eine neue Dimension erreicht. Sicher ist, das Böse schlägt wieder zu. Da ist Frau McDermid gnadenlos. Stephanie Harker muss hilf- und tatenlos zusehen, wie ihr Adoptivsohn in spe, Jimmy Higgins auf dem Flughafen in Chicago entführt wird. Und das bei den Sicherheitsvorkehrungen in einem Land, wo man schon die Mütze eines Weihnachtsmannes als terroristische Bedrohung annimmt. Oder Kinder mit Papierscheren und Wasserfarben als potentielle Attentäter auf seinen Präsidenten sieht, obwohl die Landesvätermörder, und die sich dazu machen wollten, immer noch aus den eigenen Reihen kommen. Wo das Thema „Guantanamo-Bay“ immer gut ankommt, für Leute, deren Dunstkreis man nicht einmal annähernd kennt, die dort aber „Gastfreundschaft“ genießen dürfen, weil sie anders aussehen, oder die falsche Tageszeitung, zur falschen Zeit, am falschen Ort tragen. Was für die britische Staatbürgerin Stephanie, mittlerweile ohne Adoptivsohn, dafür jedoch mit Elektroschockern attackiert und in Haft genommen, keine wirkliche Hilfe darstellen dürfte. Bis man zur Kenntnis genommen hat, das Steph kein Täter, sondern eines, der zwei, Opfer ist und man versucht, sich der Kindesentführung anzunehmen, rauscht viel Wasser die Niagarafälle herunter und der Tatendrang des, plötzlich erwachten, FBI läuft dann, so richtig glanzlos, ins Leere. Val McDermid hat schon so manches besonderes Goldstück vorgelegt. Hier geht sie, auf Täterspuren suchend, aber noch einige Ecken weiter. Beim FBI logierend, darf Stephanie Harker ihre Geschichte erzählen, ist fast trautes Heim. Und als Leser frisst man Val aus der Hand. Stephie erzählt, von ihrem Job als Ghostwriter für Leute, die sich besser darstellen wollen, als sie es sind, es aber nicht selbst schreiben könnten. Für sich, und ihre ahnungslose Umwelt inklusive, Entschuldigungen finden wollen, für ihr, entweder verpfuschtes oder, höchst arrogant geführtes Leben, sucht es Euch aus. Als Dieter Bohlens Buch herauskam (welchen Titel hatte das überhaupt?), waren ja Schlangen an den Kassen zu sehen. Jeder wollte mal nachgucken, welcher Volltrottel so eine Rotze käuflich erstehen möchte. Stephanie hat da andere Erfahrungen. Sie wird, in ihrem Job, knallhart damit konfrontiert, das, genau DAS, sich gut verkaufen lässt, an Leute, die jeden Bezug zur Realität verloren haben. Die sich versuchen, mit Stars und Sternchen zu schmücken, mit Dabei sein wollen. Nur ist Scarlett Higgins anders, Stephs letztes Projekt. Die Frau ist als Fernsehluder bekannt, nur entwickelt sich das anders, als… Lest selber! Nach dem Tod von Scarlett, so ist es im Testament verfügt, soll Stephanie, als Patentante und Geburtszeugin von Jimmy, auch die Adoption des kleinen Rackers übernehmen. Für ihn sorgen. Das will sie auch machen, obwohl sie selbst nie Kinder wollte. Nur, Jimmy ist ein besonderes Kind. Der Vater war ein Vollschnösel, recht früh von uns gegangen, Drogen machen das manchmal, die Mutter ein C-Promi aus der Dschungelwelt des Hartz-IV-TV, die sich jedoch als sehr findig herausstellt, was Steph beeindruckt hat. Und sie eine Freundschaft zu der, vermeintlich „dummen“, Blondine entwickeln lässt. Nach dem Krebstod von Scarlett, erbt Steph den kleinen Bengel, viele Alternativen zur Versorgung von Jimmy gab es ja nicht. Neider gibt es immer, vor allem in der eigenen Familie, oder wenn Ex-Freunde unterwegs sind, die das Wort „Nein“ nicht anerkennen wollen. Und so steht Stephanie Harker auf dem Flughafen Chicago plötzlich ohne ihren Adoptivsohn da. Val McDermid hat wieder ein ganz besonderes Goldstück abgegeben, lässt hinter so manche Kulisse blicken, das hat sie immer gut drauf, und zeigt sich mal von einer anderen Seite. Trotzdem, eher, genau deswegen, bleibt sie ein fester Bestandteil des lückenlosen Bibliotheken-Zuwachses.(Knaur) ISBN 978-3-426-51402-3 508 Seiten 9,99€ (D) 10,30€(A) |